In welchem Zusammenhang bist Du erstmals dem Namen, der Person oder dem Werk Niklas Luhmanns begegnet? Und welchen Unterschied hat diese Begegnung für Dich persönlich gemacht?
MBB: Ich bin dem Namen Luhmann zum erstenmal im Zusammenhang der
Habermas-Luhmann-Kontroverse von 1971 begegnet und, da in Frankfurt
sozialisiert, hielt ihn für den Leibhaftigen. Als ich mich in sein Werk
eingelesen hatte, erkannte ich das klar als Irrglauben, konvertierte
gerne, angezogen von einer brillanten Intellektualität. Begegnet bin
ich ihm ein paarmal auf verschiedenen Kongressen, immer beeindruckt von
seiner persönlichen Bescheidenheit und unprätentiösen Art, die es ihm
erlaubte, auf jedes Argument geschliffen und gelassen zu reagieren,
beeindruckt aber v.a. von seinem immensen Bildungsreichtum.
Welches seiner Werke hat eine besondere Bedeutung für Dich und warum?
MBB: Die "Gesellschaft der Gesellschaft"
hat für mich die meiste Bedeutung, weil ich es als Krönung empfinde,
das lange vorbereitet war und riesige Gebiete souverän verbindet.
Gab es persönliche Begegnungen mit Luhmann und, wenn ja: welche sind Dir besonders in Erinnerung geblieben?
MBB: Persönliche Begegnungen mit Luhmann hatte ich keine.
Inwiefern können Mitglieder der
beratenden Professionen (Psychotherapie, Beratung, Supervision etc.)
von der Lektüre der Werke Luhmanns aus Deiner Sicht profitieren - und
wie würdest Du die Antwort begründen?
MBB: Lernen kann man von Luhmann, das intuitives Denken manchmal
auch Irrtümer beinhaltet. Therapeuten z.B. haben öfter die Vorstellung,
sie könnten gewissermaßen direkt in den Kopf, die Kognitionen ihrer
Patienten hineinschauen oder hineinintervenieren. Dieser schönen
Phantasie schiebt Luhmann einen Riegel vor und zwingt uns, darüber
nachzudenken, in welcher Weise therapeutische Interaktionen denn
Kognitionen verändern? Denn dass Patienten (und Therapeuten wohl auch)
am Ende einer Behandlung anders denken als vorher, wollen wir doch
annehmen, manchmal sehen wir's direkt. Niemand aber kann m.W. bisher
sagen, wie's zustande kommt und so hat Luhmann uns Therapeuten
eigentlich eine höchst interessante Fragestellung hinterlassen, die
Neurowissenschaften u n d Interaktionstheorie inkludiert.
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