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Neuvorstellung zur Übersicht
02.12.2006
Guido Strunk, Günter Schiepek: Systemische Psychologie. Eine Einführung in die komplexen Grundlagen menschlichen Verhaltens
Strunk Schiepek systemische Psychologie Spektrum Akademischer Verlag Elsevier 2006

356 Seiten, 95 s/w Abb., 7 s/w Tab., Gebunden

Preis: 35,00 €
ISBN: 3-8274-1710-4

Spektrum Akademischer Verlag, Elsevier





Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach: Von der Menschenmaschine zum deterministischen Chaos – Diskussion eines grundlegenden Entwurfs systemischer Psychologie

Ein Rückblick vor dem Aufbruch

Dem „Systemischen“ auf die Spur zu kommen, es plausibel zu beschreiben und anschlussfähig zu diskutieren, erscheint ebenso verlockend wie vertrackt. Je dichter man diesem Phänomen auf die Pelle rückt, je näher man sich ihm glaubt, desto schwieriger erscheint es, diese Erfahrung zu formulieren.  In seiner unerschrockenen Auseinandersetzung mit den Herausforderungen einer konstruktiven Philosophie brachte das Oswald Weidenbach seinerzeit auf den Punkt: „Die Begriffe weisen uns einen Weg zu immer schwereren Rätseln, zu immer paradoxeren Situationen. Die Geschichte der Wissenschaften ist wie ein einziges großes Beispiel dafür: Die „Existenz“ flieht vor dem Begriff“ (1948, S.92). Während „die Existenz“ vor dem Begriff fliehen mag, vermehrt sich der Begriff „systemisch“ selbst geradezu inflationär. Er gewinnt dabei eine Art Pseudoplausibilität, wird zu einem modischen Kürzel, und lässt sich schließlich vielleicht sogar problemlos in trivial gedachte Zusammenhänge einpassen. Demgegenüber erweisen sich Versuche, die mit dem Begriff verbundene Komplexität verständlich und anschlussfähig zu beschreiben, nach wie vor als herausfordernd. Dies ist bei einem naturwissenschaftlichen Ansatz nicht anders als bei den bislang dominierenden geisteswissenschaftlichen: Der Phänomenbereich ist per se weder hier noch da überschaubar.
Für unsere Profession wurde der Bereich der Therapie zum Ausgangspunkt und Schmelztiegel systemischer Ideen. Das erwies sich als ebenso vielversprechende wie anspruchsvolle Perspektive. „Sicher ist der Anspruch systemischen Denkens universell“, so Kurt Ludewig (1999), „zumal es eine Denkweise oder –methode meint, die entweder ubiquitär anwendbar oder überflüssig ist“. Ludewig selbst gibt in seiner grundlegenden Einführung Systemischer Therapie die Bedeutung: „die Praxis an Systemtheorie und konstruktivistischer Erkenntnistheorie zu orientieren“ (1992, S.11). Wer hier beim Singular zu Systemtheorie stutzig werden sollte, käme bei Ludewigs 2002 erschienenem zweiten Buch auf seine Kosten. Hier formuliert Ludewig bereits im Titel vorsichtiger: Leitmotive heißt es da, „Leitmotive systemischer Therapie“. Leitmotive ragen zwar heraus, verklingen jedoch wieder, bis sie – wenn sie – erneut gespielt werden. In diesem, für mich nach wie vor herausragenden Versuch, sich dem Thema anzunähern, argumentiert Ludewig erkennbarer als im Grundlagenbuch aus der Perspektive von jemandem, der den verantwortlichen Umgang mit komplexen und prinzipiell vieldeutigen Phänomenen nicht durch ein Wissen um fertige Wahrheiten abfedern kann. In diesem Buch finden sich die Früchte eines geistes- und sozialwissenschaftlichen Zugangs zum Phänomen „systemisch“ plausibel und zeitweise packend dargestellt. Und dennoch: andere Zugänge sind möglich und – wie es aussieht – hat zumindest bei Google zur Zeit immer noch eine medizinische Version die Nase vorn: „Systemische Therapie“ als das möglichst präzise Ausnutzen systemeigener Strukturen zum genauen Platzieren von „externen“ Wirkfaktoren. Und eine zur Zeit auf der Mailingliste der Systemischen Gesellschaft intensiv geführte Diskussion um „Grenzen“ der Systemischen Therapie machen das Spektrum an Ausgangspunkten deutlich, an dem es für einzelne interessant wird, sich auf „systemisch“ zu besinnen – oder besser nicht.

