Thursday, August 23. 2012
 Mit Peggy Penn ist eine Altmeisterin der systemischen Familientherapie am 27.7. im Alter von 81 Jahren gestorben. Durch Workshops und Teilnahme an Tagungen war sie auch in den deutschsprachigen Ländern bekannt. Klaus Deissler und Harlene Anderson haben für systemagazin einen Nachruf verfasst, der neben ihren Beiträgen für die Psychotherapie vor allem die große Bedeutung thematisiert, die der Umgang mit Sprache für sie hatte, was sich auch in einigen Gedichtbänden niederschlug. Ihr Verlag CavanKerry Press bringt auf seiner website einen Auszug aus ihrem letzten Gedichtband "My Painted Warriors" (2012), der hier Peggy Penn zum Gedenken zu lesen ist: A Summer DayNew York City, September 2003The green cathedral, where I sit gulping air like water, in the body smell of summer, stretches nets of lace-light through trees to fall on my lap; one hand rests on the other. Ring fingers touch and hide a small arthritic spur. Rowed by women, the rowboats waste no time, sliding by in a gray Monet blur; the men lie trailing their hands in the water. Chaste girls paint their many toenails red, blue, and green, a feint of dance in pointillist dots. A wedding party scrambles over the hill; the Russian bride to bed the Irish groom with scoured cheeks. In red décolletage, bridesmaids vine themselves around a blue gazebo for photos. An old woman in a wheelchair and a fur, parrots like a rapper, “Hotdog, hotdog, . . .I wanna hotdog!” The groom helps his mother onto a rock, and they smile in their duet of not forgotten gratitudes.
Thursday, March 1. 2012
Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung Dieses Blumengewühls über dem Garten umher; Viele Namen hörest du an, und immer verdränget Mit barbarischem Klang einer den andern im Ohr. Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern; Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz, Auf ein heiliges Rätsel. O könnt ich dir, liebliche Freundin, Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort! - Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze, Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht. Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald ihn der Erde Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entläßt Und dem Reize des Lichts, des heiligen, ewig bewegten, Gleich den zartesten Bau keimender Blätter empfiehlt. Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbild Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt, Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos; Trocken erhält so der Kern ruhiges Leben bewahrt, Quillet strebend empor, sich milder Feuchte vertrauend, Und erhebt sich sogleich aus der umgebenden Nacht. Aber einfach bleibt die Gestalt, der ersten Erscheinung, Und so bezeichnet sich auch unter den Pflanzen das Kind. Gleich darauf ein folgender Trieb, sich erhebend, erneuere Knoten auf Knoten getürmt, immer das erste Gebild. Zwar nicht immer das gleiche; denn mannigfaltig erzeugt sich, Ausgebildet, du siehsts, immer das folgende Blatt, Ausgedehnter, gekerbter, getrennter in Spitzen und Teile, Die verwachsen vorher ruhten im untern Organ. Und so erreicht es zuerst die höchst bestimmte Vollendung, Die bei manchem Geschlecht dich zum Erstaunen bewegt. Viel gerippt und gezackt, auf mastig strotzender Fläche, Scheinet die Fülle des Triebs frei und unendlich zu sein. Doch hier hält die Natur, mit mächtigen Händen, die Bildung An und lenket sie sanft in das Vollkommnere hin. Mäßiger leitet sie nun den Saft, verengt die Gefäße, Und gleich zeigt die Gestalt zärtere Wirkungen an. Stille zieht sich der Trieb der strebenden Ränder zurücke, Und die Rippe des Stiels bildet sich völliger aus. Blattlos aber und schnell erhebt sich der zärtere Stengel, Und ein Wundergebild zieht den Betrachtenden an. Rings im Kreise stellet sich nun, gezählet und ohne Zahl, das kleinere Blatt neben dem ähnlichen hin. Um die Achse gedrängt, entscheidet der bergende Kelch sich, Der zur höchsten Gestalt farbige Kronen entläßt. Also prangt die Natur in hoher, voller Erscheinung, Und sie zeiget, gereiht, Glieder an Glieder gestuft. Immer staunst du aufs neue, sobald sich am Stengel die Blume Über dem schlanken Gerüst wechselnder Blätter bewegt. Aber die Herrlichkeit wird des neuen Schaffens Verkündung. Ja, das farbige Blatt fühlet die göttliche Hand; Und zusammen zieht es sich schnell; die zartesten Formen, Zwiefach streben sie vor, sich zu vereinen bestimmt. Traulich stehen sie nun, die holden Paare, beisammen, Zahlreich ordnen sie sich um den geweihten Altar. Hymen schwebet herbei, und herrliche Düfte, gewaltig, Strömen süßen Geruch, alles belebend, umher. Nun vereinzelt schwellen sogleich unzählige Keime, Hold in den Mutterschoß schwellender Früchte gehüllt. Und hier schließt die Natur den Ring der ewigen Kräfte; Doch ein neuer sogleich fasset den vorigen an, Daß die Kette sich fort durch alle Zeiten verlänge, Und das Ganze belebt, so wie das Einzelne, sei. Wende nun, o Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel, Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt. Jede Pflanze verkündet dir nun die ewgen Gesetze, Jede Blume, sie spricht lauter und lauter mit dir. Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern, Überall siehst du sie dann, auch in verändertem Zug. Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig, Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt. O, gedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft Nach und nach in uns holde Gewohnheit entsproß, Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern enthüllte, Und wie Amor zuletzt Blüten und Früchte gezeugt. Denke, wie mannigfach bald die, bald jene Gestalten, Still entfaltend, Natur unsern Gefühlen geliehn! Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe Strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen auf, Gleicher Ansicht der Dinge, damit in harmonischem Anschaun Sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt.
