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20.05.2005
Robert Axelrod: Die Evolution der Kooperation
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R. Oldenbourg Verlag
6. Auflage März 2005
Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Werner Raub und Thomas Voss
235 S. Broschur
ISBN: 3486539965
Preis: 19,80 € |
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R. Oldenbourg Verlag
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Jürgen Hargens, Meyn:
Ein „altes“ Buch, das mich immer wieder in seinen Bann zieht und mir
verdeutlicht, dass es für mich – und für Sie? – sehr vorteilhaft sein
kann, mich auch wieder dem zu widmen, was vor Jahren entdeckt,
beschrieben und entwickelt worden ist. „Kooperation“ steht im
Mittelpunkt und bereits der erste Satz des Vorwortes macht den Rahmen
deutlich, den der Autor ausfüllen will (und wie ich gleich hinzufügen
möchte: auch ausfüllt): „Die Arbeit an diesem Buch begann mit einer
einfachen Frage: Wann sollte eine Person bei einer fortlaufenden
Interaktion mit einer anderen Person kooperieren, und wann sollte sie
sich selbstsüchtig verhalten?“ (S. VII)
Diese Frage wird nicht „einfach“ spekulativ abgehandelt, sondern auch
empirisch untersucht – mithilfe des sog. Gefangenendilemmas, das vielen
aus der Sozialpsychologie bekannt sein dürfte. „Das Gefangenendilemma
ist ein Spiel mit zwei Spielern, von denen jeder zwei
Entscheidungsmöglichkeiten hat, nämlich zu kooperieren oder nicht zu
kooperieren. Nichtkooperation nennen wir Defektion. Jeder muß seine
Wahl treffen, ohne zu wissen, wie der andere sich verhalten wird.
Unabhängig vom Verhalten des jeweils anderen führt Defektion zu einer
höheren Auszahlung als Kooperation. Das Dilemma liegt darin, daß es für
jeden Spieler, unabhängig vom Verhalten des anderen, vorteilhafter ist,
zu defektieren, daß jedoch beiderseitige Defektion für jeden Spieler
ungünstiger ist als wechselseitige Kooperation.“ (S. 7).
Das soll als Beschreibung genügen, um eine allgemeine Idee zu haben.
Wer spezieller interessiert ist, der wird sicher zum Buch greifen und
nachlesen.
Das Modell enthält zwei Implikationen, die bedeutsam sind, wenn es um
mögliche Konsequenzen der Ergebnisse geht: (1) die Spieler treffen
immer wieder aufeinander, d.h. die Interaktion ist langfristig
(„Schatten der Zukunft“ wirken) und (2) es handelt sich um ein
Nicht-Null-Summen-Spiel.
In Computer-Turnieren, die ausgeschrieben wurden, um in diesem Rahmen
die „beste“ Strategie zu ermitteln, gewann „das einfachste aller
eingereichten Programme, nämlich TIT FOR TAT. Bei TIT FOR TAT
handelt es sich lediglich um die simple Strategie, mit Kooperation zu
beginnen und danach jeweils das zu tun, was der andere Spieler beim
vorherigen Zug getan hat.“ (S. VII)
Auch wiederholte Turniere führten immer wieder zu diesem Ergebnis und
Axelrod nutzt sein Buch, um auf dieser „empirischen Grundlage“ seine
Folgerungen zu entfalten, von denen ich im folgenden einige einfach
nennen möchte.
„Überraschenderweise gibt es eine einzige Eigenschaft, mit der relativ
erfolgreiche von relativ erfolglosen Teilnehmern unterschieden werden
können. Diese Eigenschaft besteht darin, freundlich zu sein, d.h. nicht
als erster zu defektieren“ (S. 29f). Damit in engem Zusammenhang steht
das, was Axelrod als „Nachsicht“ bezeichnet: „Nachsicht kann man
informell als die Neigung beschreiben, in den Zügen nach einer
Defektion des anderen Spielers zu kooperieren.“ (S. 32)
„TIT FOR TAT profitiert aus drei Gründen davon, daß es nicht ausgebeutet werden kann:
- Es gibt eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, auf TIT FOR TAT zu treffen.
-
Wenn man auf TIT FOR TAT trifft, ist es leicht zu erkennen.
-
Wenn man TIT FOR TAT erkannt hat ist es leicht einzusehen, daß man es nicht ausbeuten kann.
