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14.02.2010
Satuila Stierlin & Bianca Herlo: Trotz Alledem. Formen von Resilienz
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Ein Film von Satuila Stierlin & Boanca Herlo
mit Stefan Felsenthal, Margit Siebner-Cohen und Fletcher DuBois
Eigenproduktion (c) 2007
Heidelberg/Berlin/Amsterdam
Satuila Stierlin |
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Tom Levold, Köln:
Satuila Stierlin interessiert sich seit jeher für Geschichte und Geschichten, als Familientherapeutin natürlich besonders für Familiengeschichten. Ihr Buch „‚Ich brannte vor Neugier!‘ Familiengeschichten bedeutender Familientherapeutinnen und Familientherapeuten“ (bereits im systemagazin vorgestellt) gibt davon einen Eindruck. In der systemischen Szene haben sie viele in ihren zahlreichen Familienselbsterfahrungs-Seminaren und ihren Tagungs-Workshops zum Thema Familiengeschichte kennen lernen können. Gemeinsam mit Bianca Herlo, die für Regie, Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet, hat sie 2007 in Eigenproduktion eine DVD geschaffen, auf der sie drei Menschen vorstellt, die mit unterschiedlichen Schicksalen umgehen mussten und davon auf beeindruckende Weise erzählen: „Ob es sich um das Überleben des Holocaust, den Kampf um Anerkennung von Homosexualität, eine progressive Krankheit oder den Tod eine nahestehenden Person handelt, sie alle verbindet eines: die Fähigkeit, seelische Schocks und traumatische Erfahrungen zu überwinden“, heißt es im Begleitheft der DVD. Das Modewort der Resilienz, das seit einigen Jahren in aller Munde ist, bekommt hier, durch die Geschichten, die Gesichter und die Haltung der Erzählenden eine konkrete Gestalt. Stierlin interviewt mit Stefan Felsenthal, Margit Siebner-Cohen und Fletcher DuBois drei Personen, mit denen sie offensichtlich auch eine persönliche Verbindung hat. Stefan Felsenthal, der kurz nach den Aufnahmen zu diesem Film 2007 an einem Knochenmarkkrebs verstarb, wurde 1933 als Sohn eines vor den Nazis nach Holland geflohenen jüdischen Rechtsanwaltes in Den Haag geboren. 1942 wird die Familie in einem Lager interniert. Stefans Krankheiten beschützen die Familie zunächst vor der Deportation nach Auschwitz, sie wird aber im Februar 1994 nach Bergen Belsen abtransportiert, wo der Vater Ende März 1945 an Flecktyphus stirbt. Felsenthal studiert nach der Ausheilung seiner Tuberkulose Theaterwissenschaften und macht später Karriere als Fernsehproduzent in den Niederlanden und beim ZDF. 1995 fällt er nach einer Lungen-OP in ein 45-tägiges Koma, kann aber anschließend noch einmal wieder seine Arbeit aufnehmen. Margit Siebner-Cohen (siehe auch hier: http://www.zeitzeugengeschichte.de/topic.php?clipId=196), Jahrgang 1928, wird als Tochter eines jüdischen Buchhändlers und einer protestantischen Mutter schon früh als „Judengöre“ in der Schule gemobbt. Der geliebte Vater kommt 1939 ins KZ Buchenwald. Die Mutter kann ihn freikaufen, muss sich dafür aber von ihm scheiden lassen. Innerhalb von vier Wochen muss er das Land verlassen und reist völlig mittellos nach Shanghai aus, wo er 1946 an Tuberkulose stirbt. Nach dem Krieg holt Margit ihre Schulpläne nach und wird Bibliothekarin. Gemeinsam mit ihrem Mann Klemens Siebner, einem Berliner Politiker, bekommt sie fünf Kinder. 1981 wird ihre Tochter Maria ermordet aufgefunden, zwei Jahre später - auf den Tag genau - verunglückt ihr Mann während eines Urlaubes tödlich. Im Anschluss an diese traumatische Zeit macht Margit Siebner-Cohen eine Ausbildung zur Familientherapeutin und Supervisorin und arbeitet seitdem in freier Praxis. Fletcher DuBois, promovierter Sozialwissenschaftler, wird 1949 mit einem gespaltenem Weichgaumen geboren, was eine traumatisierende Zwangsfütterung nach sich zieht. Trotz dieser Behinderung kommt es nicht zu einer Ausgrenzung, weil DuBois schon früh aktiv eine soziale Rolle einnimmt. Er tritt als Liedermacher und Bürgerrechtsaktivist öffentlich auf, nach seinem Coming Out auch im „Gay-Liberation-Movement“. Er kommt in den 70er Jahren nach Deutschland und studiert in Heidelberg, wo er später von 1996 bis 2004 als Akademischer Direktor die Leitung der National-Louis-Universität, Heidelberg Campus, übernimmt. Bis heute ist er als Liedermacher tätig und veröffentlicht CDs. In allen drei Gesprächen, die zwischen 30 und 40 Minuten dauern, liegt die ganze Konzentration auf den Erzählungen der Protagonisten. Satu Stierlin nimmt ihre eigene Rolle als Interviewerin ganz zurück, nur gelegentlich ist sie zu hören oder gar zu sehen. Ihre Stärke, gut zuhören zu können und damit ihrem Gegenüber allen Raum für seine Geschichten zu geben, kommt den Erzählungen zugute. Auf diese Weise entsteht eine besondere Intimität zwischen Zuschauer und ErzählerIn, verstärkt durch den überwiegenden Einsatz von Halb-Totalen und Nahaufnahmen und der Tatsache, dass die Aufnahmen nicht in einem Studio gemacht worden sind, sondern in der häuslichen Umgebung der Gesprächspartner. Trotz professioneller Aufbereitung wird auf jeden „filmischen“ Effekt verzichtet, so dass überhaupt keine Künstlichkeit entsteht. Man hat das Gefühl, als bekomme man die Geschichten persönlich erzählt und wird daher von ihnen auch schnell persönlich berührt. Auch wenn alle drei ihr Leben auf bewundernswerte Weise gemeistert haben, macht Satu Stierlin deutlich, dass Resilienz kein Wundermittel darstellt: „auch Resilienz verlangt typischerweise einen Preis. Man könnte hier von einer besonderen Art von Kreativität sprechen, die wie andere Arten von Kreativität auch mit Verzicht und Verwundbarkeit in bestimmten Lebensbereichen einher geht. Auch das dürfen die drei Beispiele vermitteln“. Die DVD kann über die website von Satuila Stierlin bestellt werden.
Zur website von Satu Stierlin
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