Johann Wolfgang von Goethe (1798)
Saturday, January 14. 2012
Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Café am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.
(Erich Kästner)
Saturday, July 16. 2011
Mein Körper ist ein schutzlos Ding, wie gut, daß er mich hat. Ich hülle ihn in Tuch und Garn und mach ihn täglich satt. Mein Körper hat es gut bei mir, ich geb' ihm Brot und Wein. Er kriegt von beidem nie genug, und nachher muß er spein. Mein Körper hält sich nicht an mich, er tut, was ich nicht darf. Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang, ihn machen Körper scharf. Mein Körper macht nur, was er will, macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn. Ich wasche und beschneide ihn von hinten und von vorn. Mein Körper ist voll Unvernunft, ist gierig, faul und geil. Tagtäglich geht er mehr kaputt, ich mach ihn wieder heil. Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank, er tut mir manchmal weh. Ich bring ihn trotzdem übern Berg und fahr ihn an die See. Mein Körper ist so unsozial. Ich rede, er bleibt stumm. Ich leb ein Leben lang für ihn. Er bringt mich langsam um.
(Robert Gernhardt)
Saturday, December 25. 2010
 Mutter ist nervös Vater ist nervös Kind ist nervös Oma ist nervös Oma ist gekommen um Mutter zu helfen Vater hat gesagt sei nicht nötig gewesen Kind steht im Weg Mutter steht im Weg Oma steht im Weg Vater steht im Weg Alle ham geschafft mit allerletzter Kraft Vater hat gebadet Mutter hat gebadet Kind hat gebadet Oma hat gebadet Alle ham gepackt Und alle sind gerannt Und schließlich hat Der Baum gebrannt Mutter ist gerührt Vater ist gerührt Kind ist gerührt Oma ist gerührt Und dann werden Die Pakete aufgeschnürt Mutter ist gekränkt Vater ist gekränkt Kind ist gekränkt Oma ist gekränkt Denn jeder hat dem anderen Was Falsches geschenkt Schwiegertochter kommt Patentante kommt Lieblingsbruder kommt Großneffe kommt Kuchen ist zu süß Plätzchen sind zu süß Marzipan ist zu süß Und der Baum ist mies Mutter ist beleidigt Vater ist beleidigt Kind ist beleidigt Oma ist beleidigt Friede auf Erden Und den Menschen ein Unbehagen Vater hat‘s am Magen Mutter hat‘s am Magen Kind hat‘s am Magen Oma hat‘s am Magen Kann nichts mehr vertragen Nach all diesen Tagen Mutter ist allein Vater ist allein Kind ist allein Oma ist allein Alle sind allein Doch an Ostern Wollen alle In jedem Falle Wieder zusammen sein. Hanns Dieter Hüsch (Foto: Wikipedia)
Sunday, October 31. 2010
PLÖTZLICH HABEN KÜRBISSE GESICHTER. SCHIEFE ECKZÄHNE. BREITES GRINSEN. "TRICK OR TREAT" SCHALLT ES VOR MEINER WOHNUNGSTÜR. DIE KINDERSCHAR ERSCHRECKT MICH VORZÜGLICH. LUTSCHER, KAUBONBONS VERSCHWINDEN FLUGS IN PLASTIKBEUTELN. AM LIEBSTEN WÄRE ICH MIT DEN KNIRPSEN GERANNT. GRUSELVERKLEIDUNG, UM HERZEN ZU ÖFFNEN. VON TÜR ZU TÜR. "SÜßES ODER SAURES" GESCHRIEN. SÜßES ERBETTELN. BIS MIR SCHLECHT WIRD DAVON. ALLES GLÜCK PASST IN EINE TÜTE. ZUMINDEST EINMAL IM JAHR. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, October 17. 2010
LETZTEN SAMSTAG WAR PREMIERE. 14 JAHRE ZU SPÄT. NIEMAND HAT ES BEMERKT. SAAL VOLLER BEGIERDEN IN ALTEN HÄUTEN. HETZJAGD FÜR EINE SCHNELLE NACHT VOLLER SELBSTBETRUG. AUS NEIN WIRD JA. NOCH EINMAL DAS FIEBER SPÜREN. MUSIK UND GEFÜHLE AUS DER KÜHLTRUHE. FLEISCHESLUST KLEBT AUF DEM TANZBODEN. "TAXI ! TAXI ! TAXI !" ALLEIN NACH HAUSE GEHEN IST HIER WIRKLICHE GRÖßE. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, October 10. 2010
