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Psychotherapie & Sozialwissenschaft Heft 1/2005
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1/2005 - 2/2005 - Übersicht
Thoma, Gisela (2005): Die Gestaltung traumatischer Erfahrungen im narrativen Prozess. In: Psychoth.Soz. 7(1), S. 7-33.
abstract: In diesem Beitrag werden die Ergebnisse einer qualitativen
Untersuchung referiert, die der sprachlichen Darstellung und der Frage
der Erzählbarkeit traumatischer Erfahrungen nachgegangen ist. Es wird
gezeigt, dass psychische Traumata sexueller Übergriffserfahrungen auf
der Ebene der Schriftlichkeit narrativ präsentiert werden können und
als vollgültige Erzählinszenierungen das Vergangene im Hier und Jetzt
aktualisieren. Neben erzählspezifischen, individuellen sprachlichen
Ausformungen weisen die untersuchten Trauma-Narrative übergeordnete
Gestaltungsmerkmale auf, die sich zum Geschichtentypus der
Opferinszenierung konstituieren. Die festgestellte narrative Einbindung
und die mehrheitlich kohärente und linearisierte Darstellungsweise der
vergangenen Traumaerfahrung konstrastieren mit der Nicht-Erzählbarkeit
und den zirkulären und fragmentarischen Sprachmustern, die in
Zusammenhang mit dem Mitteilen von schweren Traumatisierungen -
insbesondere von Holocaust-Erfahrungen - oft beobachtet und beschrieben
werden. Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass das
Vermögen, traumatisch Erlebtes in Erzählform zu bringen, auch von der
Struktur des Traumas abhängig ist. Der Beitrag schließt mit einer
Erörterung aus psychodynamischer Sicht. Der aus den Trauma-Narrativen
zu rekonstruierende intrapsychische Konflikt, der die erzählende Person
zu bestimmten narrativen Ausgestaltungen veranlasst, beleuchtet das
wechselseitige Verhältnis von Trauma und Konflikt.
Deppermann, Arnulf und Gabriele Lucius-Hoene (2005): Trauma erzählen -
kommunikative, sprachliche und stimmliche Verfahren der Darstellung
traumatischer Erlebnisse. In: Psychoth.Soz. 7(1), S. 35-73.
abstract: In der Literatur wird der sprachlichen Darstellung
traumatischer Erlebnisse eine Schlüsselrolle sowohl als Diagnostikum
für die Schwere des Traumas und seine Bewältigung als auch für den
Prozess einer narrativen Therapie beigemessen. Angesichts dieser
Einschätzung überrascht es, wie wenige detaillierte und linguistisch
fundierte Untersuchungen zu sprachlichen Verfahren der
Traumadarstellung existieren. Vor dem Hintergrund eines
Forschungsüberblicks wird im Beitrag die Spannweite unterschiedlicher
Verfahren der Darstellung traumatischer Erlebnisse explorativ sondiert.
Dies geschieht anhand von vier transkribierten Traumadarstellungen, die
aus einem linguistisch, gesprächsanalytisch und narratologisch
ausgewerteten Korpus von zwölf Darstellungen traumatischer Erlebnisse
(Kriegserlebnisse, schwere Unfälle, Tod der Eltern im Kindesalter etc.)
ausgewählt wurden. Erzählstruktur und Dynamik, die sprachlichen und
kommunikativen Strategien des Erzählers und seine prosodischen,
stimmlichen und nonverbalen Ausdrucksphänomene werden daraufhin
untersucht, wie mit ihnen systematisch die Betroffenheit durch das
Trauma, seine subjektive Interpretation und seine Relevanz für die
soziale Selbstpositionierung und -beziehungsgestaltung zum Ausdruck
gebracht werden. Dabei werden wesentliche Unterschiede im diskursiven
Umgang mit dem Trauma auf vier Ebenen deutlich: der Darstellbarkeit des
traumatischen Erlebnisses überhaupt, der Darstellung von subjektiver
Beteiligung und Agency in der Situation des traumatischen Erlebnisses,
der Darstellung emotionaler Betroffenheit in der Erzählzeit und der
Verhandlung selbst- und fremdbezogener moralischer Aspekte des Traumas
(wie Schuld und Scham).