Wer fragt nach dem Weg? – Treffpunkt Natur

Kaum ein anderer hat wie Helmut Willke die Unsicherheit und das Risiko so präzis und gleichzeitig plausibel thematisiert, die bei einer systemischen Denkweise über psychosoziale Hilfen als Reflexionsnotwendigkeiten akzeptiert werden müssen. Seine Arbeiten zum „Problem der Intervention in selbstreferentielle Systeme“ (1984 u.a.) waren Leuchttürme im Nebel. Und sie stellen, auch wenn seine Überlegungen auf sozialwissenschaftlichen Grundlagen aufbauen, ein Bindeglied dar zu anderen Ansätzen, die sich aus naturwissenschaftlichen Grundlagen ableiten. Das „erkenntnisleitende Problem  systemischen Denkens“, schrieb er 1988 (S.43), bestehe darin, „die Bedingungen der Möglichkeit dynamischer, evolvierender Ordnungen zu analysieren“. Damit wären wir angekommen bei dem, was im Folgenden als der naturwissenschaftlich begründete Versuch vorgestellt werden soll, eine systemische Psychologie zu formulieren.
In drei Hauptabschnitten diskutieren die Autoren Grundlagen, Modellbildung und die Skizze einer systemwissenschaftlichen Psychologie. „Die Überzeugung, dass Chaos aus Ordnung hervorgeht, dass Chaos eine höchst sinnvolle Form von Ordnung ist, durchzieht das Buch wie ein roter Faden“, konstatieren die beiden Autoren in ihrer Einleitung (S.2). Hier wird bereits der Bezug deutlich zu der vor kurzem von Hermann Haken und Günter Schiepek vorgelegten „Synergetik in der Psychologie“ (2006). Das hier vorgestellte Buch kann als eine dazu passende Einführung genommen werden. Die Erkenntnisse dieses Buches, so scheint mir, könnten das Studium der „Synergetik“ erleichtern.

Worum geht es?

Zunächst geht es darum, eine Form zu finden für etwas, was sich eigentlich einer Form entzieht. Immerhin fragen sich die Autoren selbst: „Wie lässt sich ein komplexes System überhaupt noch verbal im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit veranschaulichen, wenn die lineale Darstellung dem nichtlinealen Charakter des Systems nicht gerecht werden kann?“ (S.121). Mir scheint, dass sich in dieser Frage ein Hinweis auf ein mögliches Missverständnis verbirgt, ein Missverständnis, dass die Verständigung zwischen geistes- und sozialwissenschaftlichen Positionen einerseits und naturwissenschaftlichen andererseits erschwert. Das Missverständnis könnte darin bestehen, die Veranschaulichung und das System zu verwechseln. Die Veranschaulichung lässt sich unter Umständen schon noch nachvollziehbar mitteilen, das System nicht mehr. Frage wäre, was gewünscht wird. Wenn man in dieser Hinsicht den Untertitel des Buches als Orientierung heranzieht: dieser verspricht eine „Einführung in die komplexen Grundlagen menschlichen Verhaltens“. Der Untertitel scheint somit auf „das System“ zu fokussieren, während die Autoren im Buchtext konsequent auf die Subjektgebundenheit von Erkenntnissen verweisen. Wenn es  zugeht „wie im richtigen Leben“, dann dürfte sich diese Unterscheidung für LeserInnen und NutzerInnen der Theorie im Lauf der Zeit verwischen. Es wird sich dann vielleicht doch eine „Strukturverstärkung durch Prägnanztendenzen“ einstellen (S.247) in der Art: Es „sind“ dies die komplexen Grundlagen. Und nicht: „so wie wir das sehen“. Die erkenntnisleitenden Prämissen der Autoren, wie sie das Buch durchziehen, würden eher für einen Untertitel sprechen, der darauf verweist „Wie Erkenntnisse über die komplexen Grundlagen menschlichen Verhaltens gewonnen werden können“ - oder wie es sich Kurt Ludewig traute zu titeln: „Denkvoraussetzungen systemischen Denkens“ (2005, S.19).
Strunk und Schiepek sind beide mit allen Wassern der mathematischen Formalisierung komplexer Prozesse gewaschen. Dass sie das können, haben sie vielfach bewiesen. Dass ihnen das eher Insider-Anerkennung brachte als begeisterte Zustimmung eines breiteren Publikums, ist wohl ebenso ungerecht wie nahe liegend. Es ist auch nicht so, dass sie das beklagen, sie verstehen ja nicht nur etwas vom Untersuchen komplexer Prozesse, sondern auch vom Menschlich-Allzumenschlichen. „Anders als Computer treffen Menschen Entscheidungen nur auf der Grundlage einer begrenzten Rationalität“, schreiben sie, „lassen Vorlieben, Vorurteile und Emotionen mitentscheiden und sind mit der erstbesten Lösung zufrieden, die irgendwie funktioniert“ (S. 285).  Und LeserInnen sind auch „nur“ Menschen. Im Übrigen treffen Strunk und Schiepek mit ihrem anscheinenden Allgemeinplatz trotzdem ins Schwarze. In ihrer Anmerkung steckt durchaus eine Querverbindung dazu, dass es genau diese Neigung (oder auch: Fähigkeit) zur Vereinfachung war, die der Gattung das Überleben ermöglicht hat. Bis jetzt. Es könnte sein, dass das, was das Überleben ermöglichte und damit das Schaffen von immer komplexeren Kontexten, nun möglicherweise auch das Überleben gefährdet.
Es wäre also schon gut, wenn die Anregungen, wie sie im vorliegenden Buch so reichhaltig zu finden sind, fruchtbare Resonanz fänden. Das geht vermutlich jedoch erst einmal nicht von selbst. „In dem Maße, in dem nichtlineale, nichtlineare Systeme zur Ausbildung organisierter Komplexität fähig sind“, so die Autoren, „ können sie zwar eine sparsame Erklärung solcher Phänomene liefern, ihre Behandlung, Analyse und ihr Verständnis sind häufig jedoch an einen enormen mathematischen Aufwand gebunden und erfordern nicht selten eine Toleranz für logische Widersprüche“ (S. 116). Das als Hintergrund. Und um es dennoch gleich zu sagen: Ich habe von der Lektüre dieses Buches profitiert. Ich habe davon profitiert, obwohl mir mathematische Gleichungen im Wesen fremd bleiben. Den beiden Autoren gelingt es m.E. sehr gut, die Scheu von LeserInnen zu berücksichtigen, die sich in der Sprache mathematischer Formalisierungen nicht so zuhause fühlen wie in der Alltagssprache - wie theoriegebunden elaboriert die bevorzugte Alltagssprache auch immer sein mag. Und gemessen am Synergetik-Buch ist die Zumutung an mathematischen Formalismen in diesem Buch sehr gering. Der Text wird durch fast 100 Abbildungen aufgelockert, die das Nachvollziehen des Beschriebenen erleichtern. Und wer einiges nur querlesen will, der kann sich mit Hilfe strukturierender Randnotizen gut durchhangeln.