DA WOLLTE ICH UNBEDINGT HIN. KEINE AHNUNG WESHALB. ES WAR EINFACH DA. ANGEKOMMEN. LIEF ICH DURCH DIE ALTE STADT. FAND DAS JÜDISCHE VIERTEL. EHRWÜRDIGER FRIEDHOF. EIN HEKTAR KLEIN. GEBEINE VON 100.000 MENSCHEN. ALLES SCHIEN IM NEBEL. AUßEN UND INNEN. AM MATZEVAH VON RABBI LÖW ENTDECKTE ICH DEN STEIN IN MEINER JACKENTASCHE. NAHM DIESEN KURZ VOR DER ABFAHRT ZU MIR. OHNE ZU WISSEN WOZU. SAH DIE VIELEN FREMDEN STEINE AUF DEM GRAB. WÜNSCHE AUF PAPIER DARUNTER. SCHRIEB AUCH DIE MEINIGEN AUF. EIN GUTER MENSCH WERDEN. EINE FRAU FINDEN. LIEBEN LERNEN. ANKOMMEN IN DIESER WELT. VATER WIEDERSEHN. BEHUTSAM LEGTE ICH DAS STÜCK PAPIER UNTER MEINEN STEIN. AUF DAS GRAB. ICH HOFFTE AUF DIE NÄCHTLICHE KRAFT GOLEMS. SEIN WERK IST NOCH NICHT BEENDET. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, October 3. 2010
ALLES HERUM STILLE. LICHTLOS MACHT SICH MEIN HERZ DAVON. ZÜRNT DEN VERSPRECHEN DER LIEBE. ZERTRAMPELT DIE BLUMEN IM PARK. SCHRECKT VOGELS NACHTSCHLAF. SPRINGT DER WELT INS GESICHT. KOMMT MORGENS GESCHUNDEN ZURÜCK. BEREIT. FÜRS TAGESWERK IN MEINER BRUST. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, September 26. 2010
DA LIEGT SIE AM BODEN. SÜSSES FALLOBST. FAST NOCH ZU GENIESSEN. ABER, VIEL ZU SÜSS. DEN KRÄHEN IST ES EGAL. (LABEN SICH) SPATZEN NEIDISCH AUF DEM ZAUN. HINTERM HAUS. SCHWARZGEFIEDERTE GIER. AUF UND DAVON. NOCH EINMAL BIS ZUM HIMMEL. SCHWARZE PUNKTE HOCH ÜBER DEN BÄUMEN. UND PLÖTZLICH HAT DER HIMMEL SOMMERSPROSSEN. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, September 19. 2010
JETZT, WO ICH MICH NICHT MEHR VERSTECKEN MUSS, FEHLT MIR DIE LUST AM DRAUßEN. DAS HOCKEN IN MIR KLEBRIGER BREI. AQUARIUM MIT DECKEL. DIE KLINKE AN MEINER WOHNUNGSTÜR VERROTTET ZUR ONE-MAN-SHOW. KANN MICH NICHT MAL SELBST ANRUFEN. STÄNDIG BESETZT. JAHRESZEITEN. ZIEHEN WIE EIN ALTER KLASSIKER AN MEINEN FENSTERN ENTLANG. HELLDUNKEL. KALTWARM. LAUTLEISE. NAHFERN. MEINE SEHNSUCHT PACKT LANGSAM IHRE SACHEN. WERDE NIMMER IM WEG STEHEN. NEHME ES NICHT KRUMM. VIELLEICHT SCHICKT SIE MIR EINE POSTKARTE. HAB'S VERSPROCHEN. TÄGLICH ZUM BRIEFKASTEN UND IMMER SCHÖN DIE LEUTE GRÜßEN! (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Sunday, September 12. 2010
DIE MEISTEN TRAUERN RÜCKWÄRTS. BEI IHM IST DAS ANDERS. WIE SO VIELES ANDERE AUCH. VORWÄRTSTRAUER. SEINE TRAUER RENNT VOR IHM HER. KENNT SEINE WEGE LANGE VOR IHM. ER TRAUERT UM DIE TAGE UND NÄCHTE DANACH. GETRENNTE URLAUBE. EINSAME ATEMZÜGE IM TÄGLICHEN KAMPF. TRAURIGE KILOMETER ZWISCHEN IHNEN. IHN PEINIGT KOMMENDER SCHMERZ DER JAHRE, DIE VOR IHM LIEGEN. WENN ER NACH VORN SCHAUT, SIEHT ER IHRE WÜNSCHE WAHR WERDEN. JENSEITS VON IHM. VERSCHLOSSENE WELT. DARIN GEFANGEN MIT JEDEM HERZSCHLAG. (Jens Borrmann, " Dornblüthe")
Thursday, June 17. 2010
 Eleanor Rosch (Foto: buddhiststudies.berkeley.edu), die mit ihrer "Prototypentheorie" wesentliche Beiträge zum Verständnis der Kategorienbildung beim Menschen geleistet und dieses Thema damit aus den philosophischen Logik-Diskursen herausgeführt hat, ist hierzulande am ehesten über ihre Zusammenarbeit mit Francisco Varela (" Der mittlere Weg der Erkenntnis") bekannt geworden. C. Otto Scharmer hat sie 1999 über ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Hinwendung zum Buddhismus in einem schönen Interview befragt, das