Neukom, Marius (2005): Die Rhetorik des Traumas in Erzählungen. Mit der
exemplarischen Analyse einer literarischen Eröffnungssituation. In:
Psychoth.Soz. 7(1), S. 75-109.
abstract: Erzählungen von Erlebnissen mit traumatisierender Wirkung
transportieren Inhalte, die Aufsehen oder Entsetzen erregen; sie sind
extrem, aussergewöhnlich, erschreckend oder beängstigend. Sobald ein
Erzähler sich glaubhaft als ein Opfer präsentiert und eine Schädigung
vorweist, entsteht beim Hörer oder Leser eine gewisse Nötigung, dieser
Person zu glauben, sich mit ihr zu solidarisieren und alles zu
vermeiden, was als "blaming the victim" ausgelegt werden könnte. Die
soziale Immunisierung des Opferstatus bestätigt sich als Tendenz, die
Positionen der Opfer und Täter, gerade im Zusammenhang mit sexuellen
und historisch-politischen Traumata, auf Rezipientenseite eher
eindeutig festzulegen. Die in der vorliegenden Arbeit präsentierte
erzählanalytisch und psychodynamisch orientierte Erforschung der
"Rhetorik des Traumas" untersucht, mit welchen sprachlichen Mitteln
trauma-spezifische Kommunikation hergestellt wird. Sie analysiert
Erzähltexte von potentiell traumatisierend erlebten Ereignissen
hinsichtlich der in ihnen angelegten Rezeptionsmechanismen und
reflektiert damit den mit dem Thema "Trauma" verbundenen moralischen
Druck. Zuerst wird aufgezeigt, wie die Rhetorik des Traumas erforscht
werden kann. Mit der Analyse des Beginns von Binjamin Wilkomirskis Buch
"Bruchstücke. Eine Kindheit 1939-1948" (1998) wird die Thematik
anschließend vertieft.
Weber, Heidemarie, Linda Szirt, Matthias Nübling und Wolf Langewitz
(2005): Tag nach der 'schlechten Nachricht'. Fallbeispiel eines
Visitengesprächs zwischen Patient, Arzt und Pflegefachperson. In:
Psychoth.Soz. 7(1), S. 111-136.
abstract: Das Überbringen von "schlechten Nachrichten" erfordert von
Ärzten viel Fingerspitzengefühl und das Geschick, sich in die
Wirklichkeit ihrer Patienten hineinzuversetzen, um individuell
aufkommende Besorgnisse und Ängste angemessen zu beantworten.
Pflegefachpersonen übernehmen in diesem Zusammenhang häufig eine
Vermittlerfunktion. Sie sind öfter beim Patienten und auch näher,
bedingt durch die tägliche Pflege, was die Wahrscheinlichkeit erhöht,
Eindrücke über deren psychische Verfassung zu erhalten. Inwieweit diese
Eindrücke bei der Visite thematisiert werden und ob die von den
Pflegenden wahrgenommene Befindlichkeit vom Arzt aufgegriffen und
angesprochen wird, ist von zentraler Bedeutung für diesen Artikel.
Denn, wie aktuelle Untersuchungen zeigen, hat das Ansprechen von
Gefühlen der Patienten einen geringen Stellenwert bei
Visitengesprächen. Daneben fehlen den Professionellen häufig diejenigen
kommunikativen Kompetenzen, die dafür notwendig wären. Gründe dafür
sind in kommunikativen Barrieren zu finden, im Respekt vor den
Statusunterschieden oder in organisatorischen Problemen. Der
vorliegende Artikel zeigt anhand einer Fallgeschichte, wie die
Professionellen mit den Gefühlen einer Patientin umgehen, die tags
zuvor mit einer schlechten Nachricht konfrontiert wurde, und unter
welchen Bedingungen der Austausch stattfindet. Durch die Reflexion der
Visitenteilnehmer wird erkennbar, weshalb sie dieses Visitengespräch
als gelungen erleben. Die Fallgeschichte stammt aus einer größeren
Visitenuntersuchung am Universitätsspital Basel, bei der neben
quantitativen Daten auch vertiefende qualitative Analysen zur
anschaulicheren Darstellung von Visitengesprächen stattfanden. Aus der
Perspektive aller Teilnehmer werden nicht nur Mängel, sondern auch
gelungene Aspekte der Kommunikation beleuchtet.
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