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29.08.2006
Friedebert Kröger, Askan Hendrischke, Susan H. McDaniel (Hrsg.): Familie, System, und Gesundheit. Systemische Konzepte für ein soziales Gesundheitswesen
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Carl-Auer-Verlag Heidelberg 2000
351 Seiten, 24 Abb., Kt.
Preis: € 27.90 / sFr 48.00
ISBN: 3-89670-145-2 |
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Carl-Auer-Verlag
Susanne Altmeyer, Aachen:
Die
Gesundheitsversorgung in den Industrienationen steht vor großen
Herausforderungen. Die derzeitigen Organisations- und
Finanzierungsformen werden den sich ändernden Aufgaben ebensowenig
gerecht wie die Kooperationsmodelle, die den Rahmen für die Beziehung
zwischen Patienten/Klienten und ihren Behandlern, ebenso aber auch für
die Zusammenarbeit der Professionellen bilden. Neue Ideen sind gefragt:
Können systemische Konzepte eine Zukunftsperspektive für ein soziales
Gesundheitssystem darstellen? In dem Band tragen Gesundheitsforscher
und -ökonomen, Sozialwissenschaftler, Ärzte und Psychologen ihre
Lösungen und Antworten auf diese Frage zusammen. Auf der Basis eines
jahrelangen deutsch-amerikanischen Dialogs hat das Herausgeberteam
Modelle zusammengetragen, die neue Perspektiven eröffnen können. Schon
auf den ersten Blick bin ich von dem Buch angetan. Der Einband: Ein
Blau in den Schattierungen von Himmel und Meer umschließt das
Häusersystem einer Stadt in Nordafrika – ein Aquarell von Paul Klee. Das
Werk umfasst insgesamt 13 Beiträge, die in vier Kapitel unterteilt und
mit illustren Namen überschrieben sind. Den Reigen eröffnet im Kapitel
„Systemische Medizin“ Donald Bloch, ehemaliger Direktor des Ackermann
Institute for Family Therapy in New York und früherer Präsident der
American Family Therapy Academy, mit einem kurzweiligen und sehr
informativen Abriß über die Entwicklung der systemischen
Familienmedizin in den USA. Fritz Simon, der als Vizepräsident des
europäischen Familientherapie-Verbandes ein europäisches Pendant zu
Bloch darstellt, betrachtet im zweiten Beitrag aus einer
systemisch-konstruktivistischen Metaperspektive in origineller Art und
Weise die Bedeutung der Phänomene „Krankheit“ und „Gesundheit“. „Jeder
scheint zu wissen, wovon er spricht, bis man ihn fragt.“ John
Rolland, Co-Direktor des Chicago Center for Family Health, stellt ein
umfassendes Modell für die Behandlung von Krankheit und Behinderung in
der Familie vor, und Rosemarie Welter-Enderlin, schweizerische
Systemtherapeutin, gibt einen anschaulichen Einblick in ihre Arbeit mit
Paaren, in denen einer der Partner an einer chronischen Erkrankung
leidet. Den Abschluß dieses Kapitels gestalten Stefan Theiling und
Arist von Schlippe in ihrem Beitrag über die Umsetzung der systemischen
Familienmedizin in der Pädiatrie: z. B. die „Luftiku(r)se“ bei von
Asthma betroffenen Kindern und Jugendlichen oder die „Süßmuths“ bei
Diabetes mellitus. Kapitel II mit der Überschrift „Kooperation in
der Systemischen Medizin“ beginnt mit einer furiosen Demontage des
Weichei-Verständnisses des Begriffs Kooperation durch Jochen
Schweitzer. Nachdem er eindrücklich gezeigt hat, was Kooperation nicht
ist, gelingt es den Herausgebern Susan McDaniel mit Jeri Hepworth im
zweiten und Askan Hendrischke und Friedebert Kröger im dritten Beitrag
auf plastische und treffliche Art und Weise zu zeigen, wie Kooperation