Theoretische Konzepte

Wer „systemisch“ sagt, muss auch „System“ sagen, und somit verdeutlichen, was er oder sie unter „System“ versteht. Die Definition der Autoren, die in diesem Buch mehrfach zur Sprache kommt, verweist auf „eine von der Umwelt abgegrenzte funktional geschlossene Entität (…), die aus Elementen besteht, die miteinander in Wechselwirkungen stehen. Systeme können offen sein für Austauschprozesse mit ihrer Umwelt. Je nach Tiefe der Systemanalyse können verschiedene hierarchische Ebenen innerhalb eines Systems und heterarchische Wechselwirkungen zwischen Systemen unterschieden werden“ (S. 8). Diese Definition klingt erst einmal nicht sehr aufregend und gewinnt erst in Verbindung mit anderen theoretischen Erwägungen und Setzungen ihre eigene Dynamik: „Entscheidend für die Nützlichkeit einer systemischen Perspektive ist es daher, dass Systeme spezifische Eigenschaften aufweisen, die erst dann sichtbar werden, wenn ein Phänomen als System verstanden wird“ (S. 8). Für die Zwecke einer „Systemischen Psychologie“ ist in diesem Zusammenhang  die Präzisierung von Offenheit und Geschlossenheit entscheidend. Im Sinne einer systemischen Konzeptualisierung ist eine dissipative Struktur unbedingte Grundlage, das heißt, die Offenheit für energetische Austauschprozesse, und auf der anderen Seite die operative Geschlossenheit der Systemprozesse.
Als Theorie-Vademecum gilt den Autoren der Pool, der unter dem „Sammelbegriff Theorien Nichtlinearer Dynamischer Systeme“ (S.2) fassbar ist. In Kürze: „Zusammenfassend können nichtlineare dynamische Systeme verstanden werden als eine geordnete Menge variabler quantitativer Größen, die durch mathematisch beschreibbare Gleichungssysteme (…) miteinander in Beziehung stehen“ (S.105). Wichtig ist nun, dass in dieser Gleichung „mindestens eine nichtlineare Funktion“ enthalten ist, und dass dieses System eine  dissipative Struktur aufweist. Ohne dissipative Struktur kein Energieaustausch. Wie die Energie fließt, wie sie ins System reinkommt und wie sie (anders) wieder austritt, wird in Form von Kontrollparametern beschrieben. Da es sich (immer noch) um mathematische Gleichungen handelt: „Die Energiezufuhr, die durch die Kontrollparameter bestimmt wird, wird im Rahmen der Gleichungssysteme durch Konstanten realisiert“. Das Schöne ist, dass diese „Konstanten“ nur als Rechenelement konstant sind. In der Praxis können sich auch Kontrollparameter verändern. Sie sind nur „im Vergleich zur Geschwindigkeit, mit der sich die Dynamik des Systems insgesamt entwickelt, relativ konstant“ (S.105).
Die Autoren spielen auf der Klaviatur dieser Begrifflichkeiten erfrischend „normal“, muten zwar einiges zu, was bewusste Aufmerksamkeit betrifft, versuchen jedoch immer wieder, den Elfenbeinturm der Mathematik zur Stätte für normale Begegnungen zu machen. Für viele wird es vielleicht zunächst etwas befremdlich sein, einen der Hauptmieter dieses Elfenbeinturms kennenzulernen, den „lokalen Lyapunov-Exponenten“, genauer: dessen Streuung, und dessen Hauptverdienst zu erfahren: „Im Umfeld von relevanten Veränderungen in der Dynamik steigt die Streuung der lokalen Lyapunov-Exponenten sprunghaft an“ (S. 298). Man sollte sich dabei vergegenwärtigen, dass man diesen Vertreter ja nicht unbedingt selbst berechnen muss. Es könnte jedoch Sinn machen, mit jemandem zu reden, der ihn berechnen kann, UND der bereit ist, diese Fähigkeit in den Dienst des interdisziplinären Erforschens von guten Veränderungsmöglichkeiten zu stellen. Damit dies zustande kommen kann, braucht es jedoch die Bereitschaft von Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen, ihr Wissen miteinander zu teilen und sich um wechselseitiges Verstehen zu kümmern. Dann kann so etwas wie „Real Time Monitoring“ stattfinden, im Rahmen eines Synergetic Navigation Systems (vgl. Schiepek et al. 2005, Haken & Schiepek 2006). Die darauf basierenden Auswertungen von zwei Psychotherapieverläufen, auf die im Buch eingegangen wird, lassen auf durchaus auch für AlltagspraktikerInnen spannende Perspektiven hoffen.
Es würde eine Buchbesprechung sprengen, wenn hier alle Begriffe erwähnt und erklärt würden, auf die die Argumentationslinien des Buches aufbauen. Begriffe wie Chaos, Dissipative Strukturen, Kontroll- und Ordnungsparameter, Bifurkationen, Phasenübergänge sind ja mittlerweile einigermaßen bekannt. Allerdings wird der metaphorisierende Transfer dieser Begriffe in andere als die ursprünglich mathematischen Geltungsbereiche von manchen auch kritisch gesehen (vgl. Freund et al. 2004). Hier liefert das Buch immer wieder Orientierungs- und Präzisierungshilfe, sowie anregende Beschreibungen. Eine kleine Kostprobe: „Im Chaotischen Regime ist ein System ein gewaltiger Verstärker kleinster Verstörungen. Aber auch hier determinieren die Verstörungen keineswegs das Systemverhalten“ (S. 109). Determinieren nicht, aber: ohne die Verstörungen keine Energie. Man könnte die Verstörungen geradezu gleichsetzen mit „der Energie“. Mit anderen Worten: Gäbe es keine Verstörungen, müsste man sie erfinden! Und eine Querverbindung zu Systemischer Therapie ergäbe sich wie von selbst, zusätzlich unterstützt von einer Bemerkung wie der: „Nur chaotische Systeme sind in der Lage, auf äußere Einflüsse flexibel zu reagieren“ (S. 171).

