Copyright © 2013
levold system design Alle Rechte vorbehalten. |
|
|
Psychotherapie & Sozialwissenschaft Heft 2/2013
|
1/2012 - 2/2012 - Übersicht
Straub, Jürgen (2013): Editorial aus gegebenem Anlass. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 3-3.
Straub, Jürgen (2013): Selbstoptimierung im Zeichen der »Autoreronomie«. Paradoxe Strukturen der normierten Selbststeigerung: von der »therapeutischen Kultur« zur »Optimierungskultur«. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 5-38.
abstract: Seelische Befindlichkeiten besitzen ihre historische, kulturelle und soziale Signatur und Semantik. Das zeigen exemplarisch die im Fin de siécle verbreitete Diagnose der (weiblichen) Hysterie oder zeitgenössische Debatten über multiple Persönlichkeiten, Depression oder Burnout. Analoges gilt für die Behandlung psychischer Krankheiten und Störungen: Die Psychotherapie ist in der uns geläufigen Vielfalt bekanntlich erst gut 100 Jahre alt. Sie hat das 20. Jahrhundert allerdings so sehr geprägt, dass zurecht vom Aufstieg einer »therapeutischen Kultur« gesprochen werden kann, die das soziale Leben bis heute ebenso stark prägt wie die individuellen Selbstverständnisse zahlreicher Angehöriger moderner (westlicher) Gesellschaften. Der Beitrag skizziert die Emergenz des Homo psychologicus in der therapeutischen Kultur und begreift diese Entwicklung als Grundlage einer auf Animation und Mobilisierung setzenden Selbstoptimierungskultur, die die traditionellen Grenzen therapeutischer Ambitionen schon lange weit hinter sich gelassen hat. Die globale Verheißung einer schrankenlosen, multidimensionalen Optimierung des Selbst ist dabei an eine bereits fest etablierte Subjektivierungsform gekoppelt, die Personen zu »auteronomen Subjekten« macht. Der Beitrag entfaltet diesen (subjekt- und sozialtheoretischen, machtanalytischen) Begriff der Auteronomie in Abgrenzung von traditionellen (philosophischen) Autonomiekonzepten. Es wird dargelegt, dass bereits der therapierte, vollends sodann der sich unentwegt optimierende Mensch Weisen der Selbstaktualisierung und Selbstverwirklichung huldigt, die zutiefst von den Offensiven und Offerten sowie den Anleitungen und Hilfestellungen anderer (Expertinnen, Berater, Trainerinnen, Coaches usw.) abhängig sind.
Girkinger, Michael (2013): Die Persönlichkeit im »Fitnessstudio«. Selbstoptimierungsübungen am boomenden Markt der Glücks- und Erfolgsangebote. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 39-65.
abstract: Persönlichkeitsbildung liegt voll im Trend. Wer wir sein möchten, wie wir sein möchten und was wir erreichen wollen, ist weniger denn je festgeschrieben und begrenzt, sondern hängt – so der verlockende Sirenengesang am Persönlichkeitsbildungsmarkt – allein von der richtigen Einstellung ab. Eine rasant gewachsene Anzahl von Trainern, Coaches und Beratern ruft dazu auf, an sich zu arbeiten und seine Eigenschaften und Fähigkeiten kontinuierlich zu formen; und sie empfehlen sich dabei als geschultes Betreuungspersonal, das imstande ist, ihre Kunden mit einer Vielzahl von Wohlfühl- und Selbstoptimierungstechniken »fit« für das Glück und den Erfolg zu machen. Dieser Beitrag wirft einen kritischen Blick auf die zahlreichen Machbarkeitsverheißungen und -strategien, die am Persönlichkeitsmarkt seit den 1990er-Jahren als »schön verpackte Waren« breite und öffentlichkeitswirksame Resonanz finden. Sie sind sowohl Ausdruck als auch Motor einer ambivalenten gesellschaftlichen Entwicklung, die von wachsender Selbstsorge und Selbstdisziplinierung, vom Wunsch nach Selbstverwirklichung und dem Zwang zur Selbstoptimierung gekennzeichnet ist. Der Beratungsbedarf ist unermesslich gestiegen. Der Markt hat in der Folge immer mehr »Profis des gelingenden Lebens« hervorgebracht, die »maßgeschneiderte« Lösungen für allerhand persönliche Alltags- und Berufsprobleme anbieten. Ein interessanter Widerspruch hat sich dabei aufgetan: Während der politische und ökonomische Diskurs verstärkt von Sachzwängen geprägt ist, besitzen die Machbarkeitsversprechen am Persönlichkeitsbildungsmarkt oftmals den Duktus einer individuellen Befreiungs- und Selbstermächtigungsideologie: Sprenge deine Grenzen! Es ist (fast) alles möglich!
