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16.01.2009
Eve Lipchik: Beyond Technique in Solution-Foucused Therapy. Working with Emotions and the Therapeutic Relationship
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The Guilford Press, New York - London 2002
230 S., gebunden
Preis: 33,99 €
ISBN-10: 1572307641
ISBN-13: 978-1572307643 |
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The Guilford Press
Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach:
Lösungsorientierte Therapie sei zwar mittlerweile weltbekannt, werde aber häufig missverstanden oder sogar trivialisiert. Dies sei das Ergebnis einer Überbetonung von Technik auf Kosten eines theoretischen Rahmens. Eve Lipchik, eine der MitbegründerInnen des BFTC in Milwaukee [1] macht keinen Hehl daraus, dass sie diese Entwicklung für falsch hält. Sie hat in früheren Veröffentlichungen vor der "Hast kurz zu sein" gewarnt [2] und die Maxime ausgegeben, gute Therapie wisse, wann die Regeln außer Kraft gesetzt werden müssten [3].
In ihrem nun vorliegenden Buch stellt die Autorin ihr Konzept vor, in der Hoffnung, dies möge TherapeutInnen anregen, wieder mehr darüber nachzudenken, "warum sie tun, was sie tun, wenn sie mit KlientInnen sprechen". Natürlich kommen dabei auch Techniken zur Sprache, kaum andere als die aus der kursierenden Fülle bekannten, jedoch in einer Art und Dosierung, die deutlich macht, dass hier die Form nicht die Substanz dominiert.
Bei der Darstellung und Diskussion lösungsorientierter Therapie im Sinne de Shazers könne leicht das Missverständnis auftreten, dass Fragen zu stellen das einzige sei, was TherapeutInnen zu tun hätten. Dies sei, sagt Lipchik, "natürlich nie die Absicht gewesen". Stattdessen heißt es: "Jede gute Therapie findet in einem Kontext vertrauensvoller Beziehungen statt. Die spezifische Art und Weise, in der TherapeutInnen diese Beziehung anleiten [4], hängt von ihrer jeweiligen theoretischen Orientierung ab" (S.9) [5]. Lipchik spricht hier tatsächlich von "Beziehungen anleiten". Das dürfte etwas irritieren angesichts der betonten Verschiebung des Schwerpunktes von Technik zur Therapeut-Klient-Beziehung , und auch wegen des mehrfachen Bezugs auf Maturanas Konzept der strukturellen Koppelung. Die Beziehung anleiten kann hier also nur im Sinne von Kontextsteuerung gemeint sein. Es wird durchgängig deutlich, dass Lipchik bei allem Bezug auf Maturana, auf konstruktionistische und collaborate language Ansätze die Aufgabe von TherapeutInnen als eine sehr verantwortliche beschreibt. In allen Fallbeispielen und in allen Reflexionen wird ihre Haltung spürbar, die Ereignisse zwar nicht einseitig bestimmen zu können, aber alles in ihrer Kraft stehende dazu zu tun, die Wahrscheinlichkeit für konstruktive Entwicklungen zu fördern. Dies wird für dramatisch klingende Krisen ebenso demonstriert wie für komplexe Konstellationen.
Was das "Arbeiten mit Emotionen" betrifft, worauf ja der Buchuntertitel neben der therapeutischen Beziehung besonders verweist, so scheint mir, dass Lipchik hier weniger ein vertieftes Konzept emotionaler Prozesse beschreibt, sondern dass sie lösungsorientiertes Arbeiten einfach "runder" beschreibt, intuitiv "vollständiger" verstehbar als es die Lektüre der bislang dominierenden Varianten De Shazer’scher Prägung vermitteln. Die meisten KlientInnen beschreiben ihre Probleme tatsächlich eher in Bezug auf Empfindungen. Und Therapeut-Klient-Beziehungen ohne Worte für das, was da auch emotional geschieht, können leicht so wirken, als gehe es darum, sich wechselseitig Variationen von Sekundärtugenden zur Verfügung zu stellen. Lipchik bringt dem gegenüber wieder Primärtugenden nach vorne: Ja, Emotionen anzusprechen und sich darauf einzustimmen ist in Ordnung und ein selbstverständlicher Bestandteil eines genuin lösungsorientierten Vorgehens. Eine Entmystifizierung und Normalisierung des lösungsorientierten Ansatzes scheint mir das zu sein. In einfachen Sätzen lassen sich auf dieser Grundlage lösungsorientierte Essentials geradezu menschenfreundlich vermitteln: "KlientInnen, nicht TherapeutInnen bestimmen, ob sie über Lösungen reden wollen" (S.47). Oder: "Die Lösung wird in irgendetwas bestehen, was die KlientInnen zu einer gegebenen Zeit als etwas erleben, was ihre Situation weniger problematisch oder unproblematisch macht" (S.79). Und hinsichtlich Zielen: "‘Ziele zu klären‘ ist ein Prozess, der in der ersten Sitzung beginnt und bis zum letzten Gespräch andauert. Es verlangt nach einer andauernden Aufmerksamkeit für die KlientInnen um sicher zu gehen, dass wir auf der gleichen Spur sind wie sie" (S.80). So geht es während der gesamten Lektüre: man kennt es (als lösungsorientiert Orientierter) und liest es mit Erleichterung wie neu. Was darüber hinaus beeindruckt, ist die offene, sich weder in ihren Zweifeln noch in ihrem Selbstbewußtsein verleugnende Art, in der sich Eve Lipchik als völlig präsente professionelle Helferin erkennbar werden lässt. Selten fand ich ein Wort der Vorsicht so beruhigend und aufmunternd gleichzeitig: "Als TherapeutInnen sollten wir nicht erwarten, dass unsere Arbeit sich als ein leichter Ritt herausstellt. Daher müssen wir dauernd auf der Suche nach Wegen sein, wie wir diesen Ritt abfedern können – für unsere KlientInnen und für uns selbst" (S.23).