Zum Kern

Aus Sicht der Autoren liegt der „Gewinn der in den Theorien Nichtlinearer Dynamischer Systeme verankerten Perspektive (…) in der Betonung der Dynamik menschlicher Veränderungsprozesse“ (S. 298). Mit anderen Worten: Dieser Ansatz ermöglicht es nicht nur, Veränderung festzustellen, sondern Veränderung in ihrer Bedingtheit und in ihrem Verlauf nachzuvollziehen. Mir scheint, dass der Bezug zur Praxis und der daraus resultierende Gewinn so zusammengefasst werden kann:
Eine systemwissenschaftliche Psychologie untersucht und beschreibt mit mathematisch formalisierten Mitteln,
  • ob und wie ein „System“ seine Organisation/ seine Struktur aktiv aufrechterhält,
  • wie systemeigenes Veränderungspotenzial angeregt und genutzt wird/ werden kann,
  • so dass das System „bereit“ wird, die unausweichlichen Fluktuationen innerhalb seiner „eigenen“ Prozesse für eine signifikante Veränderung aufzugreifen und für eine (angemessen lange) Zeit eine neue Struktur anzunehmen.
Für beraterische und therapeutische Hilfen bedeutet dies, sie zu verstehen als „das Bemühen um Bedingungen für Selbstorganisationsprozesse, die vom Klienten als nützlich erlebt werden. Um aber das Auftreten neuer Verhaltensmuster nicht dem Zufall zu überlassen, der in Phasen kritischer Instabilitäten tatsächlich zur „Schicksalsfee“ werden kann, sollte bereits zu Beginn einer Therapie damit begonnen werden, Visionen und Ziele im Hinblick auf einen anzustrebenden Zustand zu erarbeiten“ (S. 187). An die Stelle von trivialen Einwirkungsvorstellungen „treten Methoden der Kontextsteuerung, die es im Idealfall ermöglichen, ein System in die Lage zu versetzen, sich selbst zu organisieren und einen weniger leidvollen gesünderen Attraktor einzunehmen“ (S. 271). Als „Leitlinien für die Prognose komplexer dynamischer Systeme“ (S.141f.) ließe sich dann festhalten, dass es nicht um die Prognose eines spezifischen Outputs geht, sondern um die Prognose einer Dynamik. Des Weiteren geht es um die Prognose qualitativer Verlaufsgestalten, von Phasenübergängen und um Prognosen über die Grenzen von Prognosen selbst. Das mag für’s erste genügen. Die praktische Umsetzung dieser Überlegungen ist der bereits vielfach vertiefte Gegenstand Systemischer Therapie und im vorliegenden Buch eher abgeleitete Anwendung, nicht der Kern.
Der Kern des vorliegenden Buches ist die systemwissenschaftliche Rahmenbildung für die Erkenntnis spezifisch menschlicher Prozesse, dass heißt also insbesondere: neuronale, emotionale, kognitive und soziale Strukturbildung. Dies zu modellieren ist das wesentliche Anliegen des Buches. Die Autoren gehen davon aus, dass eine systemwissenschaftliche Modellbildung dann notwendig sei, wenn Rückkopplungen wahrscheinlich sind, die nicht vernachlässigt werden können, und wenn es sich dabei sowohl um abweichungsverstärkende als auch um abweichungsverringernde Rückkopplungen handelt, und wenn bei diesem gemischten Feedback nichtlineare Beziehungen vermutet werden können. Sie beschreiben ihre diesbezüglichen Bemühungen verständlich und engagiert. Dennoch sind sie sich ihrer Grenzen bewusst: „Tatsächlich sind die Möglichkeiten für systemische Modelle stark beschränkt“, schreiben sie, „Die Anforderungen eines konkreten Einzelfalles können – so klein auch die Unterschiede zum allgemeinen Modell sein mögen – zu einer vollkommen anderen Dynamik führen“ (S. 157). Sie bevorzugen daher ein Vorgehen, das sich weitestmöglich für verschiedene Ideen öffnet. In ihrem „systemwissenschaftliches Forschungsmodell“ (S. 172ff.) berücksichtigen sie sowohl Bottom-up als auch Top-down-Bewegungen (von Erfahrungswerten zu ihrer Verarbeitung als (mathematische) Theorie, wie auch umgekehrt: das Überprüfen von aus Theorien abgeleiteten Erfahrungsprognosen).