auf der website dialogonleadership.org zu lesen ist. Rosch: "categorization is one of the most basic functions of living creatures. We live in a categorized world -- table, chair, male, female, democracy, monarchy -- every object and event is unique, but we act towards them as members of classes. Prior to my work, categories and concepts were simply assumed, from philosophy, to be something explicit and formal, that is, to be arbitrary logical sets with defining features and clear-cut boundaries. This is what is now called the classical view of categories, which comes down from Aristotle through Locke and the British empiricists. In a nutshell it's the idea that categories and concepts are matters of logic; they are clearly bounded sets; something either is or is not in the category. It is in the category if it has certain defining features, and if it doesn't, then it's outside the category. When psychologists did research on concept learning, they used artificial concepts and sets of artificial stimuli that were constructed so that they formed little micro-worlds in which those prevailing beliefs about the nature of categories were already built in. Then they'd do their learning experiments. But what they found out in terms of the nature of categories was already a foregone conclusion because that was what they had already built into it. (…) For most categories nobody would argue that there's a clear physiological basis, and you wouldn't expect the content of the categories to be universal. What is universal, I argued, was the structure of categories and the processes by which category systems are formed. Categories have what I called a graded structure of better and worse examples, and many categories have unclear boundaries. Categories have prototypical best examples which get formed in various ways, but for any category, absolutely any category, and for people in all cultures where this has been done, if you ask them if X or Y is a better example of their concept of Z, they will cheerfully tell you which is better, just as you did for the color red." Zum vollständigen Text…
Wednesday, April 28. 2010
Professor Bumke hat neulich Menschen erfunden, die kosten zwar, laut Katalog, ziemlich viel Geld, doch ihre Herstellung dauert nur sieben Stunden, und außerdem kommen sie fix und fertig zur Welt! Man darf dergleichen Vorteile nicht unterschätzen. Professor Bumke hat mir das alles erklärt. Und ich merkte schon nach den ersten Worten und Sätzen: Die Bumkeschen Menschen sind das, was sie kosten, auch wert. Sie werden mit Bärten oder mit Busen geboren, mit allen Zubehörteilen, je nach Geschlecht. Durch Kindheit und Jugend würde nur Zeit verloren, meinte Professor Bumke. Und da hat er ja recht. Er sagte, wer einen Sohn, der Rechtsanwalt sei, etwa benötige, brauche ihn nur zu bestellen. Man liefre ihn, frei ab Fabrik, in des Vaters Kanzlei, promoviert und vertraut mit den schwersten juristischen Fällen. Man brauche nun nicht mehr zwanzig Jahre zu warten, daß das Produkt einer unausgeschlafenen Nacht auf dem Umweg über Wiege und Kindergarten das Abitur und die übrigen Prüfungen macht. Es sei ja auch denkbar, das Kind werde dumm oder krank. Und sei für die Welt und die Eltern nicht recht zu verwenden. Oder es sei musikalisch! Das gäbe nur Zank, falls seine Eltern nichts von Musik