Anmerkungen
[1] Lipchik, E. (Ed.) 1988. Interviewing. Rockville, Md.: Aspen
[2] Lipchik, E. 1994. Die Hast, kurz zu sein. Z.f.Systemische Therapie 12(4): 228-235
[3] Lipchik, E. 1996. Mr. Spock Goes to Therapy. Good Therapy means knowing when to break the rules. The Family Therapy Networker Jan/Feb 1996: 79-87
[4] im Original: "in which the therapist guides that relationship"
[5] Alle Übersetzungen: W.L.
(mit freundlicher Erlaubnis aus systhema 2004)
Corina Ahlers, Wien:
Einziger Nachteil dieses Buches: Dass es noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Schade. Dabei redet Eve das schöne Deutsch ihrer Kindheit, als sie aus Wien emigrieren musste. Es lässt sich leichter reden als schreiben in einer Sprache, mit der man aufwächst und die man als Vertriebene hinter sich lässt. Eve Lipchik begegnet in diesem Buch einer häufig geäußerten Kritik an Steve de Shazers lösungsorientiertem Ansatz: Dieser sei zu sprachorientiert, zu kognitiv, zu wenig interessiert an Klienten, manch Teilnehmer bei Steves Workshops erzählt: „Ein schlecht gelaunter Grummelbart". Eves Rückblick auf ihre arbeitsträchtigen Jahre zeigt, dass sich lösungsorientiertes Denken sehr wohl mit dem emotionalen Geschehen in einer Therapie kombinieren lässt, wenn man das eigene Tempo an den therapeutischen Prozess anpasst und damit den richtigen Zeitpunkt für lösungsorientierte Interventionen wählt. Vielleicht lohnt es sogar die Mühe, Teile dieses Buches selber zu übersetzen, denn durch diese zusätzliche Analyse der Sprache merkt man, wie genial manche lösungsorientierten Kommentare formuliert sind. Stark praxisorientiert und dennoch logisch an die konstruktivistische Theorie angebunden, führt uns Eve Lipchik durch lösungsorientierte Methodik und deren Anwendungsbereiche: Familien, Paare, Langzeittherapie, Krisen, Therapie mit Behinderung. Fallillustrationen zeigen sowohl Fehler wie ungünstige Verläufe als auch berührende Langzeitkontakte mit Menschen, die lebenslang verzweifelt kämpfen. Es wird vermittelt, dass Lösungsorientiertheit nicht gleichzeitig heißt, dass Therapien kurz, schnell und effektiv sein müssen. Eingangs werden 11 Leitsätze zur Haltung der lösungsorientierten Therapeutin vorgestellt, die einen als therapiebegleitendes Motto auch aus schwierigen Situationen retten können. Eve Lipchik macht uns auf viele wichtige Details in der Planung und im Aufbau der Sitzung aufmerksam, die gerade StudentInnen am Anfang ihrer therapeutischen Erfahrungen als Orientierung dienen können. Andererseits wird uns auch vorgelegt, wie kompliziert lösungsorientiertes Arbeiten ist: Eine Feinabstimmung von therapeutischem Klima, Prozess der Erzählung und dem richtig gewählten Zeitpunkt für eine lösungsorientierte Frage. Ein lohnendes Buch für alle, die lösungsorientierte Therapie einmal anders kennen lernen möchten: gefühlsbetont, sensibel und dennoch genügsam und zielorientiert.
Ein Interview zum Thema mit Eve Lipchik im brieftherapynetwork.com
Eine Leseprobe aus dem ersten Kapitel (PDF)
Verlagsinformation:
Solution-focused therapy is often misunderstood to be a one-size-fits-all approach. This book adds a vital dimension to the literature by showing how attention to emotional issues and the therapeutic alliance, traditionally not emphasized in brief, strengths-based work, can help "unstick" difficult situations and pave the way to successful solutions. Using extensive case material, and drawing on the theories of Harry Stack Sullivan, Milton Erickson, and Humberto Maturana, Eve Lipchik brings to life not only what an experienced clinician does at particular moments in therapy, but why. Addressed are such vital questions as what to respond to and what to ignore in a solution-focused interview; what to do when clients do not respond to positive, future-oriented questions or goal definition; how to formulate the message and task at the end of the session; and how to apply the model to different populations and situations.
Inhalt:
I. Theory and Practice
1. A Theory of Solution-Focused Therapy
2. The Therapist–Client Relationship
3. Understanding Clients
4. Emotions in Solution-Focused Therapy
5. The Process of Clarifying Goals
6. The Team behind the Mirror and the Consultation Break
7. The Summation Message and the Suggestion
II. Applications
8. Couple Therapy
9. Family Therapy
10. Working with Involuntary Clients
11. Long-Term Cases
12. The Solution-Focused Approach to Crisis
Über die Autorin:
Eve Lipchik ist eine US-amerikanische Psychotherapeutin, die sowohl in Familientherapie, als auch in Systemischer Therapie und Lösungsfokussierung wichtige Akzente gesetzt hat. Lipchik emigrierte aus Wien und zählte in den frühen 1980er Jahren - gemeinsam mit Insoo Kim Berg, Steve de Shazer und anderen - zu den Gründern des Brief Family Therapy Centers in Milwaukee
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