Die Autoren gehen davon aus, mit dem von ihnen vorgestellten Ansatz könne erstmals „verstanden werden, dass bestimmte Vorgänge trotz aller augenscheinlich vorhandenen Strukturiertheit und trotz offensichtlich deterministischer Ursachen dennoch nicht im Detail vorhergesagt werden können. Eine chaotische Prozessdynamik ist daher so etwas wie eine Quadratur des Kreises. (…) Chaos ist bis in das kleinste Detail deterministisch und dennoch mit keinem noch so ausgeklügelten Algorithmus in seinem konkreten Verlauf bestimmbar“ (S. 301). Mir scheint an dieser Stelle deutlich zu werden, wie sehr die auf den ersten Blick so gegensätzlichen Ansätze – hier die mathematisch formalisierten, dort die konstruktivistisch-partizipativen Ansätze geistes- und sozialwissenschaftlicher Provenienz – an einem Strang ziehen, und dies in die gleiche Richtung. Das von Ludewig pointiert formulierte Helferdilemma lässt sich unmittelbar in die Sprache der chaotischen Prozessdynamik übersetzen und umgekehrt. In der Konsequenz bedeutet dies, wie ich das verstehe, dass das Anliegen einer systemwissenschaftlichen/ systemischen Psychologie daher nicht lauten kann, Menschen (oder humane Lebensäußerungen) besser als andere Ansätze zu kontrollieren, sondern: sie möglicherweise angemessener in ihren aktuellen Begrenzungen zu verstehen, ihre darüber hinausweisenden Möglichkeiten ins Spiel zu bringen und unter Umständen die Übergänge von bisherigen Begrenzungen in neue Ausgangspunkte für weitere Entwicklung zu prognostizieren und zu beschreiben. Dies alles nicht in der Haltung eines besser Wissenden, sondern in der Haltung eines belastbarer Begleitenden. Deswegen belastbarer, weil der angebotene Blickwinkel Vielfalt von vorneherein voraussetzt und aktuelle Begrenzungen nicht als pathologische Verzerrungen erachtet. Die Position, die die Autoren einnehmen, passt, wie ich das verstehe, somit sehr gut zu der seinerzeit von Oswald Weidenbach postulierten ethischen Prämisse, dass „überall  mitten  in der Erfahrung  die Möglichkeit des Andersseins erhalten bleibe“ (Weidenbach 1948, S.64, Herv. i.O.).
Was mir gut gefällt, ist, dass die Autoren das „Spannungsfeld zwischen der reinen Mathematik auf der einen Seite und der angewandten Mathematik auf der anderen“ weder leugnen noch vereinfachend auflösen (S. 97). Sie stellen in Rechnung, dass die “Behandlung eines mathematischen Systems mit mathematischen Methoden (…) daher zu Lösungen führen [kann], die das empirische System gar nicht besitzt“ (S.106). Ich denke, es sollte klar sein, dass dies auch nicht ausgeschlossen werden kann, wenn es sich anstelle eines mathematischen um ein inhaltlich-theoretisches Begriffssystem handelt, auf das sich Schulen gründen. Entscheidend ist daher m.E. die Frage, wie offen für Kritik der entsprechende Ansatz ist, wie bereit zur Transparenz und zur Selbstüberprüfung. Noch einmal Weidenbach: „erst in der dauernden Prüfung an der unendlichen Erfahrung kann ein Modell den Charakter geltender Wirklichkeit gewinnen oder festhalten. Scheut es diesen Weg unter Berufung auf die innewohnende logische Schönheit, so wird die Hypothese zur Hypostase und wohnt im Wolkenkuckucksheim“ (1948, S.177). Die Autoren des vorliegenden Buches sammeln in dieser Frage eindeutig Pluspunkte. Sie verschanzen sich nicht hinter theoretischen Konstrukten, sondern nutzen sie und stellen sie zur Diskussion. Man muss ihnen nichts glauben, man kann mit ihnen diskutieren. An keiner Stelle entsteht der Eindruck eines autoritären Gehabes, das sich mit wissenschaftlichen Tönen rechtfertigen möchte. Im Gegenteil: Es besteht hier die Möglichkeit, Wissenschaft in ihrer Funktion als emanzipierendes Hilfsmittel zu erleben.

