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Thursday, October 29. 2009
 Wer sich für die Themen Nachhaltigkeit und sozial-ökologische Perspektiven auf Risiken „einfachen“ Intervenierens interessiert, der dürfte auf einer Website zur Sozial-ökologischen Forschung fündig werden, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Zwar ist grundsätzlich ein kritischer Blick angemessen, wenn offizielle Politik sich (auch wichtiger) Themen annimmt, doch scheint mir in diesem Fall ein guter Rahmen geschaffen. Dass es sich hierbei um einen Versuch handelt, möglichst viele Interessen unter einen Hut zu bekommen, lässt sich aus folgenden Bemerkungen zur Zielsetzung herauslesen: „Ziel des Förderschwerpunktes ist die Entwicklung von Strategien zur Lösung konkreter gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsprobleme: z.B. zur Umsetzung der "Agrarwende", der Verbesserung der Ernährung der Bevölkerung, der Liberalisierung netzgebundener Ver- und Entsorgungssysteme (z.B. Wasser, Energie) und Emissionshandel. Eine derartige Forschung erfordert ein Zusammenwirken der Wissenschaftler/-innen der Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Dabei werden gesellschaftliche Akteure - z.B. Verbraucher/-innen, Kommunen, Unternehmen und Nichtregierungs-Organisationen - in den Forschungsprozess einbezogen. Damit soll der ökologische Umbau der Gesellschaft unterstützt werden, ohne dabei die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftlichen Belange aus den Augen zu verlieren“. Zur Startseite geht es hier.
Von besonderem Interesse scheint mir ein Kapitel über „Strategien zum Umgang mit systemischen Risiken“ zu sein. Systemische Risiken sind „durch ein hohes Maß an Komplexität, Ungewissheit und Ambiguität gekennzeichnet“. Außerdem „lösen isolierte Risikovermeidungsstrategien ihrerseits häufig Folgerisiken in anderen Systemen aus“. Wie wahr, und es dürfte von Interesse sein, zu welchen Schlussfolgerungen belastbare Ergebnisse anregen werden, wenn das entsprechende Projekt weiter fortgeschritten ist. Zu diesem Teil der website geht es hier.
Als ein Beispiel wird u.a. auf ein Projekt zum Thema " Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ hingewiesen. "Übergewicht und Adipositas werden in diesem Projekt exemplarisch als ein systemisch wirkendes, verhaltensinduziertes Risiko verstanden“. Die Laufzeit des Projekts geht noch bis Ende des Jahres 2009.
Spannend dürfte eine Tagung gewesen sein, die auf Initiative der Querschnittsarbeitsgruppe "Partizipation" im September 2005 durchgeführt wurde. Thema: " Partizipation und Nachhaltigkeit - Der Teufel steckt im Detail“. Unter anderem gab es dort einen Vortrag von Angela Oels (Institut für Politikwissenschaft der Universität. Hamburg). Frau Oels diskutiert hier " Nachhaltigkeit, Partizipation und Macht – oder: warum Partizipation nicht unbedingt zu Nachhaltigkeit führt“.
Tuesday, October 20. 2009
Ich weiß nicht mehr genau, wie es kam, dass mir eines Tages ein Buch von Eric Hoffer in die Hände fiel. Das Buch hieß „Die Angst vor dem Neuen“, 1968 als rororo-Bändchen in der Enzyklopädie-Reihe herausgekommen. Im Original war es bereits 1952 erschienen unter dem anders akzentuierenden Titel „The Ordeal of Change“. Was man über Hoffer (1902-1983) als Person lesen kann, finde ich ungemein spannend. Als Kind erblindet, als Jugendlicher plötzlich wieder sehend, ein Autodidakt erster Güte, der sich immer wieder als Gelegenheitsarbeiter verdingte, jedes Mal nur so lange, bis er wieder genügend Geld hatte, um in Ruhe lesen und studieren zu können. Hannah Arendt hat die Begegnung mit ihm so fasziniert, dass sie in einem ihrer Briefe an Karl Jaspers geradezu enthusiastisch davon berichtet. Hoffers Betrachtungen mögen aus postmoderner Sicht freaky wirken, altmodisch, vielleicht auch pathetisch, ein moderner Diogenes. Irgendwie nicht zu vereinnahmen, auch wenn er wohl in den USA seinerzeit manchem Politiker als Berater galt. In meiner Vorbereitung auf die Bochumer SG-Tagung zu fremden wie eigenen Blicken spielte mir der irgendwie gewollte Zufall das Bändchen wieder in die Hände und zwei Abschnitte daraus wären mein heutiges Zitat des Tages: „Die durch eine Krise ausgelösten Energien sind gewöhnlich auf rein zweckbedingtes Handeln und auf die Nutzanwendung bereits bekannter Praktiken ausgerichtet.