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systemagazin special: "Das erste Mal"
Hedwig Wagner: Ich bin in die systemische Beratung und Therapie so hineingewachsen

Ich bin in die systemische Beratung und Therapie so hineingewachsen und tu mich daher schwer, eine Geschichte über das 1.Mal zu (er)finden, es sind in der Rückschau eher einige Fallvignetten, die in meinem Kopf auftauchen.
Mein beruflicher Ausgangspunkt war ja die Sozialarbeit in der Jugendwohlfahrt, die ich meinen beruflichen Anfangszeiten (1970) zwar noch sehr konservativ vorfand, aber immerhin waren die Bemühungen der engagierten Basis um Veränderungen damals recht erfolgreich. Viele Projekte und präventive Angebote entstanden, die kontrollierende Fürsorge wurde um den Servicegedanken erweitert. Fachleute aus dem In- und Ausland wurden zu Enqueten eingeladen. Ich fühlte mich ganz wohl mit dieser Aufbruchsstimmung in meinem Arbeitsbereich.
Durch meine Neugier und meinen Ehrgeiz, meine Klienten kompetenter unterstützen zu können, kam ich in die Beratungs- und Therapieszene, ein damals in Wien eher ungewöhnlicher Zugang (der übliche Weg war eher über die erfolgreich erlebte Eigentherapie).
1978 besuchte ich ein Seminar von Ludwig Reiter über Familientherapie. Diesen Zugang, mit allen Familienmitgliedern über Probleme und Konflikte zu reden, erlebte ich als sehr anschlussfähig zu meinen Überzeugungen. Ab 1979 arbeitet ich als Beraterin (4 Stunden/Woche) in der Ehe- und Familienberatungsstelle der Stadt Wien, die damals von Ludwig Reiter fachlich geleitet wurde.
Diese Beratungstätigkeit ermöglichte mir dann den Zugang zu den Workshops, die vom Institut für Ehe und Familientherapie organisiert und von den europäischen und amerikanischen systemischen „Pionieren“ wie Gottlieb Guntern, Rosmarie Welter-Enderlin, Kurt Ludewig, Harold Goolishian, Steve De Shazer usw. geleitet wurden. Ludwig Reiter und eine leider früh verstorbenen Kollegin, Fr. W. Krug begleiteten als SupervisorInnen meine Praxisfälle.
Meine Ausbildung war immer sehr verwoben mit dem raschen Ausprobieren und Umsetzen systemischer Ideen in meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin in der Jugendwohlfahrt und in der Ehe- und Familienberatung. Und vielleicht bestärkt und begleitet durch „Anfängerglück“ – oder war es die paradigmatische, auf Ressourcen und Veränderungen fokussierte Brille, die mich mehr Erfolge bei der systemisch inspirierten Arbeit sehen ließen?
Soll ich nun für das 1. Mal die Geschichte meiner ersten Beratung nehmen?  Meine Vorgängerin in der Eheberatungsstelle wollte mich eigentlich einige Wochen als Zuhörerin bei ihren Gesprächen einschulen und noch nicht selbstständig arbeiten lassen. Es kam dann eine Familie, die in einer Krisensituation war, weil die 16 jährige Tochter ungeplant schwanger war. Obwohl sie Schülerin war und beabsichtigte, ihre Ausbildung zu beenden, wollte sie das Baby bekommen.
Das Anliegen der Familie war, ein Modell zu finden, bei dem die Tochter ihre Verantwortung als Mutter übernehmen konnte, obwohl sie weiter im Haushalt ihrer Eltern leben musste. Die Eltern wollten die Tochter unterstützen, aber für das Enkelkind Großeltern sein und befürchteten, in die Verantwortlichkeit einer Elternfunktion hineingezogen zu werden. Sie hatten Bedenken, ob die Tochter dieser frühen Mutterschaft und Verantwortung gewachsen war. Bei dem ersten Gespräch schlug meine erfahrene Kollegin spontan vor, die Eltern und die Tochter mit ihrem Freund getrennt zu beraten, also in der Beratung ein Modell für die Akzeptanz zweier eigenständiger Paarsubsysteme vorzugeben. Ich sollte als Jüngere die Beratung der Tochter und ihres Freundes übernehmen. Ich war ziemlich nervös vor diesem Gespräch mit dem jungen Paar und kann mich auch nicht mehr erinnern, welche konkreten Ideen dann hilfreich waren. Jedenfalls nach dem dritten, wieder gemeinsamen Zweigenerationengespräch waren die KlientInnen zufrieden und ermutigt, sich der Eltern- bzw. Großelternschaft gewachsen zu sehen. Die von meiner Kollegin vorgeschlagene Veränderung des Settings hatte sich bewährt und ich hatte meine erste Beratung mit einer positiven Rückmeldung bestanden.
