Wolfgang Loth: Study what…!?
Nach unzähligen Tagungen und Kongressen bin ich mittlerweile nicht mehr
wirklich so neugierig auf das, was da und dort mitgeteilt wird, welches
neu und wichtig, was nun alt und von gestern sei, was nun „muss“, wem
man sich beugen, wohin man sich wenden sollte, mir ist es mittlerweile
eigentlich nur noch wichtig, ob ich den Eindruck gewinne, da spreche
jemand von etwas, das ihn oder sie angeht. Und was diese Person angeht,
und wie sie sich darauf bezieht, mag alt oder neu sein, angenehm oder
unangenehm, wenn ich damit die Person verbinden kann, dann finde ich
mich aufmerksam wieder, dann mag die Pause bleiben wo sie will.
Anderenfalls ist es gut, wenn die Lobby einladend ist und es auch
andere dahin verschlägt.
Und wenn ich zurückschaue und mich frage, ob es etwas gebe, was ich
denn beisteuern könne zur Kongress- und Tagungslese dieser Serie, dann
taucht mir eher ein Kaleidoskop von Eindrücken auf, Variationen dieses
Beeindrucktseins vom Zusammenpassen von Botschaft und Person.
Angefangen vom „36-Stunden-Marathon in kreativer Aggression“ zum Thema
„Streiten lernen“ (ja, bis auf 2 Stunden Schlaf waren das wirklich fast
36 Stunden; aber da war man noch jünger, mehr als 30 Jahre her), über
den 1984er MRI-Kongress in München, wo mir bei von Glasersfeld die
Augen aufgingen. Oder Bill O’Hanlon, der bei einem workshop 1986 in
Heidelberg einen Kleiderrahmen vormachte: am ersten und am letzten Tag
in Anzug mit Krawatte, der Tag dazwischen im Räuberzivil. War das eine
Botschaft? Er fand die Frage lustig. Und Peggy Papp ließ sich auf
unserem Weinheimer Kongress in Essen von mir zum Festivaldinner führen,
anmutig und very well-dressed und erzählte dabei von ihren Erfahrungen
als Kind auf dem Bauernhof, vom Reiten im Wilden Westen.
Wenn ich mich dann doch auf eine Begebenheit festlegen sollte, eine
Situation, die mich am meisten beeindruckt hat, dann war es wohl doch
Steve de Shazer auf einem dieser von Joachim Hesse organisierten
Workshops in Euskirchen. Steve hatte wieder in der ihm eigenen Art über
Prämissen und Grundlagen lösungsorientierter Kurztherapie gesprochen,
an der Grenze zum Lakonischen. Und jemand wollte mehr wissen, wollte
wissen, wie es denn in Steves eigenem Leben funktioniere, was er hier
so lösungsorientierend erzähle. Die Antwort kam unmittelbar: „Study
your own business!“, bellte er den Fragesteller an, gefolgt von „Next
question!“. Da habe wohl nicht nur ich die Luft angehalten und war
froh, nicht in der Haut des Fragestellers zu stecken. Mir schien das
zunächst wie eine überzogene Abgrenzung, geradezu unhöflich. Was hatte
das mit Lösungsorientierung zu tun!? Doch je mehr ich darüber
nachdachte, desto passender wurde mir die Antwort. Was könnte ich von
einer Selbstbeschreibung profitieren, die mir in Worten expliziert, wie
jemand mit seinem eigenen Konzept zurechtkommt (oder gar: nicht
zurechtkommt… Willkommen im Club!, sozusagen)?! Ich müsste es glauben –
oder lassen. Und wäre gleichzeitig abgelenkt von dem, was offen zur
Verfügung steht: mein Erleben beim Teilhaben an einer Situation, zu der
jemand profiliert beiträgt. Und was ich selbst daraus für Schlüsse
ziehe, und wie ich mich dazu entscheide, diese Schlüsse als „Schlüsse“
zu nutzen oder als „Beginne“. So was, oder so ähnlich. De Shazer gab
mit seiner Antwort mehr als es sowohl ein voyeuristischer Blick in
seine Lebenspraxis als auch ein vielleicht erleichterndes „Der kocht
zuhause auch nur mit Wasser!“ gegeben hätten. Er erinnerte „auf sein
Art“ an den immer noch hilfreichen Imperativ „Erkenne Dich selbst!“
(und machte vor, wie sich das dann zeigt, ohne auf Transparente
geschrieben zu werden).
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