“ „Der verzweifelte Kampf um die nackte Existenz übt eher einen statischen als einen dynamischen Einfluß aus. Die dringende Suche nach den unmittelbar notwendigen Dingen hört praktisch auf, sobald wir nur etwas einigermaßen Angemessenes gefunden haben, die Suche nach den nicht unmittelbar notwendigen Dingen setzt sich dagegen endlos fort. Daraus ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß sich die unentwegtesten und spektakulärsten Bemühungen des Menschen nicht auf die notwendigen Dinge bezogen, sondern auf die überflüssigen. Erinnern wir uns daran, daß die Entdeckung Amerikas nur eine Nebenerscheinung der Suche nach Ingwer, Gewürznelken, Pfeffer und Zimt gewesen ist...“aus: Eric Hoffer (1968): „Die Angst vor dem Neuen. Freiheit als Herausforderung und Aufgabe“. Reinbek: rororo; Zitate S. 97 u. S. 98
Friday, October 16. 2009
 Natürlich war früher nicht alles besser, die normative Enge der 19fünfziger Jahre etwa möchte ich nicht gerne noch einmal erleben. Anderes wiederum scheint mir verloren heutzutage. Manchmal taucht durch Zufall wieder etwas auf. Ein solcher Zufall war, dass ich kurz vor dem Hundertjahrjahr für Hannah Arendt noch einmal auf Günter Gaus‘ legendäre Interviewreihe stieß, die er in den 1960er Jahren im Fernsehen brachte, bis heute mit das Beste, was ich an Gesprächskultur televisionär erlebt habe. Ich fand noch die beiden Bände im Antiquariat, in denen die Interviews abgedruckt erschienen. Unter anderem gab es damals ein Gespräch zwischen Gaus und Hannah Arendt und aus diesem Gespräch möchte ich ein Zitat weitergeben. Mir scheint, dass sich hier eine schöne (gute, respektvolle) Zusammenfassung findet von etwas, was sich als eine systemische Haltung gut anlassen würde. Das Zitat: "GAUS: Erlauben Sie mir eine letzte Frage. In einer Festrede auf Jaspers haben Sie gesagt: „Gewonnen wird die Humanität nie in der Einsamkeit und nie dadurch, daß einer sein Werk der Öffentlichkeit übergibt. Nur wer sein Leben und seine Person mit in das Wagnis der Öffentlichkeit nimmt, kann sie erreichen.“ Dieses „Wagnis der Öffentlichkeit“ – ein Zitat von Jaspers wiederum -: worin besteht es für Hannah Arendt? ARENDT: Das Wagnis der Öffentlichkeit scheint mir klar zu sein. Man exponiert sich im Lichte der Öffentlichkeit, und zwar als Person. Wenn ich auch der Meinung bin, daß man nicht auf sich selbst reflektiert in der Öffentlichkeit erscheinen und handeln darf, so weiß ich doch, daß in jedem Handeln die Person in einer Weise zum Ausdruck kommt wie in keiner anderen Tätigkeit. Wobei das Sprechen auch eine Form des Handelns ist. Also das ist das eine. Das zweite Wagnis ist: Wir fangen etwas an; wir schlagen unseren Faden in ein Netz der Beziehungen. Was daraus wird, wissen wir nie. Wir sind alle darauf angewiesen zu sagen: Herr vergib ihnen, was sie tun, denn sie wissen nicht, was sie tun. Das gilt für alles Handeln. Einfach ganz konkret, weil man es nicht wissen kann. Das ist ein Wagnis. Und nun würde ich sagen, daß dieses Wagnis nur möglich ist im Vertrauen auf die Menschen. Das heißt, in einem – schwer genau zu fassenden, aber grundsätzlichen – Vertrauen auf das Menschliche aller Menschen. Anders könnte man das nicht.“ [aus: Hannah Arendt/ Günter Gaus: Was bleibt? Es ist die Muttersprache. In: Günter Gaus 1964. Zur Person. Porträts in Frage und Antwort. Band I. München: Feder Verlag, S.15-32. Zitat S.31f.]