Traue, Boris (2013): Empfehlungsregime. Zur Konvergenz von Subjektivierungensweisen im Coaching und in der digitalen Kultur. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 67-91.
abstract: Im Subjektdiskurs des 20. Jahrhunderts können Figuren rationaler, ästhetischer, und ethischer Selbstverhältnisse unterschieden werden, zu denen auch unterschiedliche (Psycho-)Therapien beigetragen haben. Neue therapeutisch-beraterische Formen wie das Coaching fügen diesen Vokabularen ein performatives Moment hinzu, das eine Vermittlung solcher Deutungsfiguren in erfolgsorientierten Handlungsvollzügen nahelegt. Im Beitrag wird im Rahmen einer Diskursanalyse von Coaching-Praktikerliteratur verdeutlicht, wie Visualisierungs-, Selbstdarstellungs-, und Feedbacktechniken die Eröffnung von individuellen Möglichkeitsräumen versprechen. In diesem Optionalisierungsversprechen liegt eine strukturelle und inhaltliche Ähnlichkeit der persönlich-beraterischen Praktiken zu den zeitgleich entstandenen Wissenspraktiken des ›Social Web‹ (Google, Facebook, YouTube, Twitter, Amazon etc.). Die beraterischen und internetgestützten Empfehlungen wirken dabei ähnlich auf Subjekte ein: sie schlagen ihnen Optionen vor, die durch individuelle Entscheidung realisiert werden können. Diese Fokussierung auf den erreichbaren Erfolg kann zugleich als einschränkende Rahmensetzung beider ›Empfehlungskulturen‹ beschrieben werden. Der Beitrag verbindet dabei historisch-vergleichende sozialwissenschaftliche Subjektforschung mit technik- und mediensoziologischen Fragestellungen.
Duttweiler, Stefanie (2013): Beratung und Therapie in Zeiten des Neoliberalismus – oder: Vom Zwang zur Freiheit, sich selbst zu optimieren. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 93-105.
abstract: Dieser Beitrag versteht die unterschiedlichen Angebote des therapeutischen Diskurses als Momente des gegenwärtigen Diskurses der Selbstoptimierung. Selbstoptimierung ist dabei immer weniger Sache einer individuellen Entscheidung, sondern zunehmend sozial gefordert. Die therapeutischen Angebote berühren so den Kern aktueller Gesellschaftlichkeit: den Ausbau und die Förderung individueller Selbstbestimmung als Voraussetzung einer selbstverantwortlichen Übernahme individueller und gesellschaftlicher Risiken. Sie tun dies, so wird im Anschluss an Foucault gezeigt, indem sie in die Weisen eingreifen, wie Individuen sich selbst führen. Da die konkreten Reflexions- und Handlungsanweisungen unmittelbar in die individuelle Lebensführung eingreifen, tragen sie wesentlich dazu bei, dass Optimierung, Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung keine bloßen Versprechen bleiben, sondern tatsächlich wirklich werden. Die therapeutischen Angebote erweisen sich damit als ambivalente Technologien der Freiheit, die individuelle Freiheit evoziert, ermöglicht und einsetzbar machen.
Gatzemeier, Ulrike & Anna Sieben (2013): Tut Liebe weh? Zum Verhältnis von zeitdiagnostischer Reduktion und komplexer Erfahrung in Eva Illouz’ kultursoziologischer Monografie. In: Psychotherapie & Sozialwissenschaft 15 (2): 107-131.
|
|
|