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Elisabeth Eisenhauer: Briefe aus den USA - Nr. 1, 16.4.2005: Super- und Intervision

Elisabeth Eisenhauer
Liebe Leserinnen und Leser!

Als Tom Levold mich fragte, ob ich “Briefe aus den USA” für das Systemagazin schreiben würde, habe ich mich gefreut. Ich hatte schon länger den Wunsch, einiges von dem hier Gelernten in Deutschland zugänglich zu machen und zu diskutieren. Im letzten Sommer bin ich vier Wochen durch Deutschland gereist und habe Mitglieder der systemischen Liste besucht. Herzliche Gastfreundschaft und anregende Gespräche haben mich weit über die Reise hinaus belebt. In diesem Geiste der gegenseitigen Neugier und des Gesprächs möchte ich meine Briefe schreiben und lade Sie herzlich ein, alle sechs Wochen in dieser Ecke des Systemagazins zu schmökern.

Heute möchte ich Ihnen erzählen, was ich an meiner Supervision zu schätzen gelernt habe. Diese Art der Supervision und Intervision, das muss ich betonen, ist nicht typisch für TherapeutInnen in den USA.  Im Anschluss werde ich Sie mit Fragen überschütten (help!), von denen Sie sich ein paar aussuchen können, die Sie ansprechen (phhh…).

Sie müssen wissen, dass mein dreijähriges Studium “Master of Arts in Counseling Psychology” einen einjährigen Theorieteil beinhaltete, in dem eine Vielzahl der bedeutendsten Ansätze und Theorien der Psychologie und Psychotherapie besprochen wurden. Die folgenden eineinhalb Jahre waren theoriebegleitete Praxis.
Meine Supervisorin Lori Kandels, M.A., MFT (Marital and Family Therapist) regte mich an, etwa einmal im Jahr aufzuschreiben, wie ich mich als Therapeutin sehe und wie ich Personen, Beziehungen, Probleme und Wandel begreife. Sie hilft mir, meine ethische Haltung als Therapeutin und meine eigene theorie – mit kleinem “t”! – zu entwickeln.
Ich kann damit an die Theorien und Vorbilder, die mir begegnen, meine Fragen richten, entwickle einen eigenen Massstab und nehme in meine Arbeit auf, was mir einleuchtet. Wie an einer Landkarte richte ich meine Arbeit aus: Wie nah komme ich der Weise, wie ich sein möchte? Das ist ein anderer Vorgang, als wenn ich mich für eine der grossen Theorien entscheide und versuche, im Praktizieren dieser Theorie immer besser zu werden.
In der Supervisionsgruppe interviewen wir uns gegenseitig zu unserer theorie und stellen im anschliessenden Reflecting Team Fragen, die uns helfen, die eingeschlagene Richtung deutlicher vor Augen zu haben und in unseren Werten und Beziehungen zu verankern. Die Gruppe wird so zu einem Ort, wo unsere Geschichten erinnert werden. Wenn das Team hinter dem Einwegspiegel, sitzt während ich mit einer Klientin arbeite, fühle ich mich vertrauend beobachtet und getragen. Tatsächlich arbeite ich besser in dem Raum mit dem Einwegspiegel, selbst wenn das Team nicht dabei ist. In meiner eigenen Praxis, eines Tages, werde ich einen kleinen Spiegel aufhängen...

Wenn Sie – allein oder in einer Gruppe - Lust haben zu einer Standortbestimmung, schauen Sie sich mal unten die Fragen an. Ich habe aus der Liste meiner Supervisorin einige ausgewählt und übersetzt, andere abgewandelt und einige neu hinzugefügt. Ich denke, wenn wir als TherapeutInnen in Inter- oder Supervision miteinander auf dem Weg sind und für unser Denken und Handeln verantwortlich sein wollen, können Fragen wie diese uns im Gespräch helfen. Sie können diese Liste weiterentwickeln, so dass sie für Sie nützlich ist:
  • Wie würden Sie Ihr Menschenbild beschreiben? Was macht einen Menschen aus?
  • Wie entstehen Probleme; welche Faktoren begünstigen und unterhalten Probleme? Was führt dazu, dass etwas als problematisch gesehen wird?
  • Wie geschieht Wandel/Veränderung und nach welchem zeitlichen Ablauf?
  • Wie, denken Sie, sehen KlientInnen sich selbst? Wie werden sie (neu) beschrieben im Laufe der Therapie?
  • Wie wählen Sie Ihre Worte und Ihre Sprechweise im Gespräch mit KlientInnen? Wie sprechen Sie über KlientInnen in deren An- und Abwesenheit?
  • Welche Auswirkungen hat Ihre Haltung als TherapeutIn auf die Weise, wie Sie sich KlientInnen gegenüber verhalten? Was macht Sie als ExpertIn aus und was macht KlientInnen als ExpertInnen aus?
  • In welchen Momenten setzen Sie Fragen, Interpretationen, Vorschläge, etc. ein? Was ist der Sinn und Zweck Ihrer Interventionen?
  • Wie sieht Ihr Konzept von Zusammenarbeit aus? Wie laden Sie dazu ein? Wie kommen Entscheidungen zustande über den Ablauf der Sitzung, über einen Therapieplan, darüber, wer an den Sitzungen beteiligt ist, etc.?
  • Wer legt die Therapieziele fest? Wer ermisst, wie hilfreich die Therapie ist? Wie wird diese Messung vorgenommen, von wem und wie oft? Was folgt aus dem Ergebnis?
  • An welchen ethischen Leitlinien orientieren Sie sich in Ihrer Arbeit? In welchem Ausmass hinterfragen Sie kulturelle Normen? Wie und unter welchen Umständen tun Sie das? Wie würden Sie die politische Dimension Ihrer Arbeit beschreiben?
  • Welche Fragen beschäftigen Sie in Ihrer Arbeit und welche Interessengebiete möchten Sie gerne weiter verfolgen?
  • Was freut und belebt Sie am meisten an Ihrer Arbeit?
  • Ihre Verbindung mit welchen Menschen (Tieren, Engeln, usw.) trägt und fördert Ihre Haltung?
  • Wie haben Sie Ihr Sprechzimmer gestaltet; was hoffen Sie, durch Ihre Auswahl und Anordnung der Möbel, der Farben, des Lichts, etc. möglich zu machen?
  • Wie lernen Sie und entwickeln sich in Ihrer Arbeit weiter? Welches sind Ihre wichtigsten Lernquellen?
  • Aus welchen nicht-beruflichen Quellen schöpfen Sie?
  • Welche Werte, Qualitäten, Einstellungen aus der Zeit vor Ihrer systemischen Ausbildung sind heute bedeutsam für Ihre Haltung als TherapeutIn?
  • Wenn Sie sich ein Bild, ein Symbol dafür vorstellen, wie Sie in Ihrer Arbeit anwesend sein möchten, wie würde das aussehen?
  • Welche weiteren Fragen möchten Sie sich stellen, die Ihnen helfen könnten, Ihre Haltung als TherapeutIn zu beschreiben?

Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören (eeisenhauer@earthlink.net), wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und grüsse Sie herzlich,

Elisabeth Eisenhauer



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