Oder ist es eher die Geschichte, einer KlientIn, die ich als Sozialarbeiterin im Jugendamt betreute, und die mich um eine Therapie bat? Nach einer Scheidung hatte sie bei ihrem Arbeitgeber Geld unterschlagen. Sie hatte das mit dem Chef ohne gerichtliche Verfolgung regeln können, wollte aber aufarbeiten, was sie in diese Situation, die sehr beschämend war, gebracht hatte und hatte Angst, wieder zur Gesetzesbrecherin zu werden. Eigentlich wollte ich sie an eine Beratungsstelle überweisen, um keiner Verwirrung hinsichtlich meiner unterschiedlichen Funktionen aufkommen zu lassen. Meine Information darüber, in welchen Situationen ich als Sozialarbeiterin im institutionellen Auftrag kontrollierend handeln müsse, führte dazu, dass es der Klientin gelang, mich zu überzeugen, dass sie da keine Probleme auf sich zukommen sähe.
Es war ein spannender Prozess, diese Klientin mit regelmäßigen Gesprächen über ein halbes Jahr zu begleiten. Sie konfrontierte sich mit dem Verlust der Liebe ihres Mannes und ihres Status als Ehefrau, nahm sich Zeit zu trauern. Sie beschrieb ihrer Angst, mit dem Mann auch noch ihre drei 16-, 18- und 21-jährigen Kinder zu verlieren. Mit teuren Geschenken hatte sie sich ihre Liebe erhalten wollen. Nach und nach konnte sie ihren Fähigkeiten und der Beziehungsbasis, die sie als Mutter zu den Kindern hatte, wieder vertrauen. Die Kinder reagierten sehr positiv auf ihre Veränderungen, vor allem die 18-jährige Tochter suchte wieder Gespräche mit ihr.
Oder ist es eine über eineinhalb Jahre dauernde Co-Therapie an der Eheberatungsstelle? Eine Therapie, bei der mein Kollege und ich uns redlich bemühten, all unsere systemischen Kompetenzen einzubringen, transparent vor den KlientInnen reflektierten und kritisch unsere eigenen Erwartungen an Paarbeziehung hinterfragten. Wir berieten ein Paar bei ihrem zweiten Versuch, mit professioneller Hilfe ihre Beziehung zu klären. Die vorhergehenden Gespräche in der Beratungsstelle eines kirchlichen Trägers hatten sie beendet, weil sie die Beratung parteilich und von moralischen Vorstellungen beeinflusst erlebt hatten. Die Frau hatte eine Affäre gehabt, beide meinten, die Parteinahme für den Mann durch den Berater hatte sie in der Lösung ihrer Beziehungsprobleme nicht weitergebracht. Unsere Verständnis und die geduldigen Versuche, positive Veränderungen in dieser Beziehung anzuregen waren erfolglos und wir unterstützten dann dieses Paar bei ihrer einvernehmlichen Trennung und beim Erarbeiten eines gemeinsamen Obsorgemodells für die beiden Kinder. Ein Modell, das damals in Österreich noch keine gesetzliche Grundlage hatte.
Oder beginnt das 1. Mal mit meiner Tätigkeit am Institut für Ehe- und Familientherapie, wo ich 1986 mit Lampenfieber und Herzklopfen halt so tat, als sei ich jetzt Psychotherapeutin? Konnte ich mit meinem Ausbildungsweg und der praktischen Erfahrung als nebenberufliche Eheberaterin in dem renommierten Therapieinstitut bestehen? Mit dem neuen Arbeitskontext stiegen die Erwartungen, die ich an mich hatte und auch bei meinen KlientInnen vermutete, und bescherten mir wieder einmal die Unsicherheit der Anfängerin. In der Anfangsphase konnte ich als Co- Therapeutin hinter dem Einwegspiegel noch von meinen erfahrenen KollegInnen lernen. Nach den ersten eigenständig geführten Therapien wurde dann langsam aus dem Gefühl ich tue „als ob“, ich bin Therapeutin.
Den offiziellen, gesetzlichen Status als Psychotherapeutin erhielt ich 1991 mit der Einführung des Psychotherapiegesetzes in Österreich, mit einem amtlichen Bescheid unseres Gesundheitsministeriums. Damals hatte ich schon 12 Jahre als systemische Beraterin/Therapeutin gearbeitet. Dieser Bescheid hatte für meine praktische Arbeit keine Folgen, sondern war eine formale Notwendigkeit.
Hier beobachte ich als Lehrtherapeutin des Fachspezifikums der ÖAS einen großen Unterschied zu dem Erleben unserer StudentInnen, deren Ausbildung jetzt mit den transparenten und kontrollierbaren Vorgaben von bestimmten Unterrichtseinheiten in Theorie, Selbsterfahrung Praktikum und Praxis vorgegeben ist und die sie mit der Eintragung in die PsychotherapeutInnenliste des Gesundheitsministeriums erfolgreich abschließen. Für sie ist dies ein Ritual mit dem sie ihre therapeutische Ausbildung beenden und die offizielle Befähigung zur selbstständigen Arbeit erhalten.



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