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Elisabeth Eisenhauer: Briefe aus den USA - Nr. 2, 16.4.2005: Acknowledgements
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Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser!
Haben Sie heute schon ein Kompliment ghört? Haben Sie selbst jemandem
ein Kompliment gemacht, vielleicht einer Person, die Sie zur Beratung
aufsuchte?
In der lösungsorientierten Kurztherapie nach Kim Berg und de Jong
(1998) greifen Komplimente persönliche Qualitäten und Erfahrungen von
KlientInnen auf. Diese können als “Stärken” und “Erfolge” nützlich
sein, um aktuelle Schwierigkeiten zu meistern und ein Ziel zu
erreichen. Beispiel: “Sie scheinen eine Mutter zu sein, die sich sehr
um ihre Kinder kümmert und versucht, jedem das zu geben, was es
braucht.” (de Jong).
Ich möchte in meinem heutigen Brief nachdenken über eine Art von
Mitteilung, die auf den ersten Blick einem Kompliment ähnelt, die
jedoch von anderen Grundannahmen ausgeht und andere Möglichkeiten
eröffnet: acknowledgement (“Bestätigung, Anerkennung”). Entwickelt wurde dieses Konzept von Michael White (s.u.).
In meiner Arbeit mit Personen, die zur Beratung kommen, halte ich
manchmal inne und teile ihnen mit, wovon ich beim Zuhören inspiriert
bin, was einen besonderen Eindruck bei mir hinterlässt oder wie ihr
Lösungsweg eine Ressource für weitere KlientInnen sein wird. Solche
Mitteilungen sind, ebenso wie Komplimente, Teil unseres Alltagslebens.
Wir können ihnen für unsere Arbeit besondere Aufmerksamkeit schenken.
Meine wöchentliche Gruppensupervision ist dafür ein gutes Übungsfeld.
Am Ende der Sitzung reservieren wir stets zehn Minuten für acknowledgements:
Ich hebe eine Idee oder Erfahrung eines anderen Mitglieds hervor, die
mich angesprochen hat und mir neue Möglichkeiten des Denkens und
Handelns eröffnet. Dabei geht es weniger um lobende Äusserungen,
sondern vielmehr darum, sichtbar zu machen, wie ein Leben das andere
berührt und wie wir ein wenig anders den Raum verlassen, als wir
hineingekommen sind.
Dazu ein Beispiel. Bob: “Elisabeth, als ich zuhörte, wie Du von
lebenslangem Lernen gesprochen hast, fühlte ich mich erinnert an eine
Haltung der Neugier, die ich früher einmal hatte und die mir etwas
verlorengegangen war. Ich glaube, mit dieser Haltung kann ich einige
Hürden besser angehen. Danke!”
Auf der Seite des Empfängers ist der Effekt von acknowledgements
ein anderer als der von Komplimenten (bei denen es um individuelle
Stärken geht): Hier liegt die Betonung auf der Beziehung. Ich habe den
Eindruck, etwas bewegt zu haben. Meine Geschichte wird durch die
Assoziationen der anderen TeilnehmerInnen bereichert und gewinnt an
Gestalt. Indem sie den Erfahrungskontext ihrer Anmerkung sichtbar
machen, vermeiden die TeilnehmerInnen weitgehend normatives Urteilen.
Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie dieser Austausch am
Sitzungsende auch unsere Aufmerksamkeit im Verlaufe der Sitzung lenkt
und wie ich als Zuhörende Zugang habe zum Schatz meiner
Lebenserfahrungen, Überzeugungen und Hoffnungen.
Eine ausführlichere Form von acknowledgements
haben wir in einer Elterngruppe als Reflecting Team praktiziert. Nach
zehnminütigem Interview mit einer Teilnehmerin zum Thema ihrer Wahl
setzte diese sich ein wenig abseits und hörte zu, wie die Leiterin
Mitglieder aus der Gruppe interviewte. Sie stellte folgende Fragen
(basierend auf Michael White’s Outsider Witness Responses):
- Was von dem Gehörten hat Sie besonders angesprochen?
- Was sagt das Ihrer Meinung nach aus über die Werte, die Absichten und das Engagement der Interviewten?
- Welches Bild oder Symbol kommt Ihnen dazu in den Sinn? Wie, glauben Sie, könnte dies hilfreich für die Interviewte sein?
- Warum hat Sie dies angesprochen? Was ist es in Ihrem Leben, das Sie mit dem Gehörten verbindet?
- Wohin sind Sie in Ihrem Denken von dem Gehörten bewegt worden? Welche Möglichkeiten tun sich ihnen auf?
Im anschliessenden Re-Interview hat die Teilnehmerin Gelegenheit, von
dem Gesagten aufzugreifen und weiterzuspinnen, was sie einen Schritt in
die gewünschte Richtung gebracht hat. Was in diesem Miteinander
geschah, erinnert mich an Martin Bubers Wort “Der Mensch wird am Du zum
Ich”.
Seien Sie herzlich gegrüsst,
Elisabeth Eisenhauer
P.S.: Zum Nachlesen:
White, Michael (2002). Workshop Notes, S. 13-15: Definitional Ceremony and Outsider Witness Responses. Zu finden bei: www.dulwichcentre.com.au
White, Michael (2000). Reflecting-team work as definitional ceremony
revisited. S. 72 Practices of acknowledgement. In: Reflections on
Narrative Practice. Dulwich Centre Publications, Adelaide.
Kim Berg, Insoo; de Jong, Peter (1998) Lösungen (er-) finden. Das
Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. S. 61. Verlag
modernes lernen, Dortmund.
P.P.S: Wie immer freue ich mich über Ihre Anregungen! Schreiben Sie an
Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören (eeisenhauer@earthlink.net)
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