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22.06.2014
Ulrich Sollmann: Einführung in Körpersprache und nonverbale Kommunikation
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Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2013
128 S., kartoniert
Preis: 13,95 €
ISBN 978-3-8497-0003-4 |
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Carl-Auer-Verlag
Jürgen Kriz, Osnabrück:
Neben Gazetten-Horoskopen, vielen Traumbüchern,Persönlichkeitstest für jedermann und graphologischen Pseudolehrbüchern sind es auch die Werke über Körpersprache, welche eine große Fangemeinde psychologischer Möchte-Gern-Fachmenschen anzusprechen versucht, das Seelenleben (möglichst der anderen) mit diagnostischem Scharfblick zu durchschauen und zu beurteilen. Dabei ist dann völlig klar, was „die Sterne“ für das nächste Lebensjahr bringen, was ein bestimmtes Taumsymbol zu bedeuten hat, was die Kreuze auf den bunten Fragebogen über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des so “Getesteten“ offenbaren und was der Haken am „i“ in der Handschrift über den Schreiber aussagt. Ebenso kann man erfahren, was eine Geste, Bein- oder Handhaltung „in Wirklichkeit“ über den Mitmenschen verrät – so sehr er sich auch zu tarnen versucht.
Zu Recht wendet sich der etwas reflektiertere Mensch mit Grausen von solcher Humburg-Psychologie ab – und schüttet das Kind mit dem Bade aus. Denn gerade unter Beachtung der modernen Befunde und Diskurse einer evolutionären Perspektive wird zunehmend auch in der wissenschaftlich betriebenen Psychologie das deutlich, was unter dem Begriff „soical brain“ darauf verweist, welche herausragenden Leistungen die Spezies Mensch in der Abstimmung zwischen Individuum und Sozialgemeinschaft leisten musste - und daher zu leisten in er Lage ist – um überhaupt angesichts biologisch-somatisch ausgeprägter Unvollkommenheit überleben zu können. Spiegelneurone, Bindungsmuster, Prosoziales Verhalten oder „primary intersubjectivity“ sind wenige Schlagwörter dieser Diskurse, welche belegen, in wie hohem Ausmaße feine Abstimmungen zwischen Menschen gelingen und daher auch gegenseitig „gelesen“ werden müssen und können. Allerdings belegen die Befunde, dass die Gesamtverhältnisse und intervenierenden Variablen so komplex sind, dass sich wohl nie daraus einfache, verallgemeinerbare Regeln auf Gazettenniveau herleiten lassen. Wie so oft: Die Welt ist leider etwas komplizierter, als es viele gern hätten.
Ulrich Sollmann, der bei Auer auch einen Weblog unter dem Titel „Der Körperleser“ unterhält, hat mit seinem Band über Körpersprache und nonverbale Kommunikation in der Auer-„compact“-Reihe den Versuch gewagt, auf vergleichsweise engem Raum dennoch dieses komplizierte und umfassende Thema für den Interessierten aufzubereiten. Körperlesen ist stets ein kommunikativer Akt, bei dem Ausdruck und Eindruck zusammen kommen. Gemeinsame Evolution, deren kulturelle Ausdifferenzierungen und gemeinsame soziale Erfahrungen bieten einerseits die Grundlage dafür, dass eine solche Verständigung und Abstimmung überhaupt möglich ist, zeigen aber gleichzeitig auch die Grenzen auf: In fremden Kulturen ist eben auch vieles Nonverbale anders und nicht so leicht dechiffrierbar wie in der eigenen.
Bei der referierenden Darstellung eines breiten Spektrums an Arbeiten, Zugängen und Befunden wählt Sollman insbesondere drei konzeptuelle Schwerpunkte – wie er selbst erfreulich explizit schreibt: (a) biografische, entwicklungspsychologische Strukturmodelle dort, wo es um lebensgeschichtliche Entwicklung von Körpersprache und die Einflüsse aus der Biographie geht, (b) ein psychophysiologisches Funktionsmodell dort, wo es Bewegung bzw. Bewegungsanalyse sowie um Affektlogik geht, und (c) nonverbale Kommunikations- und Beziehungsmodelle dort, wo er die körpereigenen Kreislaufprozesse (Atmung, Bewegung, Stimme, Gangart) und solche Kreislaufprozesse in Bezug zur „Welt“ geht (Erdung, Kontakt, feinmotorische Gesprächsabstimmung). Neben einem Kapitel über Gesten – mit sehr vielen Beispielen, auch aus der Politik – sind mit diesen Themen auch die wesentlichen Kapitel der ersten hundert Seiten gekennzeichnet. Es folgt ein umfängliches Schlusskapitel, in dem es um Körpersprache in der Praxis geht, und in dem viele konkrete Aspekte und Fragen in Alltagssituationen sowie professionell-beraterischen Kontexten besprochen werden.
