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23.04.2006
Jürgen Kriz über die Reaktion der DPTV auf die "Bonner Erklärung"
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Zur Reaktion der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung auf die auch im systemagazin dokumentierte "Bonner Erklärung" zur Entwicklung der gegenwärtigen Psychotherapie (die im vollständigen Wortlaut auf der website der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung nachzulesen ist) ist nachfolgender Kommentar von Jürgen Kriz bei systemagazin eingegangen:
Jürgen Kriz, Osnabrück
Man muss die „Bonner Erklärung“ (die auch ich unterzeichnet habe) nicht lieben, braucht das darin vorgetragene Anliegen nicht zu teilen, kann dem geäußerten „Unbehagen“ verständnislos gegenüberstehen. Aber man könnte zumindest wahrnehmen, dass die Unterschrift von über 2.500 „Kolleginnen und Kollegen“ DEREN Sorgen betrifft – und zwar nicht nur deren persönliche, sondern vor allem Sorgen um das geistige Klima in diesem Lande. Jedenfalls würde ich solche minimalen Reflexionsansätze von jemandem erwarten, der nicht nur einen großen Psychotherapieverband präsidiert sondern als Vorsitzender eines G-BA Unterausschusses wirkt. Und ich würde erwarten, dass Menschen mit solchen Funktionen sich mit öffentlichen Falschmeldungen ebenso wie mit Diffamierungen etwas zurückhalten sollten. Was aber der DPTV zur die „Bonner Erklärung“ im Namen des Verbandes auf seine internetseiten stellt, ist mir an Niveaulosigkeit und diffamierender Verzerrung seit den KBW-Wandzeitungen Anfang der 70er – als ich als Methoden- und Statistik-Professor „bürgerlicher Forschung“ „beschuldigt“ wurde – nicht mehr untergekommen.
Was eigentlich bringt einen Verband wie den DPTV zu Aussagen wie:
- "Die zentrale Argumentationsfigur der „Bonner Erklärung“ geht hier folgendermaßen: Weil alles mit allem verbunden ist, darf man es auch nicht aufteilen und kann es daher nicht bearbeiten, vermessen, überprüfen. Eine solche Denkweise beendet aber jegliche Form von Wissenschaft. Sie schafft auch keine neue, andere Wissenschaft, sondern wird zur Glaubenskongregation. …"
- "…gibt es aber auch eine große Anzahl von Personen, die diese Ergebnisse und Prozesse konsequent ignoriert. Das Verhaftetsein der Verfasser dieses Papiers im Bereich von reinen Glaubenssystemen ist in der Tat überraschend …"
- "…Solche simple Frage wie: hat der Patient nach der Therapie weniger Angstzustände, Zwänge, Depressionen dürfen offenbar nicht mehr gestellt und beantwortet werden. Auch „sinnverstehende, einem humanistischen Menschenbild verpflichtete psychotherapeutische Traditionen“ haben sicher ihren Platz in dieser Gesellschaft, aber ohne Wirksamkeitsnachweis …"
Auch wenn man ausblendet, dass „humanistische Traditionen“, wie die GT, überhaupt erst Wirksamkeitsnachweise, Kontrollgruppendesigns etc. in die Psychotherapie-forschung eingeführt haben, dass Universitäts-bibliotheken voll von Methoden-Büchern sind, die auch andere Wirksamkeitsnachweise zu lehren versuchen, als allein RCT-Studien: Die Formulierungen sprechen für sich. Offensichtlich sind die Verfasser nicht zu einer sachlichen oder angemessenen Diskussion fähig. Lässt sich die „Bonner Erklärung“ tatsächlich nicht anders vom DPTV diskutieren, als die über 2.500 Unterzeichner, darunter viele Professoren, als geistige Volltrottel, Wissenschafts-feinde, und Forschungsignoranten zu diffamieren? Ist dies die Art, wie der DPTV meint, die Interessen seiner Mitglieder vertreten zu sollen ? Sind solche Verzerrungen und Diffamierungen ein überzeugender Weg des Vorsitzenden eines G-BA Unterausschusses, die immer lauter werdenden Zweifel an seiner sachgerechten Arbeitsweise zum Schweigen zu bringen? Gottlob bewirkt dieses DPTV-Pamphlet das Gegenteil des Gewünschten: dass nämlich selbst viele DPTV-Mitglieder fassungslos den Kopf schütteln und dass immer mehr Menschen deutlich erkennen, wie es um die „Unparteilichkeit“ des G-BA Unterausschusses derzeit bestellt ist. In sofern können eigentlich alle, denen an dem Erhalt von sinnverstehenden humanistischen Psychotherapien auch in der BRD etwas liegt, froh sein, dass hier so deutlich gezeigt wurde, mit welchen Mitteln manche agieren, die lauthals „Wissenschaftlichkeit“ und „Rationalität“ im Munde führen.
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