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31.03.2005
Haim Omer, Arist von Schlippe: Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands in der Erziehung. Mit einem Vorwort von Wilhelm Rotthaus
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1. Auflage 2004
262 Seiten, kartoniert
mit 5 Abb.
19,90 € [D]
ISBN 3-525-49077-1
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Vandenhoeck & Ruprecht
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Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach:
Zwei Jahre nach ihrem ersten gemeinsamen Buch "Autorität ohne Gewalt"
legen Haim Omer und Arist von Schlippe einen Folgeband vor, der Autorität
mehr in Bezug auf einen "positiven", ausbaufähigen Aspekt diskutiert:
Beziehung. Das "ohne Gewalt" des ersten Bandes wird nun ersetzt durch das
Leitmotiv des "gewaltlosen Widerstands". Wilhelm Rotthaus weist in seinem
Vorwort darauf hin, dass in den nun vorliegenden Ausführungen deutlicher
als im Vorgängerband auf den Aspekt der Haltung Bezug genommen werde.
Dies verringert das Risiko, die diskutierten Ideen in erster Linie als
Techniken misszuverstehen. Die Autoren selbst kennzeichnen ihren Ansatz
als den "Versuch, die Lehre des gewaltlosen Widerstands auf extreme Verhaltensweisen
bei Kindern und Jugendlichen zu übertragen" (S.15). Sie wählen
dazu einen selbstorganisationstheoretisch inspirierten Blickwinkel. Es
gehe darum, einen Rahmen für die Möglichkeit konstruktiver Beziehungsentwicklung
zu erarbeiten, bzw. zur Verfügung zu stellen. Aus systemischer Sicht
gewinnen dabei die Bereitschaft zur Suche nach ausbaufähigen Ausgangspunkten
und die Bereitschaft , das Geschehen in weitergehende soziale Bezüge
einzubetten, eine entscheidende Bedeutung. Respektieren und öffentlich
machen sind somit zwei Schlüsselbegriffe, die das Konzept tragen.
Praktisch mündet das in ein unverdrossenes Bemühen um ein "Geflecht
von Beschreibungen, in dem sich jeder Einzelne gut fühlen kann, im
Wissen um die eigenen Möglichkeiten und mit einem guten Selbstwertgefühl
versehen" (S.28).
Die wesentlichen Konzepte, wie "elterliche Präsenz", werden im
vorliegenden Band kurz und schlüssig wiederholt. Auch viele der im
ersten Band diskutierten Vorgehensweisen finden sich wieder. Somit können
sich auch LeserInnen gut zurecht finden, die den Vorgängerband nicht
gelesen haben. Umfangreicher diskutiert werden die Themen Gewalt gegen
Geschwister, desweiteren Kinder, "die die Herrschaft im Haus übernehmen",
und das Thema der Kooperation von Eltern und Schule. Viele Fallvignetten
erläutern die vorgestellten Ideen nachvollziehbar. Deutlich wird,
dass "gewaltloser Widerstand" ein klares und starkes Profil erfordert:
"Empathie und Verständnis, so wichtig sie sein mögen, müssen
neben eine klare Einstellung treten, die Gewalt als solche benennt und
ihr entschlossen widersteht", heißt es an einer Stelle (S.37) und:
"Jede Unterdrückung basiert auf einer stillschweigenden Zustimmung
der Beherrschten" (S.48). Immer wieder geht es darum, gewalttätigem
Verhalten sofort, eindeutig und nachhaltig zu begegnen. "Begegnen" sollte
hier durchaus im Wortsinn verstanden werden. Begegnen ist etwas anderes
als bekämpfen. Wenn schon kämpfen, dann um und für das Kind,
nicht gegen es. Dies ist sicher leichter gesagt als getan. Die Anregungen
der Autoren dürften sich dabei als hilfreich erweisen. Als Hilfsmittel
aus dem "Notfallkoffer" werden u.a. das Sorgen für genügend inneren
Abstand genannt ("das kalte Eisen" als wiederkehrendes Bild), sowie das
tragfähige Vernetzen mit unterstützenden Personen aus Familie,
Bekanntenkreis oder Gemeinde. Zur Unterstützung für betroffene
und interessierte Eltern sowie andere Beteiligte findet sich im Anhang
"Das Handbuch zum gewaltlosen Widerstand – Eine Anleitung für Eltern".
