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systemagazin special: "Das erste Mal"
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Sabine Kirschenhofer: Dank sei pinkelnden Hunden und windelwerfenden Kleinkindern
Ein bedeutsames erstes Mal hatte ich im September 2005, als ich – als junge Kollegin – am Institut für Ehe- und Familientherapie in Wien eine Bildungskarenzvertretung antreten durfte (erfreulicherweise konnte ich danach bleiben). Meine Ausbildung zur systemischen Paar- und Familientherapeutin hatte ich ca. eineinhalb Jahre zuvor beendet, ich arbeitete zu der Zeit in einer feministischen Frauenberatungsstelle als Teilzeitkraft sowie sehr bescheiden (will heißen, kaum KlientInnen) in freier Praxis. Ich hatte das Gefühl, dass ich eigentlich immer noch nicht weiß, wie Paar- od. Familientherapie „geht“. Noch dazu bestand meine KollegInnenschaft großteils aus sehr erfahrenen Paar- und FamilientherapeutInnen, die auch meine LehrtherapeutInnen und AusbildnerInnen gewesen waren. Nun ja, wie das halt so ist, passieren am Anfang immer so seltsame Sachen: Meine erste Familientherapie am IEF: Es kam eine kurdische junge Frau mit zwei Buben, die Familie spricht untereinander türkisch. Der Kleinere (im Alter von drei) betätigte sich flugs künstlerisch an den Zimmerwänden (ich hatte nicht daran gedacht, das Flipchart samt Stiften vor Eintreffen der Familie in Sicherheit zu bringen); die Mutter war zum einen mit der Einschränkung der Raumeroberung des Kleinen beschäftigt, zum anderen damit, den 8jährigen davon abzuhalten, den kleinen Bruder zu hauen, weil der ja so schlimm war. Schlussendlich entledigte sich der 3jährige vor unseren Augen seiner nicht mehr ganz unbefleckten Windel. Ich fühlte mich recht hilflos, weil so viel passierte, was nicht in mein Skript einer Familientherapiesitzung passte, wo Menschen kommen und reden und Kinder entweder auch sprechen oder eben spielen und auf Papier zeichnen. Retrospektiv war das eigentlich ganz gut, weil ich nonverbal ein Bild der familiären Situation gezeigt bekam (inkl. dem Gefühl der Hilflosigkeit, das die Mutter auch sehr gut kannte), was im verbalen Erzählen schwierig war, weil die Buben kaum redeten und die Mutter nur gebrochen deutsch. Meine erste Paartherapiesitzung einige Tage später war dann ebenfalls von Ausscheidungen eingerahmt, weil gleich zu Beginn der Stunde – noch bevor ich mich gesetzt hatte und irgendwas sagen konnte – das mitgebrachte Babyhündchen den Teppich vollpinkelte … das war dem Paar so peinlich, dass ich mir dachte, jetzt fällt meine Unsicherheit gar nicht mehr auf … woraufhin wir ein sehr angenehmes Erstgespräch miteinander verbrachten. Von meiner zweiten Paartherapie ließe sich viel erzählen, was hier aber zu weit führen würde. Bottom line: Der Mann blieb nach der 2. Stunde weg, weil er sich ungerecht behandelt fühlte: Dies bestätigte meine überhaupt größte Befürchtung – ich als Feministin vertreibe die Männer und bin als Paartherapeutin (für Heterosexuelle) ungeeignet. Jedoch blieb es bei diesem einen, der sich bei mir nicht wohl fühlte (bis dato) – und rückblickend hab ich wirklich selten einen Mann getroffen, der sich abwertender seiner Frau gegenüber verhielt … naja und sein Abwertungs-Referat unterbrach ich eben in der 2. Stunde, weil es mir zu blöd wurde. Als ich kurz darauf meinem Chef Joachim Hinsch von meinen ersten Erfahrungen erzählte, grinste er mich an und sagte: „Sabine, das muss was mit dir zu tun haben.“ Genau, so isses nämlich! Das Outing peinlicher Vorfälle bei einer freundlich gesinnten KollegInnenschaft kann ich übrigens wärmstens empfehlen, das hilft. Mein persönliches Resümee: Dank sei pinkelnden Hunden und windelwerfenden Kleinkindern!
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