Insgesamt handelt es sich um ein Buch, in dem Sollman mit der Betonung der selbstregulativen Kompetenzen des Körpers sowie der lebensgeschichtlichen und biografischen Entwicklung der Körpersprache den üblichen Vereinfachungen in der Populärliteratur zu diesem Thema entgeht. Andererseits sorgen die viele Beispiele sowie Sollmanns oft einbrachte umfangreiche persönliche Erfahrung in diesem Bereich dafür, dass die beachtliche Menge verarbeiteter theoretischer Literatur nicht allzu trocken „herüberkommt“. Wie ich finde, eine gut gelungene Integration von konzeptuellen und praktischen Aspekten, von dem sowohl Professionelle im psychosozialen Bereich (einschließlich Coaching und Management) als auch interessierte Laien profitieren können.
(Mit freundlicher Erlaubnis aus systeme 1/2014)
Zur Einleitung als PDF auf der Verlagswebsite.
Verlagsinformation:
Körpersprache ist wie eine verlernte Muttersprache: Jeder spricht sie, aber nur wenige können sie wirklich „lesen“. Populäre Kurse zur Körpersprache gleichen oft dem Auswendiglernen und Anwenden von Vokabeln. Man verbindet Körpersignale mit festen Eigenschaften. Ulrich Sollmann stützt das „Körperlesen“ dagegen auf das persönliche Erleben und die eigene Einschätzung des Betrachters, auf seine Interpretation des Gesehenen. Die Sprache des Körpers umfasst als gemeinsames Erlebnis immer beide Dimensionen: Ausdruck und Eindruck. Körpersprache ist ein interaktiver, kommunikativer Austausch, der eng in seinen kulturellen Gesamtzusammenhang eingebettet ist. Das Buch bietet eine kompakte Einführung in die wichtigsten Aspekte nonverbaler Kommunikation: historische Entwicklung, Perspektiven von Körpersprache, Körperhaltung, Bewegung, Gestik, Mimik, typische körpereigene Kreisläufe, psychophysische Entwicklung des Menschen sowie spezifische Praxiszugänge in unterschiedlichen Kontexten. Professionelle Helfer in sozialen, pädagogischen, therapeutischen und beraterischen Berufen profitieren ebenso von ihr wie Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen.
Inhalt:
Einleitung ... 7
1 Der Zwei-Bein-Stand ... 11
2 Historie ... 12
Populärliteratur ... 17 Wissenschaftliche Literatur ... 19
3 Perspektiven von Körpersprache ... 21
Fotografisches Körperlesen ... 22 Gesellschaft/Kultur ... 24 Anthropologische Grundelemente ... 25 Stress/hohe Belastung ... 26
4 Es gibt nicht »die Körpersprache« ... 28
5 Bewegung/Bewegungsanalyse ... 29
Körperkonzepte der Bewegungsanalyse ... 32 Hatch und Maietta ... 34 Laban ... 36 Strasberg ... 37
6 Gesten ... 39
7 Kreisläufe ... 50
Körpereigene Kreisläufe ... 52 Atmung und Bewegung ... 52 Körpersegment ... 53 Halbautonome Körperreaktion ... 55 Atmen mit Stimme ... 57 Öffnung und Gegensteuerung ... 58 Ausdruck/Vorgang und kortikale Kontrolle (KK) ... 61 Impliziter Beziehungsimpuls ... 62 »Körperexterne« Kreisläufe ... 63 Erdung – Atmung – Kontakt ... 63 Kopplung von Bewegung und Gespräch ... 66
8 Affektlogik ... 69
Anleitung zur Verunsicherung ... 71
9 Lebensgeschichtliche Entwicklung von Körpersprache ... 76
Urvertrauen gegen Urmisstrauen ... 78 Autonomie versus Scham/Zweifel ... 81 Initiative versus Schuldgefühl ... 82 »Werk«-Sinn versus Minderwertigkeitsgefühl ... 84
10 Biografie ... 86
11 Körpersprache in der Praxis ... 96
Erster Eindruck ... 97 Phänomenologisches Vorgehen ... 97 Interaktion, Reaktion, Kommunikation ... 97 Dissonanz, Stimmigkeit ... 98 Auffälligkeiten/Indikatoren ... 99 Typ Verhaltensmuster ... 100 Einheit und Differenz von Wort, Inhalt, Körpersprache ... 100 Kontext, Rolle, Bedarf ... 101 Der Prozess des Körperlesens ... 101 Setting oder Anordnung im Raum ... 102 Erstgespräch in Beratung bzw. Therapie ... 104 Körperlesen einer körperlich (nicht) präsenten Person ... 106 Instrumente (Tools) ... 112
Ich sehe das, was du nicht siehst ... 118
Über den Autor:
Ulrich Sollmann, Dipl. rer. soc; 1. Staatsexamen für Rechts- und Staatswissenschaft für das Lehramt; Ausbildung in Gestaltpsychotherapie sowie Bioenergetischer Analyse, Weiterbildung in systemischer Beratung; geschäftsführender Gesellschafter Keese & Sollmann Beratungs GmbH; Coach und Berater in Wirtschaft und Politik; Praxis für Körperpsychotherapie in Bochum; Lehrbeauftragter. Schwerpunkte: Coaching von Führungskräften, Politikern und Topentscheidern; mediale Inszenierung öffentlicher Personen; Körperpsychotherapie-Praxis; emotionale Milieus, kollektive Emotionen, Burn-out, Diversity. |
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