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14.12.2005
Jürgen Kriz: Chaos, Angst und Ordnung. Wie wir unsere Lebenswelt gestalten
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2. Auflage 1998
125 Seiten, kartoniert
Preis: 11,90 €
ISBN 3-525-01728-6 |
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Vandenhoeck & Ruprecht
Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach:
Gelegentlich drängt sich mir der Eindruck auf, "Wissenschaft"
sei zur theologischen Instanz unserer Variante von Zivilisation
geworden, die Antwort auf "die letzten Dinge" verspricht, zeittypisch
verkürzt auf die vorletzten, und als solche geeignet, Entscheidungen zu
legitimieren, die weit über ihren Rahmen hinausweisen, Tod als
"Hirntod" definiert, beispielsweise. So verkürzt wird Wissenschaft
disqualifiziert zu einer Form der Digitalisierung des Lebendigen. Sie
wird jedoch erst dann zu einer oft auch existentiell hilfreichen
Stütze, wenn sie auch ihre Fähigkeit und Bereitschaft einsetzt, sich
selbst zu reflektieren, den eigenen Ausgangspunkt kenntlich zu machen
und die Kontexte ernst zu nehmen, in denen sie sich bewegt und die sie
mitbewegt. Dann wird aus der Absicht von Wissenschaft, Antworten zu
entwickeln, die Fähigkeit, mit Antworten zu "dienen", "Verantwortung"
zu übernehmen. Wobei wir bei dem hier vorgestellten Buch wären und bei
seinem Autor.
Jürgen Kriz hat sich sowohl einen Namen gemacht als Wissenschaftler,
der in der Lage ist, äußerst komplexe Zusammenhänge verständlich zu
vermitteln, in den letzten Jahren besonders zum Thema
Selbstorganisation und komplexe nichtlineare Dynamik. Zum anderen hat
sich Kriz stets als ein humanistisch motivierter Wissenschaftler und
Autor zu erkennen gegeben. Auch wenn dies im Sinne des berühmten Satzes
von Max Frisch "nicht die Zeit für Ich-Geschichten" ist, erlebt
wird sie (wie alle Zeit) von Individuen, von jeder/m einzelnen,
angewiesen auf Resonanz, Achtung und Wertschätzung durch andere.
Kriz' Arbeiten zu einer "personzentrierten Systemtheorie" tragen dem
Rechnung und sind ein starker Einwand gegen technizistische
Interpretationen und Umsetzungen systemischer Perspektiven. Von all dem
ist in diesem Buch die Rede, einer Einladung zu einer weiten Wanderung,
wie es im Vorwort heißt, und so gibt sich der Autor zu erkennen:
bewegt, ansprechend.
Es handelt sich um die überarbeiteten Mitschnitte einer
VHS-Vortragsreihe zum Thema "Ist die Welt (noch) in Ordnung?".
Alltagssprachliche Assoziationen verbinden sich mit teilweise
episodenhaften Darstellungen von Wissenschaftsgeschichte(n). Wie die
Angst vor dem Uneindeutigen, nicht einseitig Planbaren den einzelnen
Menschen dazu bringt, sich ein Bild zu machen, wie dies im sozialen
Leben (s)eine Rolle(n) spielt, und wie dies als eine Gratwanderung
sowohl Sicherheit verspricht wie Einengung bringt, ist das allgemeine
Thema dieses Buches. Das spezielle Thema ist, die Rolle der
Wissenschaft als Herrschaftsinstrument zu bedenken, als ein Mittel, die
Vielfalt des Lebendigen zu diskreditieren, Hoffnung auf achtsame Formen
autonomer Entwicklungen zu verringern ("Noch heute finden wir mehr
Programme zur Selbstkontrolle als zur Förderung von Selbstvertrauen",
S. 86). Kriz zieht eine Parallele zwischen den Mechanismen der
Angstabwehr bei Zwangspatienten und den "Tugenden" einer "sauberen"
wissenschaftlichen Methodik. Demgegenüber arbeitet Kriz für ein
Verständnis von Wissenschaft, die sich ihrer Grenzen bewußt ist, und
dies nicht als Manko sondern als Ressource begreift. Dahinter wirkt, so
scheint mir, eine Vision von Möglichkeiten, Menschen dazu zu ermutigen,
sich nicht auf "Angst" als Kontrollparameter für das Entwickeln von
"Ordnung" zu stützen, sondern der Vielfalt des Lebendigen respektvoll
und aufmerksam zu begegnen. "Wir haben je nach unserem Standort in der
Welt nur perspektivische Bilder. Wenn wir diese Grenzen unserer
Erkenntnis demütig anerkennen, können wir nichts Besseres tun, als mit
den Menschen, die andere Standpunkte und Perspektiven haben, in einen
Dialog (...) treten, damit aus der Vielfalt der Perspektiven etwas mehr
von der dahinterstehenden Komplexität deutlich wird" (S.115). Dieses
Buch hilft auf dem Weg zum "unerschrockenen Respektieren".
(Mit freundlicher Genehmigung von systhema)
Die Website des Autors Jürgen Kriz
Verlagsinfo:
"Jede Ordnung in unserem Leben müssen wir dem allumfassenden Chaos
abringen. Die moderne Systemforschung belegt, was schon die alten
Weisheitslehren wußten: Wir leben in einer Welt, die als ein einziger
komplexer, chaotischer Prozeß begriffen werden muß. Der ständige Kampf
darum, das Chaos zu verbannen, führt allzu oft zu Zwangsstrukturen, die
bedrohlich werden und viel Leid mit sich bringen können. Aus Angst vor
dem Chaos richten wir verhärtende Ordnungen auf, die sich gegen die
Menschen wenden – in der Politik wie in Familien, in Betrieben wie bei
Paarbeziehungen, auch bei der Organisation des eigenen Selbst. Jürgen
Kriz stellt seine Erfahrungen aus der humanistischen und systemischen
Psychotherapie und der Systemforschung in Beziehung zu dem
zerstörerischen Potential der wissenschaftlichen Technik und den
Bedrohungen unserer Welt. Durchaus allgemeinverständlich legt er die
Schlußfolgerungen seiner Einsichten dar – es sind Mahnungen, die
Zwangsordnungen zu überwinden für mehr Handlungsfreiheit des Menschen."
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