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21.09.2005
Steven Friedman: Effektive Psychotherapie. Wirksam handeln bei begrenzten Ressourcen
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verlag modernes Lernen 1999
360 S., fester Einband
Preis: 22,50 €, 39,60 SFr
ISBN: 3-8080-0431-2 |
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verlag modernes lernen
Wolfgang Loth, Bergisch Gladbach:
Auch wenn Managed Care hierzulande noch ein Fremdwort ist, auch im
deutschsprachigen Raum beginnen Krankenversicherungen bereits darüber
zu diskutieren und die Erfahrungen aus dem US-amerikanischen Raum
sorgfältig zu studieren. Managed-Care-Organisationen lassen sich zwar
mit Krankenversicherungen vergleichen, nehmen aber in der Regel noch
nachhaltiger Einfluss auf die Beziehungen zwischen Leistungsanbietern
und Leistungsempfängern. Ziele sind: "unnötige Leistungen"
auszuschalten, Kosten zu reduzieren und Effektivität wie Effizienz der
Behandlungen zu maximieren. Es liegt nahe, hier eine Dominanz
ökonomistischer gegenüber fachlichen Überlegungen anzunehmen. Daraus
resultieren eine Reihe ethisch relevanter Fragen, z.B. hinsichtlich des
Umgangs mit KlientInnen oder des Umgangs mit Datenschutz (Bilynski
& Vernaglia 1998). Innerhalb der American Psychological Association
gab es darüber offensichtlich ernsthafte Differenzen (Cooper 1998).
Auf diesem Hintergrund erscheint es umso hilfreicher, dass ein so
ausgewiesen bewanderter und respektvoller Kollege wie Steven Friedman,
der für die Weiterentwicklung kollaborativer Konzepte in der
Familientherapie steht (z.B. 1995), die Arbeitsmöglichkeiten unter
managed-care-Bedingungen diskutiert und im Hinblick auf
ressourcenorientierte und (kunden-) menschenfreundliche Möglichkeiten
ausleuchtet. Sein Buch "Time-Effective Psychotherapy" aus dem Jahr 1997
liegt nun in deutscher Übersetzung vor, ergänzt um ein Vorwort zur
deutschen Ausgabe, in dem Friedman einen gerafften Überblick über
Grundlagen, Formen und Auswirkungen von Managed Care in den USA gibt
(Für weitergehend Interessierte: vgl. ein Glossar zu Managed Care bei
Huntington (1997).
Friedman läßt dabei nicht nur viele, mittlerweile schon etwas
bekanntere lösungsorientierte Ideen Revue passieren, sondern schildert
die Umsetzung dieser Ideen in einer Vielzahl von teilweise vollständig
transkribierten Therapiebeispielen. Die Beispiele machen nicht nur
Verfahrensweisen deutlich und schildern Schwerpunkte für spezielle
Anwendungsbereiche (etwa Paartherapie), sondern lassen
Entscheidungsprozesse des Autors als Therapeut in Situationen
nachvollziehen, die nachträglich als Weggabelungen erkennbar werden.
Beispielsweise, wie es dem Therapeuten in einer kniffligen
Paartherapie-Situation gelingt, die Einladungen eines Paares, seine
Geschichte problemorientiert zu beschreiben, respektvoll zur Kenntnis
zu nehmen, die Einladungen jedoch nicht anzunehmen, sondern geduldig
darauf hinzuarbeiten, das Paar für dessen eigenen Kompetenzen zu
interessieren.
Es ist also ein sehr praxisorientiertes und praktisches Buch, das ich
hier nachdrücklich empfehlen möchte. Die Praxisrelevanz und
Praxiskompetenz, die dieses Buch ausstrahlt, sind es jedoch nicht
allein, die es für mich zu einem herausragenden Buch machen (und
insofern zu einem der Bücher „from abroad“ macht, die es sich wirklich
gelohnt hat zu übersetzen). Herausragend wird dieses Buch für mich
durch seine Kraft, die Idee des respektvollen Kooperierens auch unter
den Bedingungen einer Entwicklung in Richtung finanzierungsorientierter
Kanalisierung und Konzentration psychosozialer Leistungen
beizubehalten. Friedman macht deutlich, wie es gelingen kann,
professionelle psychosoziale Hilfen sowohl im Einklang mit
möglicherweise begründeten Wünschen nach finanzieller Überschaubarkeit
zu gestalten als auch andererseits diese Hilfen auf unerschrockenes
Zutrauen in die Ressourcen von Hilfesuchenden zu gründen, sowie dies in
eine Form zu gießen, die in jeder Phase kooperativ, kompetent und
respektvoll wirkt.