als Teil des systemischen Paradigmas gelingen kann. „Familienforschung
in der systemischen Medizin“ ist die Überschrift zu Kapitel III. Hier
stellen Thomas Campbell, Friedhelm Topp und Dieter Wälte in
Zusammenarbeit mit den Herausgebern in ihren Beiträgen jeweils
Forschungsergebnisse vor, die deutlich machen, daß sich systemisch
orientierte, interdisziplinäre, kontextbezogene Arbeit in der Medizin
auszahlt. Im vierten und letzten Kapitel „Zukunftsperspektiven“
hat der erste Beitrag, „Die Zukunft gestalten – Strukturen eines
sozialen Gesundheitssystems“ von Michael Wirsching, Ellis Huber und
Thure von Uexküll, mit seinen mutigen Visionen und dem Appell „neu
denken, neu handeln, neu organisieren“ Pflichtlektürenpotential. Und
last but not least stellen Charles Peek und Richard Heinrich vor, wie
ein erfolgreiches Pilotprojekt der integrierten Primärversorgung zur
Alltagsanwendung gebracht werden kann. Fazit: Das Lesen war
kurzweilig, erforderte manchmal auch hohe Konzentration, bisweilen
mußte ich laut lachen. Das Buch ist ein Ideengeber für Therapeuten und
Berater, die mit kranken Menschen in der Praxis oder in Institutionen
arbeiten und innovative systemische Konzepte zur Lösung ihrer Aufgaben
einsetzen wollen. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung und
nachhaltige Wirkungen.
(Erstveröffentlichung in Kontext 2002)
Die websites von Friedebert Kröger, Askan Hendrischke und Susan McDaniels
Verlagsinformation:
Wie
ist es um die Zukunft unseres Gesundheitssystems bestellt? Ist der
soziale Ausgleich auch im Bereich der Gesundheitsversorgung bedroht?
Wie müssen Schulmedizin und Reformmodelle ergänzt werden, um eine
sozial gerechte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung weiterhin zu
gewährleisten? Die Autoren entwickeln zu diesen Fragen Lösungen aus
systemischer Sicht. Ihr Ergebnis: Interdisziplinäre, kontextbezogene
Arbeit in der Medizin zahlt sich aus. Die Integration von Partnern und
Familienangehörigen in den Behandlungsprozess ist für den Erfolg von
zentraler Bedeutung und darüber hinaus kostensparend. Dieses Buch
fasst erstmalig den aktuellen Stand der Diskussion und Praxis der
systemischen Vorgehensweise in der Organmedizin zusammen. Sowohl für
den Bereich der ambulanten wie der stationären Behandlung werden
Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen der interdisziplinären
Kooperation im medizinischen Kontext aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis:
Bloch, Donald A.: Systemische Familienmedizin: Rückblick auf eine kurze Geschichte. S. 17-48 Simon, Fritz B.: Krankheit und Gesundheit aus systemischer Sicht. S. 49-61 Rolland, John S.: Krankheit und Behinderung in der Familie. Modell für ein integratives Behandlungskonzept. S. 62-104 Welter-Enderlin, Rosmarie: Chronisch Kranke in Paarbeziehungen und Paartherapie. Krankheitsverständnis und Alltagsbewältigung. S. 105-129 Theiling, Stephan, Schlippe, Arist von, & Lob-Corzilius, Thomas: Systemische Familienmedizin in der Pädiatrie. S. 130-164 Schweitzer, Jochen: Bedingungen gelingender Kooperation im Gesundheitswesen. S. 167-183 McDaniel, Susan H.: Kooperation mit Patienten, ihren Familien und dem Behandlungsteam. Ein neuer Ansatz im Umgang mit Macht und Abhängigkeit. S. 184-206 Hendrischke, Askan, & Kröger, Friedebert: Kooperation im Krankenhaus. S. 207-221 Campbell, Thomas L.: Familien und Gesundheit. Zum Stand der Forschung. S. 225-241 