Einige Irritationen

Bei der Lektüre ging es mir immer wieder so, dass mir mögliche Überschneidungen des hier vorgestellten Ansatzes mit konstruktivistisch-partizipativen Ansätze einfielen. Daher fand ich es etwas irritierend, dass der Eindruck entstehen könnte, die Autoren grenzten sich mehr als nötig ab von einigen tragenden Säulen Systemischer Therapie. So kann der Eindruck entstehen, sie grenzten sich z.B. ab gegenüber der „üblichen Annahme, es bei therapeutischen Systemen mit geschlossenen Systemen im Sinne von Luhmann und Maturana (…) zu tun zu haben“ (S.105) Mathematische Systemtheorien, so stellen sie dagegen, gehen „immer dort, wo sie von Selbstorganisation sprechen, von offenen (dissipativen) Systemen aus“ (S. 105). Die Autoren relativieren das dann allerdings selbst, da man auch die „in Frage stehenden physikalischen Systeme“ als „operativ geschlossen bezeichnen“ könne. Letztlich wäre das dann aber kein grundsätzlicher Unterschied mehr, da es sich auch in den Systemmodellen der Systemischen Therapie nur um theoriebautechnisch operativ geschlossene Systeme handelt. In der (ansonsten recht informativen) vergleichenden Tabelle 3 (S.106) wird dann auch nur auf Maturana, nicht mehr auf Luhmann Bezug genommen. Und beim Aspekt System-Umwelt-Verhältnis könnte man sich Fragen, ob das unterscheidende Merkmal der Offenheit für Energie nicht durch Erwähnung des Begriffs der Strukturellen Koppelung (Maturana) oder Interpenetration (Luhmann) relativiert werden könnte.
Bei den Darstellungen von Forschungsergebnissen zu bio-psycho-sozialen Zusammenhängen fragte ich mich manchmal, inwieweit das in dieser Form noch mit den ansonsten formulierten Kriterien und Voraussetzungen systemtheoretischer Modellbildung zusammen passt. Manches klingt, trotz des umfassenden Blicks auf ein bio-psycho-soziales Modell, wie einfache Kausalzuschreibung. Dass dies den Autoren fern liegt, geht aus der Anlage und dem Tenor des Buches deutlich hervor. Eine Formulierung wie die folgende, vermag dann jedoch zu irritieren: „Psychotherapeutische Interventionen haben also direkte positive Auswirkungen auf Immunfunktionen und helfen so bei der Prävention und Behandlung organischer Erkrankungen“ (S. 150) Helfen die Interventionen direkt? Was ist mit der Definition von Therapie als „das Bemühen um Bedingungen für Selbstorganisationsprozesse, die vom Klienten als nützlich erlebt werden“ (s.o.)? Handelt es sich hier nicht doch um eine Aneinanderreihung an sich eher „einfacher“ wenn-dann-Geschichten? Oder: Wenn bereits „einfache“ Interventionen helfen, wozu dann hyperkomplexe mathematische Modelle? Ich frage mich, ob dieses Entgegenkommen (für LeserInnen, für Therapie-Anerkenner und –zulasser) im Sinne des Aufzählens intuitiv leichter zugänglicher Zusammenhänge nicht um den Preis anschließend umso größerer Verwirrung erkauft wurde: geht es leicht und kann nur kompliziert beschrieben werden? oder: Muss es kompliziert beschrieben werden, wenn man es auch ohne leicht kann? Wobei „leicht“ hier nur relativ zu verstehen ist, im Vergleich zur komplexen Theorie. Aber auch hier: es ist wohl kein systemisch-spezifisches Phänomen: Auch bei Freud scheint es ja den „genialen Zuhörer“ gegeben zu haben, dessen konstruktives Zuhören für Außenstehende nicht unbedingt mit einer komplexen Theorie verknüpft sein muss (vgl. Roos 2006).
An anderer Stelle kommen die Autoren selbst auf diesen Punkt zu sprechen: „Je anschaulicher aber die genannten Beispiele werden und je mehr man mit der Metapher von Berg und Tal arbeitet, desto selbstverständlicher erscheint sie. Da drängt sich dann die Frage auf, ob der Attraktor-Begriff tatsächlich so viel neue Erkenntnisse bietet, ob nicht das meiste ohnehin schon bekannt und mit weit weniger sperriger Mathematik im Hintergrund nicht ebenso verständlich wäre. Handelt es sich hier nur um alten Wein, der in neue Schläuche gefüllt wird?“ (S. 284). Ich unterstelle, dass diese Frage nicht nur rhetorisch gemeint ist. Mir gefällt, dass die Autoren erkennbar darum bemüht sind, einen (selbst)kritischen Blick beizubehalten.
Strunk und Schiepek sehen den Vorteil ihres Ansatzes darin, das Konzept sei „eingebettet in eine umfassende Theorie, die nicht nur die Entstehung der Muster erklären und ihren Wandel verständlich machen kann, sondern zudem auch über ein eigenständiges Methodeninventar zum empirischen Nachweis von Attraktoren, zur Quantifizierung von Potentiallandschaften und zur Simulation der komplexen Prozesse verfügt“ (S.284). Das klingt plausibel. Dennoch frage ich mich, ob es nicht sinnvoll sein könnte, wenigstens die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, eventuelle Querverbindungen zu Konzepten stärker auszuloten, die zwar auch mathematisch-formal versiert sind, aber dabei den Begriff der „Person“ nicht aussparen (z.B. Kriz 2004).
Was mich weiter beschäftigt, ist die Entwicklung der im Buchtitel ausgeschriebenen „Systemischen Psychologie“. Während es auf S.8 noch um eine „systemische Perspektive“ geht, ist das programmatische Kapitel III, in dem es um die Umsetzung der Grundlagen und der methodischen Fragen geht, nur noch überschrieben mit „Systemtheoretische Psychologie“, und im Text erscheint es dann nur noch bescheiden als „vorsichtige Skizze einer systemwissenschaftlichen Psychologie“ (S.304). Ich denke zwar, dass diese schließlich entstandene Wortwahl sehr schön und valide „stimmt“, dennoch frage ich mich, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, dem Buch dann auch den stimmigeren Titel zuzugestehen. Aber vielleicht ist es auch wieder nicht schlecht, das Systemische in den Titel gehievt zu haben. Immerhin ist der Begriff, wie ich das sehe, in Gefahr, bis zur Bedeutungslosigkeit vervielfältigt zu werden, und andererseits gibt es ja auch noch die „systemischen Pestizide“. Und auch der Umstand, dass auch ein Konzentrationslager „systemisch“ geleitet werden könnte, ist nicht ausgeschlossen, so lange nicht ethische Prämissen deutlich gemacht werden. Hier finde ich die selbstkritisch-offene Art sehr hilfreich und weiterführend, in der die Autoren die Grenzen ihres Ansatzes öffentlich machen. Indem sie diese Grenzen nicht herausnehmen aus ihrer Argumentation, wird ihr Vorgehen glaubwürdig, trägt bei zu einer ethischen Klärung, und  stärkt somit die Basis dafür, systemische Perspektiven auszubauen. Insofern bin ich auch wieder froh darüber, dass sie mit diesem Schwergewicht eine Markierung gesetzt haben, die man nicht ohne weiteres außer Acht lassen kann.