Dies gelingt natürlich nur auf dem Hintergrund, diesen Ansatz
auch in seiner Begrenztheit zu verstehen, ihn nicht als „Allheilmittel
für alle Krankheiten und Probleme des Lebens“ zu betrachten, wie
Friedman immer wieder - beinahe formelhaft - betont. Es geht um das
Konzentrieren auf kleine Schritte, die, so die begründete Hoffnung, in
komplexen Lebenslagen weitere hilfreiche Veränderungen anstoßen können.
Mir scheint, das Buch verkörpert eine sehr schöne Synthese der
fortgeschrittenen Kunst, kleine Brötchen zu backen und dies im Kontext
der „wunderbaren Brotvermehrung“ zu vernetzen. Und noch etwas: wer
glaubt, der „zeiteffektive“ Ansatz sei einfach nur billig zu haben,
dürfte enttäuscht sein. Die Lektüre dieses Buches macht deutlich, dass
ein zeiteffektives therapeutisches Vorgehen die Vernetzung vieler
verschiedener Dienste beinhaltet, die in unterschiedlicher Weise zum
Gelingen beitragen. Eines der transkribierten Beispiele handelt von
Nancy, einer Klientin, die über einen Zeitraum von zwei Jahren Hilfe
von sechs verschiedenen Managed Care Diensten erhielt und zusätzlich
fünf weitere Dienste in Anspruch nahm. Dennoch kann die beschriebene
Arbeit ohne weiteres als Beispiel für ein erfolgreiches zeiteffektives
Arbeiten verstanden werden. Es geht halt nicht um einen kontextfreien
Einspar-Formalismus, sondern es geht um das wirksame und respektvolle
Aufeinanderabstimmen der Kompetenzen und Ressourcen aller Beteiligten,
die der Hilfesuchenden dabei an prominenter Stelle. Dass auf diese
Weise oft sehr schnell wirkende und (in mehrfacher Hinsicht)
kurzweilige Hilfeerfahrungen zustandekommen, ist ein Effekt dieses
Ansatzes, nicht seine normative Ausgangsbedingung. Hier scheint
Friedman geradezu ein Spagat zwischen den beiden Polen zu gelingen, die
er in seinem Vorwort benennt: fürsorglich mit den PatientInnen und
fürsorglich mit dem Geld der Gesellschaften umgehen. Allerdings:
mittlerweile scheint ihn die Entwicklung überholt zu haben. Die Gesetze
des Marktes haben sich ausgewirkt. Die Managed Care Firmen haben sich
im üblichen ökonomistischen Wettbewerb noch stärker auf Einspareffekte
ausgerichtet, was die Arbeitsbedingungen für viele KollegInnen deutlich
verschlechtert hat. Und so halte ich es für angemessen, wenn Jürgen
Kriz in seinem Geleitwort seine Argumentation auf die Aussage zuspitzt:
"Es geht nicht nur um die Frage nach der "Effektivität", es geht auch
um die Frage, wie wir leben wollen." (S.12).
Die ansprechende Form des Buches unterstreicht seinen praktischen
Nährwert. Thesenartige Zusammenfassungen am Ende der Kapitel,
Anregungen zum eigenen Nachdenken, abgebildete Arbeitsunterlagen und
ein Personenregister erleichtern die Lektüre. Ein wichtiges und
anregendes Buch!
Literatur:
Bilynsky, N.S. & Vernaglia, E.R. (1998): The ethical
practice of psychology in a managed-care framework. Psychotherapy
35(1), 54-68.
Cooper, G. (1998): Fault line in the APA. The Family Therapy Networker, January/February 1998, 15-16.
Friedman, S. [Hg.] (1995): The Reflecting Team in Action. Collaborative Practice in Family Therapy. New York (Guilford).
Huntington, J.A. (1997): Glossary for managed Care. Online Journal of Issues in Nursing, Internet: http://www.ana.org/ojin/tpc2/tpc2_gls.htm.
Eine Kurzbesprechung von Gisela Thies für die Ärzte-Kammer Schleswig-Holstein
eine deutschsprachige Informationsseite zum Thema Managed Care
Ein Link zum kostenlosen englischsprachigen Volltext-Magazin Managed Care Magazin
Verlagsinfo:
"Friedman arbeitet seit über zehn
Jahren unter den einschränkenden Bedingungen von „managed care“. In
diesem Buch zeigt er auf, welche Möglichkeiten und Spielräume sich auch
angesichts zunehmender Begrenzungen nutzen lassen, um fachlich
angemessene und effektive psychotherapeutische Arbeit zu leisten.
Friedman orientiert sich bei seinem Ansatz an Zielen und Ressourcen
aller Beteiligten, wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt. In diesem
übersichtlich gestalteten Buch erläutert Friedman sein Vorgehen, bietet
der LeserIn Übungen an, faßt einige seiner wesentlichen Ideen am Ende
jeden Kapitels zusammen und bietet vor allem zahlreiche kommentierte
Fallbeispiele, die sein Vorgehen veranschaulichen."
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