verständen. Nicht wahr, wer könne denn wirklich wissen, was später aus einem anfangs ganz reizenden Kinde wird? Bumke sagt, er liefre auch Töchter und Väter. Und sein Verfahren habe sich selten geirrt. Nächstens vergrößre er seine Menschenfabrik. Schon heute liefre er zweihundertneunzehn Sorten. Mißlungene Aufträge nähm er natürlich zurück. Die müßten dann nochmals durch die verschiednen Retorten. Ich sagte: Da sei noch ein Bruch in den Fertigartikeln, in jenen Menschen aus Bumkes Geburtsinstitute. Sie seien konstant und würden sich niemals entwickeln. Da gab er zur Antwort: »Das ist ja grade das Gute!« Ob ich tatsächlich vom Sichentwickeln was halte? Professor Bumke sprach’s in gestrengem Ton. Auf seiner Stirn entstand eine tiefe Falte. Und dann bestellte ich mir einen vierzigjährigen Sohn. Erich Kästner (1932)
Tuesday, January 5. 2010
 Einen Ort, nicht zu nah, nicht zu weit. Ein Paar Schuhe, die halten gegen jene, die die Freiheit verwalten. Etwas Schnaps für die Ewigkeit. Eine Liebe, die dazugehört, indem sie stört. Einen Mond, der blöd vor sich hin stiert. Ein Gefühl, als wär ich in Reykjavík, das mich neu gebiert. Einen Schutzengel, der mich nicht belästigt. Die Erinnerung: das Nichts hat meine Überzeugung gefestigt. Ein Abendmahl, daß der Tisch sich biegt. Und eine Wahrheit, die mich zum Ort hinüberlügt. (Ankunft Konjunktiv. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1997; © Franz Hodjak)
Wednesday, December 30. 2009
Ein Anruf Liege in der Badewanne und lese wieder einmal Celines >Reise ans Ende der Nacht<. Das Telefon klingelt. Ich steige raus, schnappe mir ein Handtuch. Es ist einer von SMART SET, er möchte wissen, wie es in letzter Zeit in meinem Briefkasten aussieht, und in meinem Leben. Gähnende Leere, sage ich, im Briefkasten wie im Leben. Er denkt, ich verschweige ihm etwas. Hoffentlich hat er recht.
Charles Bukowski, Der größte Verlierer der Welt - Gedichte 1968-1972
Sunday, November 22. 2009
OB ICH IN DEN HIMMEL ODER DIE HÖLLE KOMMEN WERDE IST OFFEN LETZTLICH IST ES EGAL BEI MEINEM GLÜCK BLEIBT DER FAHRSTUHL SOWIESO AUF DEM WEG DAHIN STECKEN (Jens Borrmann, " Wasserflecken")
Sunday, November 15. 2009
WENN ICH NUR EIN GEDICHT DANACH SCHREIBEN KÖNNTE ALLE GESPROCHENEN WÖRTER STÄNDEN ZUR AUSWAHL ALLE GELEBTEN GEFÜHLE OBEN DRAUF DER RÜCKSPIEGEL REICH GEFÜLLT MIT DEM LEBEN DAVOR (Jens Borrmann, " Wasserflecken")
Wednesday, November 11. 2009
Ich fasse zu, an, auf, die Gelegenheit fasse ich in Worte, ins Auge, in Verse, beim Schopf, ich befasse mich, bin der Auffassung, dass ich gefasst bin, auf alles gefasst.
Aber das ist nicht alles.
Es ist nur die Rohfassung. Ich bewahre sie, fasse mich, fasse mich kurz, in Geduld, fasse Hass, Fuß, Zutrauen, Essen, Mut, einen Vorsatz, eine Brille, einen Entschluss.
Wie die Glühbirne ringe ich nach Fassung, kann mich vor Freude, vor Uberraschung kaum fassen.
Aber das ist nicht alles.
Manches entgeht mir, ich schlüpft durch, es entzieht sich, ist weg. Schon bin ich aus der Fassung gebracht, kann mir kein Herz mehr, keinen klaren Gedanken, lasse, was nicht zu fassen ist, fallen, falle, lasse mich fallen, alles, was der Fall ist, lasse ich, ein Fass ohne Boden, auf sich beruhn.
(Aus dem Gedichtsband "Zukunftsmusik" von Hans Magnus Enzensberger, der heute 80 Jahre alt wird)
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