Lohnt sich das?

Ich möchte das vorgestellte Buch nachhaltig empfehlen. Ja, die Lektüre macht Arbeit. Ja, dafür fehlt meist die Zeit. Und wozu also dann? Ich denke, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir es in unserer Profession häufig mit Fragen und Themen zu tun haben, die „einfach nicht einfach“ sind, die oft genug existenzielle Bedeutung berühren und eher selten abschließend beantwortet werden können, selbst dann nicht, wenn wir wirksam gehandelt haben. Hier Anregungen zu erhalten, die es ermöglichen und aushalten, mit Komplexität angemessen umzugehen, Anregungen, die sich nicht in Plattheiten und Besserwissereien flüchten, ist ebenso notwendig wie nicht selbstverständlich zu haben. Wie schön, dass mit dem vorliegenden Buch ein naturwissenschaftlich versierter und formal transparenter Weg beschrieben wird, der zusammenpasst zu einer ethischen Kernaussage wie der folgenden, von Oswald Weidenbach auf den Punkt gebracht: „Eine Wahrheit, Erkenntnis oder Wirklichkeit, die am Ende eines gegangenen Weges steht, bindet durch ihre These das Verworrene, um dessentwillen der ganze Weg unternommen wurde, immer nur hypothetisch. D.h. der Sinn, den sie ihren Problemen gibt, bleibt zerbrechlich, fraglich, mehr-, anders- und weiterdeutbar“ (1948, S.106). Das Buch von Strunk und Schiepek erweist sich dabei als nahrhafte Wegzehrung.

Literatur:

Freund AM, Hütt M-T, Več M (2004) Selbstorganisation: Aspekte eine Begriffs- und Methodentransfers. Systeme 18(1): 3-21
Haken H, Schiepek G (2006) Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation verstehen und gestalten. Hogrefe, Göttingen
Kriz J (2004) Personzentrierte Systemtheorie – Grundfragen und Kernaspekte. In: Schlippe A v, Kriz WC (Hg) Personzentrierung und Systemtheorie. Perspektiven für psychotherapeutisches Handeln. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S.13-67
Ludewig K (1992) Systemische Therapie. Grundlagen klinischer Theorie und Praxis. Klett-Cotta, Stuttgart
Ludewig K (1999) persönliche Mitteilung
Ludewig K (2002) Leitmotive Systemischer Therapie. Klett-Cotta, Stuttgart
Ludewig K (2005) Einführung in die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie. Carl-Auer-Systeme, Heidelberg
Roos P (2006) Der große Zuhörer. 1936 suchte Margarethe Walter Sigmund Freud auf. Schüttete ihr Herz aus und zehrt noch heute davon. Die Zeit 18/2006 (27.04.2006), S.45
Schiepek G, Eckert H, Weihrauch S (2005) Prozessmonitoring dynamischer Systeme. Systeme 19(2): 177-209
Weidenbach O (1948) Ethos contra Logos. Freiheit und Notwendigkeit streiten um den Sinn der Welt. J.&S. Federmann Verlag, München
Willke H (1984) Zum Problem der Intervention in selbstreferentielle Systeme. Z.f. Systemische Therapie 7:191-200.
Willke H (1988) Systemtheoretische Grundlagen des therapeutischen Eingriffs in autonome Systeme. In: Reiter L, Brunner EJ, Reiter-Theil S (Hg.) Von der Familientherapie zur systemischen Perspektive. Springer, Berlin, Heidelberg, S.41-50