Erkennbar wird das Bemühen der Autoren, ihre Ideen zur Umsetzung
des Konzeptes "gewaltloser Widerstand" von trivialen Verkürzungen
abzugrenzen. Seinen deutlichsten Ausdruck findet dies m.E. im steten Betonen
der Bedeutung von Respekt. Die Praxis gewaltlosen Widerstands wird immer
wieder als "Respektarbeit" bezeichnet. Dass dies nicht nur ein Kernstück
erzieherischen Wirkens in der Familie ist, sondern darüber hinaus
auch ein politisch bedeutsames Thema, wird durch ein eigenes Kapitel "Gewaltloser
Widerstand in der Gesellschaft" zu Recht unterstrichen.
Den Autoren gelingen viele alltagstaugliche und lebensvalide Beschreibungen,
die Verhaltensanregungen plausibel rahmen, wie etwa: "Es genügt oft,
wenn die Mutter oder Vater sagt: ‚Ich bin damit nicht einverstanden. Ich
komme darauf zurück!’", eine selbst unter Stressbedingungen handhabbare
Variante, zum "kalten Eisen" beizutragen (S.76). Oder bei sich widersprechenden
Informationen zu sagen: "Wir können nicht beurteilen, ob alle Details
wahr sind. Deshalb werden wir unsere Aufsicht und Überwachung intensivieren,
sodass Dinge wie diese auf jeden Fall nicht passieren können!" (133).
Dabei lassen die Autoren keinen Zweifel daran, dass es Arbeit macht, sich
auf die geschilderten Ideen einzulassen. Wie schon im Vorgängerband
werden keine Wunder versprochen. Auch gibt es noch keine stichhaltigen
Aussagen zu Indikation und Kontraindikation, wie die Autoren selbst konzedieren.
Es bleibt also noch genügend zu tun. Der vorliegende Band könnte
dazu beitragen, zum Weitermachen (oder Beginnen) in schwierigen Zeiten
zu motivieren.
Literatur:
Haim Omer & Arist von Schlippe 2002. Autorität
ohne Gewalt. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht
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Hier ein Link zur Rezension von Cornelia Tsirigotis
Der Bericht zur Tagung über Eltern-Coaching in Heidelberg im Februar 2005
Einführungsvortrag von Arist von Schlippe zur Tagung über Eltern-Coaching in Heidelberg im Februar 2005 (PDF)
Ein Workshop-Bericht zum Thema "Elterliche Präsenz und gewaltloser Widerstand" von Matthias Bartscher und Hildegard Steinmeyer aus Hamm (PDF)
Ein Artikel von Haim Omer zum Thema "Einen Brief schreiben, wenn die Therapie ungünstig zu Ende gegangen ist?" in systhema 2/2000
Ein weiterer Artikel von Haim Omer: "Gewaltfreier Widerstand: Elterlicher Umgang mit kindlicher Destruktion in systhema 2/2001
Eine Rezension des Vorläuferbuches "Autorität ohne Gewalt von Peter Schröder für socialnet.de
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Verlagsinformationen:
Autorität ist kein Begriff, der spontan mit Beziehung in
Verbindung gebracht wird. Tatsächlich führt Autorität, die durch
Furcht, Bestrafung und Distanz hergestellt wird, eher zum Verlust von
Bezogenheit. Wenn sie aber auf Präsenz basiert, das heißt auf der
elterlichen Botschaft: »Wir sind da und wir bleiben da!«, dann kann
Autorität sogar den wesentlichen Rahmen bieten, der Beziehung möglich
macht. In Beratungen berichten Eltern, dass die Beziehung, nicht selten
durch Gewaltakte oder durch selbstzerstörerische Handlungen seitens des
Kindes, verloren gegangen ist. Die Eltern fühlen sich in einer solchen
Situation hilflos, verlieren ihre Stimme, ihren Platz, ihren Einfluss.
Gleichzeitig steigt damit die Gefahr, dass dann auch Geschwister zu
Opfern werden.
Die Autoren greifen die Prinzipien des gewaltlosen Widerstands
auf und bieten als »Coaching für Eltern« praktische Hilfen an, wie
elterliche Präsenz wiederhergestellt werden kann. Sowohl Beraterinnen
und Berater als auch betroffene Eltern können mit Hilfe der beigefügten
Anleitung die konkreten Schritte für die Wiedergewinnung der
elterlichen Präsenz nachvollziehen. Sie lernen, systematisch zu
deeskalieren, und verstehen die Bedeutung von Versöhnungsgesten und die
Rolle der Aktivierung von sozialer Unterstützung. Eine große Bedeutung
hat hier die unerlässliche Allianz zwischen Lehrern und Eltern – so
dass auch Pädagogen das Buch mit Gewinn lesen werden.
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