Topp, Friedhelm, Hartmann, Mechthild, Kronmüller, Klaus-Thomas, Zipfel, Stefan, & Herzog, Wolfgang: Familienmedizinische Perspektiven im internistisch-stationären Versorgungskontext. S. 242-266 Wälte, Dieter, Hendrischke, Askan, & Kröger, Friedebert: Familiäre Krankheitskonzepte. Ein neuer Ansatz in der empirischen Familienforschung. S. 267-293 Wirsching, Michael, Huber, Ellis, & Uexküll, Thure von: Die Zukunft gestalten. Strukturen eines sozialen Gesundheitssystems. S. 297-330 Peek, C.J., & Heinrich, Richard L.: Integrierte Primärversorgung. Vom Pilotprojekt zur Alltagsanwendung. S. 331-347
Vorwort von Helm Stierlin:
Als man mich kürzlich fragte, wo ich die größte Herausforderung und zugleich größte Chance für die Zukunft der systemischen Forschung und Therapie sähe, fiel mir die Antwort leicht: Sie liegt in einer systemischen Medizin, die der Familie eine zentrale Bedeutung zuweist. Und dies trotz und wegen der Tatsache, daß der systemischen Therapie erst kürzlich von einem maßgeblichen Expertengremium bescheinigt wurde, sie sei wissenschaftlich noch zu wenig abgesichert und daher einer Vergütung durch die gesetzlichen Krankenkassen nicht würdig. Hätten sich die begutachtenden Experten die Mühe gemacht, die in diesem Band veröffentlichten Beiträge aufmerksam zu lesen, wären ihnen möglicherweise einige Zweifel an ihrer Entscheidung gekommen. Denn diese Artikel zeigen: Es gibt inzwischen eine ausgedehnte und noch wachsende empirische Forschung, die nachweist, daß eine systemisch inspirierte Familienmedizin nicht nur in vielen Fällen weiterhilft als übliche, einer klassischen und einer vorwiegend somatischen Diagnostik und Therapie verpflichtete Verfahren, sondern daß sie auch erhebliche Kosten einzusparen vermag. Allerdings: Eine systemische Medizin zwingt uns, über den Tellerrand der jeweiligen medizinischen Fachdisziplinen zu schauen (was angesichts der weiter zunehmenden Spezialisierung dieser Disziplinen sicher nicht leicht ist). Aber wie die Beiträge in diesem Buch zeigen, lohnt sich solche systemische Schau - wobei das Wort "Schau" den Sachverhalt nur ungenau beschreibt. Denn es handelt sich hier um unterschiedliche Weisen und Richtungen von Schauen. So etwa ein Schauen, das die Gebrechen und Dilemmata unseres derzeitigen Gesundheitssystems in unser Blickfeld rückt. So ein Schauen, das uns die Praxis einer systemischen, familienbezogenen Therapie mit üblicherweise schwierig zu behandelnden Gruppen von Klienten - wie etwa chronisch kranken Kindern und Erwachsenen - nahebringt. So ein Schauen, das uns für die Problematik von Macht und Ohnmacht in der Beziehung zwischen Therapeut und Klient sensibilisiert; so ein Schauen, das uns erkennen läßt, wieviel und welcher Art von Kooperation es bedarf, soll die heute so viel beschworene biopsychosoziale Integration der verschiedenen Sichten und therapeutischen Ansätze gelingen. Ein solch vielgestaltiges und - um einen Begriff Nietzsches zu verwenden - "perspektivisches" Schauen ist dazu angetan, uns zu verstören. Aber dazu ist anzumerken, daß systemische Therapeuten den Terminus "verstören" überwiegend positiv konnotieren. Denn "Sich-Verstören-Lassen" bedeutet vor allem: Wir sind bereit und fähig, lang gehegte Grundannahmen und Leitunterscheidungen zu hinterfragen und uns somit denkend in Bewegung zu halten. In diesem Sinne wünsche ich dem Buch viele verstörte Leser."
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