(mit freundlicher Genehmigung von systeme 2006)




Internet-Informationen über Guido Strunk





Verlagsinformation:

Systemische Psychologie ist eine systematische und verständliche Einführung in die Theorien komplexer Systeme - die sich insbesondere durch Selbstorganisation strukturieren und selbst steuern können. Das Verständnis selbstorganisierender Prozesse liefert nicht nur eine spannende theoretische Perspektive, um das komplexe menschliche Verhalten, Wahrnehmen, Denken und Fühlen zu verstehen, sondern es bietet auch methodische Ansätze, um Interaktionsprozesse zwischen Menschen zu beschreiben und zu analysieren. In diesem Sinne verstehen wir Systemische Psychologie als einen Zugang zum bio-psycho-sozialen System Mensch, der intra- und interindividuelle Prozesse der Struktur- und Musterbildung modelliert und analysiert. Das Adjektiv "systemisch" steht also für einen diziplinübergreifenden methodischen Ansatz, der als Alternative zu linearen, mechanistischen, aber auch kybernetischen Modellen dargestellt wird - und nicht auf eine bestimmte Psychotherapieschule beschränkt bleibt. Systemische Psychologie ist ein Einführungsbuch in die Prozesse der menschlichen Interaktion, die nicht nur für Psychologen, sondern auch für medizinische Psychotherapeuten, Sozialwissenschaftler, Manager und Organisationsberater einen wissenswerten Schlüssel zum Erfolg bei Therapie, Beratung und Management liefern.
"Ohne Beachtung der Theorien komplexer dynamischer Systeme bleibt psychologisches Wissen fragmentarisch und unverbunden. Das Buch leistet einen bedeutsamen Beitrag zu einer ganzheitlichen und trotzdem empirisch-experimentellen Sicht der Psychologie. Es liefert Grundlagen auf einem gut verständlichen Niveau, lesbar ohne spezielle Vorkenntnisse in Mathematik."
Niels Birbaumer, National Institute of Health (NIH), USA

Über die Autoren:

Guido Strunk ist promovierter Klinischer Psychologe und Universitätslehrer an der Wirtschaftsuniversität Wien, wo er an seiner zweiten Promotion arbeitet - zu Anwendungen nichtlinearer dynamischer Systeme in Personalentwicklung und -management. Dieses Lehrbuch dokumentiert beide Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit, zum einen die Psychotherapieprozessforschung, die Gegenstand seiner Promotion in Bamberg war, und zum anderen die sozial- und verhaltenswissenschaftliche Anwendung der Theorien nichtlinearer Systeme. Mit complexity-research.com hat er ein Unternehmen gegründet, das systemische Forschung und Beratung anbietet.

Günter Schiepek ist Professor für Psychologie an den Universitäten Krems und Bamberg und Leiter des Forschungsprojekts "Synergetik der Psychotherapie" am Universitätsklinikum der RWTH Aachen sowie Direktor des Center for Complex Systems (Stuttgart). Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Synergetik und Dynamik nichtlinearer Systeme in der Psychologie und in den Neurowissenschaften, Prozess-Outcome-Forschung in der Psychotherapie, Neurobiologie der Psychotherapie, Computerbasiertes Real-Time Monitoring in verschiedenen Anwendungsfeldern, Sozialpsychologie, Management und Kompetenzforschung. Schiepek ist Wissenschaftlicher Beirat zahlreicher Institute, Verbände und Fachzeitschriften und hat zahlreiche internationale und deutschsprachige Publikationen veröffentlicht.


Inhalt:

Einleitung

I. Systemtheoretische Grundlagen
1. Was ist ein System?
2. Von der klassischen Mechanik zur Kybernetik
3. Anomalien - Verunsicherungen der Normalwissenschaften
4. Theorien Nichtlinearer Dynamischer Systeme

II. Systemwissenschaftliche Modellbildung
5. Zugänge zu nichtlinearen dynamischen Systemen
6. Methoden

III. Systemtheoretische Psychologie
7. Dynamik, Organisation und Komplexität in der Psychologie
8. Grundpositionen einer systemtheoretischen Psychologie



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15.06.2014
Die Systemische Gesellschaft sucht zum 1. Januar 2015 neue Geschäftsführung
10.04.2014
W 3 Endowed Professorship for Systemic Family Therapy in Freiburg
08.04.2014
Gesundheitsausgaben 2012 übersteigen 300 Milliarden Euro
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Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt
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Diagnose Alkoholmissbrauch: 2012 wieder mehr Kinder und Jugendliche stationär behandelt

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