TIT FOR TAT profitiert also von der eigenen Verständlichkeit.“ (S. 47)
Um das Fazit noch einmal in Axelrods Worten zusammenzufassen: „Was den robusten Erfolg von TIT FOR TAT erklärt, ist die
Kombination, freundlich zu sein, zurückzuschlagen, Nachsicht zu üben
und verständlich zu sein. Freundlichkeit schützt vor überflüssigen
Scherereien. Zurückschlagen hält die andere Seite nach einer versuchten
Defektion davon ab, diese unbeirrt fortzusetzen. Nachsicht ist
hilfreich bei der Wiederherstellung wechselseitiger Kooperation.
Schließlich erleichtert Verständlichkeit die Identifikation und löst
dadurch langfristigen Kooperation aus“ (S. 48).
Axelrod bringt Beispiele aus der Geschichte, um die Wirksamkeit,
Praktikabilität und Plausibilität seines Modells zu beschreiben, ehe er
dann dazu kommt, Vorschläge zu benennen, die ich nach wie vor für Wert
halte, reflektiert und beachtet zu werden.
„Es handelt sich um vier einfache Vorschläge, wie man in einem dauerhaften iterierten Gefangenendilemma gut abschneidet:
- Sei nicht neidisch.
-
Defektiere nicht als erster.
-
Erwidere sowohl Kooperation als auch Defektion.
-
Sei nicht zu raffiniert. (S. 99).
Alle diese Ideen passen sehr gut auch in ein Alltagsverständnis
sozialer Interaktion und Umgangsformen, denke ich, und vor allem, sie
sind relativ einfach (nicht zu verwechseln mit leicht) umsetzbar.
Dazu passen noch einige wunderbare Aussagen, die für mich schon die
Bedeutung geflügelter Worte besitzen, z.B. „Das Leben ist meistens kein
Nullsummenspiel. Im allgemeinen können beide Seiten gut abschneiden
oder sie schneiden beide schlecht ab“ (S. 99). Oder: „In einer
Nichtnullsummen-Welt müssen Sie nicht besser sein als der andere
Spieler, um selbst gut abzuschneiden“ (S. 101).
Inwieweit die weiteren Anregungen „wie Kooperation gefördert werden
kann“ (S. 112ff) Ihre Zustimmung finden, steht auf einem anderen Blatt.
Ich finde die hier skizzierten Überlegungen, Modelle, Zahlen und
Versuche sowie die Schlussfolgerungen anregend genug, das eigene
Verhalten zu reflektieren und die eigene Interaktion unter diesen
Aspekten zu beleuchten. Das ist der Grund, weshalb ich die Lektüre
dieses Buches immer wieder empfehle.
Axelrod ist sich dabei durchaus im klaren darüber, dass es nicht darum
geht, so etwas wie „Gut-Menschen“ (mein Begriff, deshalb auch
Anführungszeichen) zu erziehen, denn „unbedingte Kooperation tendiert
dazu, den anderen Spieler zu verderben; sie beläßt die Bürde der
Besserung schädigender Spieler bei dem übrigen Teil der Gemeinschaft,
was es nahelegt, daß Reziprozität eine bessere Grundlage für Moralität
ist als unbedingte Kooperation“ (S. 122).
Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung und hoffe auf viele neugierige LeserInnen, die einiges ausprobieren.
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Eine weitere (englische) Buchbesprechung von Jane M. Orient für die Foundation of Economic Education
Die Website von Robert Axelrod mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen Papers, Links und anderen Materialien
Eine Materialseite zum Buch mit Software-Programmen, Dokumentationen, Bibliografien und anderem: Complexity of Cooperation Web Site
Die Seite des Center for the Study of Complex Systems
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Inhaltsverzeichnis:
I. Einführung
1. Das Problem der Kooperation
II. Die Entstehung der Kooperation
2. Der Erfolg von TIT FOR TAT in Computer-Turnieren
3. Die Chronologie der Kooperation
III. Kooperation ohne Freundschaft oder Voraussicht
4. Der Erste Weltkrieg: Leben und leben lassen im Stellungskrieg
5. Die Evolution der Kooperation in biologischen Systemen
IV. Vorschläge für Beteiligte und Reformer
6. Vorschläge für erfolgreiches Verhalten
7. Wie Kooperation gefördert werden kann
V. Schlussfolgerungen
8. Die Sozialstruktur der Kooperation
9. Die Robustheit der Reziprozität
Anhang A: Turnierergebnisse
Anhang B: Beweise der Theoreme
Nachwort
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