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19.03.2006
"Bonner Erklärung" gegen die evidenzbasierte Einheitspsychotherapie
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Bonn, 18.3.2006: Die Teilnehmer des Symposium „Das Unbehagen in der (Psychotherapie-)Kultur“ am 17./18. März 2006 in Bonn-Röttgen (einen ausführlichen Tagungsbericht finden Sie hier) haben bei einer Enthaltung und einer Nein-Stimme die beigefügte „Bonner Erklärung“ beschlossen. Die Resolution soll mit der Bitte um Beachtung dem Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer zugestellt werden. Die BPtK steht derzeit vor der Aufgabe, zu der von dem Gemeinsamen Bundesausschuss beabsichtigten „Anpassung der Kriterien für die Aufnahme neuer Psychotherapieverfahren“ in Ausübung ihres gesetzlichen Stellungnahmerechts in sehr kurzer Frist eine Stellungnahme zu erarbeiten. Die vorgesehenen „Anpassungen“ sollen erst einmal nur für „neue“ Verfahren gelten. Da die Änderungen in ihrem Kern das Verständnis von Psychotherapie und die psychotherapeutische Berufsausübung im vertraglichen Kontext berühren, ist zu erwarten, dass die Anpassungen kurzfristig auch die gesamte Richtlinien-Psychotherapie erfassen werden. Deshalb haben die Teilnehmer des Symposiums beschlossen, Kolleginnen und Kollegen, die der Erklärung beitreten wollen, zur Zeichnung aufzufordern. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Erklärung auf Ihre homepage stellen bzw. und in Ihren e-mail-Verteiler geben und auf die Möglichkeit hinweisen, die Erklärung durch persönliche Zeichnung zu unterstützen. Im Hinblick auf die verbleibende Zeit für die BPtK-Stellungnahme eilt die Angelegenheit sehr. Die Zeichnungen sollten möglichst bis zum 23. März erfolgen, sodass dem BPtK-Vorstand die Erklärung unter Beifügung der Unterstützer-Liste anlässlich des Arbeitstreffens zwischen dem BPtK-Vorstand und Vertretern des GKII am 25.03.2006 übergeben werden kann. Soweit bis zu diesem Termin nicht alle zur Zeichnung bereiten Kolleginnen und Kollegen dazu die Gelegenheit hatten und deren Zustimmung nach dem 23. März eingeht, kann die dann ergänzte Liste auf dem Symposium am 03. April 2006 vorgelegt werden. Die VPP-Geschäftsstelle hat die administrative Anwicklung übernommenen. Die Zeichner werden deshalb aufgefordert, ihre Unterstützung auf folgende Weise mitzuteilen: Laden Sie bitte die „Bonner Erklärung“ als Word-Datei hier herunter, füllen Sie die vorgehaltenen Rubriken Name/Adresse/Beruf aus und senden Sie die ausgefüllte Erklärung schnellstmöglich an info@vpp.org gesendet.
Für eine Unerstützung der Erklärung und der Unterschriftenaktion wären wir Ihnen im Namen der Teilnehmer des Symposiums sehr dankbar.
Für die Veranstalter: Anni Michelmann, Bonn
Und hier der Wortlaut der Bonner Erklärung:
"Die Teilnehmer des Symposiums „Das Unbehagen in der (Psychotherapie-)Kultur“ am 17./18. März 2006 in Bonn-Röttgen beschließen folgende
Bonner Erklärung
Wir beobachten mit großer Sorge in der Psychotherapie eine Verengung des Denkens auf Ansätze, die eine "evidenzbasierte Einheitspsychotherapie" favorisieren. Sinnverstehende, einem humanistischen Menschenbild verpflichtete psychotherapeutische Traditionen haben in dieser Konzeption keinen Platz: Sie sollen inhaltlich, politisch und ökonomisch verdrängt und ausgegrenzt werden. Psychotherapeutische Verfahren sind nach unserem Verständnis nicht eine Sammlung von Behandlungstechniken, sondern ein System von anthropologischen Grundannahmen, Persönlichkeits- und Störungstheorien, Behandlungs- und Techniktheorien und darauf beruhender Behandlungspraxis. Das schließt wissenschaftlich begründete Weiterentwicklung und den Austausch zwischen verschiedenen psychotherapeutischen Traditionen ausdrücklich ein. Wir wenden uns deshalb gegen die Zergliederung von Psychotherapieverfahren in Verfahren, Methoden und Techniken und gegen die ausschließende, diagnosebezogene Zuordnung von Psychotherapieverfahren. Der Reduzierung der Patienten auf Symptome liegt ein Psychotherapieverständnis zugrunde, das mit dem Selbstverständnis der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und dem geltenden Psychotherapeutenrecht nicht zu vereinbaren ist. Für die ganzheitliche Sicht des Menschen, für eine verlässliche psychotherapeutische Beziehung und für die Entwicklungsmöglichkeiten der Patienten bliebe kein Raum. Psychotherapeuten behandeln nicht Symptome, sondern Menschen, die an Symptomen leiden ! Eine Beschränkung von Psychotherapieverfahren auf bestimmte Symptombereiche und eine Zersplitterung der Psychotherapie in Teilbereiche ist auch aus der Psychotherapieforschung nicht abzuleiten. Die Vielzahl der Lebensentwürfe und die vielfältigen Zugänge zum Verständnis menschlicher Existenz, die sich in unserer pluralen Wertekultur entfalten, finden ihre notwendige Entsprechung in den unterschiedlichen psychotherapeutischen Grundrichtungen. Den neuen Absichten des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Eingriff in das Berufsrecht und das Selbstverständnis der überwiegenden Zahl der Psychotherapeuten setzen wir unseren Widerstand entgegen – im Interesse der Patienten, denen wir verpflichtet sind und im Interesse der Qualität der psychotherapeutischen Versorgung. Wir lehnen die Anerkennung und die Zulassung von psychotherapeutischen Verfahren ausschließlich auf der Grundlage von Wirksamkeitsmessungen an bestimmten ICD-10-Diagnosen ab. Das Vorgehen steht im Widerspruch zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, es erfasst nur einen Bruchteil der Faktoren, die eine erfolgreiche Psychotherapie ermöglichen. Wir wenden uns deshalb nachdrücklich gegen die vom Gemeinsamen Bundesausschuss derzeit angestrebte Form der Neufassung der Psychotherapierichtlinien."
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