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systemagazin-special: "Besondere Begegnungen"

Rudolf Klein: Drei Fragen


Meine ersten Erfahrungen mit systemischer Therapie sammelte ich, nachdem ich mich während meiner Studienzeit in erster Linie mit analytischen Konzepten auseinandergesetzt hatte und diese in der Betreuung und Begleitung suizidaler Menschen erprobte. Aus irgendwelchen Gründen dachte ich, es könne eine wichtige Ergänzung sein, etwas über Familientherapie zu wissen, eine Methode, über die damals viel gesprochen wurde.
Es war die Zeit, Anfang der 80er Jahre, als „systemische Therapie“ noch „systemische Familientherapie“ hieß und in den Ausschreibungen – so auch in der für meinen ersten Kurs – gelegentlich die Bezeichnung „systematische“ Familientherapie Verwendung fand. V.a. letztere Schreibweise fand ich sehr interessant, da ich mir unter dem Wort „systemisch“ ohnehin nichts vorstellen konnte und ich das Wort „systematisch“ durchaus sympathisch fand. Es schien meiner (heute nur noch ganz leicht) zwanghaften Seite sehr entgegen zu kommen. Wenn sich das dann noch mit Familientherapie verbinden ließe – was sollte da schon schief gehen? 
Ich meldete mich also für eine Ausbildung in „systematischer Familientherapie“ an, bekam einen Platz und fuhr hin. Weder kannte ich den Leiter, noch irgendjemanden in der Gruppe. Das erste Treffen fand in der Fachklinik Falkenhof in Bensheim statt.  Ich kam dort an, stieg aus meinem Auto aus und begegnete einem mir unbekannten Mann, den ich auf Anfang Vierzig schätzte. Vermutlich ein Teilnehmer wie ich. Dieser begrüßte mich, als ob er mich schon lange kennen würde, sprach freundlich, stellte sich aber nicht vor. Auf dem Weg zum Seminarraum stieß eine jüngere Frau dazu, unterhielt sich mit diesem Menschen. Auch zu ihr war er ausgesprochen freundlich, wobei ich annahm, dass sich die beiden kannten.
Im Seminarraum angekommen stellte sich schnell heraus, dass dieser ungewöhnlich freundliche Mensch der Leiter der Gruppe war und nach meinem Dafürhalten als Ausbilder einer solchen Therapierichtung noch etwas jung schien. Der Kurs begann mit einer Bewegungsübung, bei der sich im Laufe der Übung immer zwei Teilnehmer zusammenfinden und sich gegenseitig vorstellen sollten. Danach kam es zu einer großen Runde. Bei dieser war der Leiter sehr neugierig, fragte forsch, machte Witze, provozierte und zeigte ein Verhalten, das ich mehr als merkwürdig, ja geradezu ungehörig fand. Immerhin ging es hier um „systematische“ Familientherapie. Und das war eine ernste Angelegenheit.
Ich konnte nicht glauben, was er fortan mit uns anstellte. Er sprach über theoretische Konstrukte, die mein bisheriges Denken auf den Kopf stellten, machte Demonstrationen und fragte in einer Weise, dass ich einen Knoten ins Hirn bekam und tat das alles mit einer großen Lockerheit, Unbekümmertheit und Witz.
Ich weiß nicht mehr, wie viele Seminare ich besuchte (der gesamte Kurs dauerte zwei Jahre), bis ich irgendwann den Eindruck hatte, dass das genau die Art des Arbeitens war, die ich lernen, nachahmen und übernehmen wollte. Allerdings stand diesem unmerklich entstandenen Wunsch etwas anderes, schier unüberwindliches entgegen: Mir wurde nämlich auf den Fahrten von den Seminaren nach hause klar, dass ich so niemals im Leben arbeiten können würde. Dafür musste man geboren sein und meine zwanghafte Seite, so zweckdienlich sie (manchmal) sein konnte,  stand mir dabei irgendwie gewaltig im Wege.
Doch auch hierfür fand ich in diesem Kurs etwas Geeignetes. Es war in einem Ausbildungsblock, der dreitägig irgendwo im Odenwald stattfand. Es ging u.a. auch um Selbsterfahrungselemente und ich stellte ein Thema von mir vor, das mir viele tiefgehende Sorgen bereitete, sich auf meine körperliche Verfassung bezog und dessen Inhalt hier keine besondere Rolle spielt. Ich war absolut sicher, dass diese Problematik mich bis an mein Lebensende begleiten und einschränken würde, quasi unveränderbar sei. Aber man kann ja mal drüber reden. Das macht man halt so in Selbsterfahrungsseminaren.
Der Trainer hörte sich meine Schilderungen geduldig an, fragte neugierig, humorvoll und geschickt nach (so war er halt) und sprach dann drei Fragen mit großer Gelassenheit und Überzeugung aus: Warum glaubst Du eigentlich, dass Deine Einschränkungen so bleiben müssen? Wie lange denkst Du denn schon so? Wie lange willst Du noch so denken?
Ich war wie vom Donner gerührt. Eigentlich waren das total harmlose Fragen und ich weiß beim besten Willen nicht, ob sich der Trainer der Bedeutung bewusst war, die diese drei simplen Fragen bei mir auslösten. Ich konnte keine einzige direkt beantworten und sie beschäftigten mich über Monate. Aus heutiger Sicht betrachte ich diese Arbeit in dieser Hütte im Odenwald, speziell diese an meinen Grundüberzeugungen rüttelnden Fragen, als eine der wichtigsten in meinem Leben. Dieser Kurs und v.a. dieser Lehrer haben meinem Leben eine Wende gegeben.
Es war Gunthard Weber, der mir auch später ein guter Lehrer und hilfreicher Gesprächspartner geblieben ist. Heute ist er mein geschätzter Kollege.



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