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16.10.2009
"Vom guten Leben in schwierigen Zeiten" - DGSF-Jahrestagung 2010
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Matthias Richter: Ein Verband tritt in Beziehung… Bericht von der 10. wissenschaftlichen Jahrestagung der DGSF
Vom 15.-18.9.2010 fand in Heidelberg die 10. wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) unter dem Titel „Vom guten Leben in schwierigen Zeiten“ statt. Rund 900 TeilnehmerInnen fanden sich zu dem Kongress in der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ein, mit dem die VeranstalterInnen vom Heidelberger Helm-Stierlin-Institut (HSI) durchaus ein Wagnis eingegangen waren: Würde es gelingen, mit einem eher untherapeutischen Thema und HauptrednerInnen aus Philosophie, Theologie, Wirtschaft und Politik die systemische Szene zu erreichen und zu interessieren?
Um es vorweg zu nehmen: Aus meiner Sicht ist dieses Experiment voll und ganz geglückt! Nicht nur die große Zahl der BesucherInnen, auch die organisatorische, atmosphärische und vor allem inhaltliche Gestaltung der Tagung waren ein voller Erfolg. Wie vier tragende Säulen ragten die Hauptvorträge aus dem Programm und bildeten nach und nach den Unterbau für das Dach, das die Veranstaltung überspannte. Unter diesem Dach wuselte das breite Spektrum der systemischen Theorie und vor allem Praxis in zahllosen Plena, Foren und Workshops sowie in Fachgruppen, im Verpflegungszelt oder an Büchertischen und Infoständen. Vom Altwerden (u.a. mit Henning Scherf) über selbstbestimmtes Lernen bis zur gelebten Solidarität, vom verantwortungsbewussten Führen bis zu Humor und Lust reichte hier das weite Themenspektrum.
Als erster Hauptredner sprach Wilhelm Schmid, freier Philosoph aus Berlin, über den „Sinn von Beziehungen in schwierigen Zeiten“. Es gelang ihm zu verdeutlichen, worin die Bedeutung von Beziehungen für Menschen auch und gerade in Zeiten sich auflösender traditioneller Beziehungsformen besteht: Im „Sinn auf allen Ebenen, körperlich, seelisch, geistig, transzendent“ (Programmheft, S.12). Damit lieferte er auch eine wesentliche Begründung dafür, dass sich ein Fachverband wie die DGSF selbst in Beziehung zur Außenwelt setzen muss, anderenfalls drohte der reine Selbstbezug.
Als zweiter Hauptreferent war Götz Werner eingeladen, Unternehmer und Professor am Karlsruher Institut für Technologie, der am Abend des ersten Tages mit seinem Plädoyer für ein „Grundeinkommen für Alle“ eingefahrene Denkmuster zu verstören verstand. In seinem launig und unterhaltsam vorgetragenen Referat blieb keine Realitätskonstruktion der Gesellschaftspolitik unerschüttert. Was Systemiker für sich beanspruchen, nämlich den Möglichkeitsraum zu erweitern, wurde hier in einer sehr konkreten Vision formuliert und es blieb nicht verborgen, welche Anstrengungen von jedem Einzelnen verlangt werden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass langfristiges gesellschaftliches Engagement unabdingbar ist, wenn „gutes Leben“ für alle das Ziel ist.
Die dritte Säule bildete Pater Anselm Grün, Cellerar der Benediktiner-Abtei in Münsterschwarzach, mit seinem Vortrag über „Spirituelle Führung“. Viele KongressbesucherInnen erwarteten ihn mit skeptischer Spannung und waren beeindruckt von seinem Auftritt. Überzeugend stellte er die Bedeutung von Werten für das menschliche Miteinander dar, besonders auch für den Bereich der Arbeitswelt, in der diese immer stärker hinter die materielle Orientierung zurück treten. Trotz klarer christlicher Orientierung, die er keinen Moment lang verbarg, vermied er jeden Ansatz von Missionierung und bezog seine Vorstellung von Menschlichkeit aus allen Religionen. Eine Diskussion darüber, wie sich Werteorientierung und das systemische Prinzip der Neutralität vereinbaren ließen, wäre sicher sehr spannend geworden.
Nachdem mit diesen Vorträgen Beziehungen in die Welten von Philosophie, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Spiritualität geknüpft waren, fehlte immer noch die Beziehung in die globalisierte Welt. Diese stellte zum Abschluss der Tagung die senegalesische Frauenrechtlerin Madjiguene Cissé her. Ihr Bericht über Mut, Begeisterung, Stolz und Würde afrikanischer Frauen, die ihre Lebensverhältnisse durch eigenes Handeln verbessern, berührte viele TagungsbesucherInnen und lieferte die nötige Relativierung zu den „schwierigen Zeiten“ im Tagungstitel. Die Kernsätze ihres Referates wie „Ein glückliches Leben kommt durch konkretes Tun“ oder „Veränderung kommt von jedem selbst“ stellten die Verbindung her zur Notwendigkeit, den gesellschaftlichen Kontext in den Blick zu nehmen. Sie schloss ihren Vortrag mit dem Satz „Solidarität ist das Schlüsselelement und gehört zum guten Leben!“ und schaffte es damit in einfacher und klarer Sprache eine Quintessenz des Kongresses zu ziehen. Nebenbei gelang ihr damit auch eine wunderbare Verbindung zwischen den vier Hauptvorträgen, mit denen die VeranstalterInnen den Verband erfolgreich in Beziehung zu anderen Umgebungen gesetzt haben.
Dafür herzlichen Dank! |
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