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Dirk Baecker über Niklas Luhmann
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In welchem Zusammenhang sind Sie erstmals dem Namen, der Person oder dem Werk Niklas Luhmanns begegnet? Und welchen Unterschied hat diese Begegnung für Sie persönlich gemacht?
DB: In den späten siebziger Jahren war ich auf der Suche nach
interessanten wirtschaftssoziologischen Positionen, mit deren Hilfe ich
die Fragestellungen von Walter Benjamins Passagenwerk und Jean
Baudrillards Konsumsoziologie möglicherweise weiterentwickeln konnte.
Da fielen mir Luhmanns frühe Aufsätze zur Soziologie der Wirtschaft in
die Hände, die mich zwar auf ganz andere Wege als die geplanten
führten, mich aber schon deswegen faszinierten.
Welches seiner Werke hat eine besondere Bedeutung für Sie und warum?
DB: Ein Schlüsselerlebnis war der erste Band der "Gesellschaftsstruktur und Semantik",
weil Luhmann dort mit leichter Hand nicht nur die Fragestellungen
rekonstruierte, die vom Moralismus des 18. Jahrhunderts bis zum
Existentialismus des 20. Jahrhunderts im im Zentrum der Suche nach dem
Verhältnis von Individuum und Gesellschaft stehen, sondern es zugleich
auch schaffte, den üblichen Bezug aufs Individuum zugunsten eines
Bezugs auf Gesellschaft und deren evolutionären Wandel zur modernen
Gesellschaft zu ergänzen.
Gab es persönliche Begegnungen mit Luhmann und, wenn ja: welche sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
DB: Nach einem kurzen Briefwechsel mit Herrn Luhmann hatte ich das
Glück, ab 1982 bei ihm an der Universität Bielefeld meine Doktorarbeit
zu erstellen und später auch bei ihm zu habilitieren.
Inwiefern können Mitglieder der
beratenden Professionen (Psychotherapie, Beratung, Supervision etc.)
von der Lektüre der Werke Luhmanns aus Ihrer Sicht profitieren - und
wie würden Sie die Antwort begründen?
DB: Der Hauptgewinn liegt sicherlich im bewussten Umgang mit
Systemreferenzen. Das bedeutet nicht, dass man, wenn man Luhmann liest,
nicht mehr psychisch, sondern sozial zurechnet, sondern das bedeutet,
dass man beides tun kann, in jedem Fall jedoch eine Entscheidung
treffen muss. Das alleine reichert die analytischen Möglichkeiten enorm
an und macht, da die Entscheidung in jeden Fall alles andere als
selbstverständlich ist, mit der Ambivalenz als Grundtatbestand
individuellen und sozialen Lebens bekannt.
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