Tuesday, October 13. 2009
Die Unverfrorenheit, mit der einem Lebenswendungen manchmal die postmoderne Selbstironie oder wellnessvermurkste Lebensweisheiten vom Teller fegen – wenn nicht um die Ohren hauen -, könnte einem konstruktivistische Ideen zum Umgang damit womöglich wie das Pfeifen im Walde erscheinen lassen. Vielleicht hat das ja etwas damit zu tun, dass auch konstruktivistisches Denken seinen Preis hat und nicht davor bewahrt, mit einem Bein mit in die Hölle zu steigen, während das andere im Möglichkeitenland seinen Stand zu halten versucht, wie Bill O’Hanlon das einmal so schön auf den Punkt brachte. Die Gewissheit eines zweiten Beins wäre dann eine Frage für sich, und womöglich wäre dann die eigene Basis für den Umgang mit dem Ungewissen eine ebenfalls nicht zertifizierbare Größe. Als ich kürzlich, aus einem gegebenen Anlass, noch einmal Lynn Hoffmans 1996 in deutscher Übersetzung erschienene Aufsatzsammlung über „Therapeutische Konversationen“ durchblätterte und meinen damaligen Lesespuren folgte, stellte sich wieder ein Gespür dafür ein, dass es möglich ist, sich den Dingen zu stellen, ohne die „Dinge“ beherrschen zu können und dennoch etwas tun zu können. Ich habe für die „Zitatestages“-Rubrik daher einen kleinen Passus ausgewählt. Es handelt sich um eine Passage aus einem Interview, das Richard Simon für den Family Therapy Networker im Jahr 1988 mit Lynn Hoffman führte. Geschenkt, dass die in diesem Passus erlebbare Haltung wenig zu tun hat mit so etwas wie Erfordernissen einer sachzwanggerechten Anpassung an Verteilungsmechanismen, doch in einem ist sie im klaren Vorteil: mehr Transparenz geht nicht. Das Zitat: „Frage: Könnten Sie ein klinisches Beispiel geben, wie Sie ihre philosophische Haltung des Konstruktivismus in die Praxis umsetzen? Hoffman: Okay. Ich werde Ihnen von einer Mutter und ihrer jungen erwachsenen Tochter berichten, die vor drei Jahren zu mir kamen, nachdem eine gewaltige Auseinandersetzung sie auseinander gebracht hatte. Die Familie war diese kleine Insel der drei Frauen gewesen - Großmutter, Mutter und Tochter -, aber nachdem die Großmutter gestorben war, wollte die Mutter, daß die Tochter mehr für sie da war. Die Tochter, die schon alleine lebte, blockte ab und sagte: „Ich muß mein eigenes Leben leben“. So hatten sie diesen großen Streit und sahen sich nicht mehr. Sie suchten schon einmal eine TherapeutIn auf, um einige Dinge zu regeln, aber sie begannen, sich wieder zu streiten. Nach einigen Sitzungen, in denen es mißlang, sie zu versöhnen, fragte ich mich, ob ich ihren Konflikt wirklich verstanden hatte. So teilte ich den beiden Frauen mit, daß ich glaubte, in die falsche Richtung gegangen zu sein. Mein Versuch, sie zusammen zu bringen, könnte für sie das schlimmste auf der Welt gewesen sein. Ich sagte ihnen auch, daß ich vielleicht nicht die richtige Therapeutin für sie bin, weil meine eigenen erwachsenen Töchter sich von mir entfremdet hatten. Ich sagte dies aus dem Grund, weil ich vielleicht zu sehr versucht hatte, sie zusammen zu bringen. Ich fühlte mich zunehmend ungehalten über die Mutter, weil sie so wütend war, aber nachdem ich meinen Ärger ausgedrückt hatte, fühlte ich, wie mein eigener Ärger verschwand. Das erste, was die Mutter danach zu mir sagte, war: „Warum bezahlen wir Sie dann für die Therapie?“ Eine Weile später wandte sie sich aus heiterem Himmel ihrer Tochter zu und sagte: „Ich möchte, daß Du weißt, daß ich Dich nicht für meine Depressionen seit Omas Tod verantwortlich mache.“ Danach hatten Mutter und Tochter ihr erstes positives Gespräch nach drei Jahren. Frage: Ich bin mir nicht sicher, inwiefern dieser Fall konstruktivistisches Denken widerspiegelt.Hoffman: Ich glaube insoweit, daß ich zurücktrat und mich daran erinnerte, welcher Teil meiner eigenen „Geschichte“ mich beeinflußt haben könnte und diese Reflexion mitteilte. Früher hätte ich das Paar als mir "Widerstand Leistende" bezeichnet und hätte mir wahrscheinlich ein paar Gegenmanöver ausgedacht. Ich hätte nicht auf meine Gefühle geachtet. Besonders hätte ich nicht meine Schwierigkeiten mit meinen Töchtern diskutiert. Natürlich gab es auf der Ebene der Techniken einiges, das man als „konstruktivistisch“ bezeichnen könnte. Zum Beispiel, wie Mutter und Tochter „Wirklichkeit“ konstruierten, war nicht besonders hilfreich, deshalb bot ich einen anderen Weg an, sie zu konstruieren, so daß sich beide wohl fühlten. Das Problem war immer noch da, aber ich versuchte, seine Bedeutung zu verschieben. Aber meine Haltung unterschied sich von der aus früherer Zeit. Als ich aufhörte, eine „Expertin“ zu sein, wurde ich auch weniger distanziert und anonym. Ich zeige jetzt eine viel persönlichere Seite von mir, und ich gebe Fehler zu, wenn ich im Unrecht war. So viele Familientherapiemodelle halten an TherapeutInnen fest, die auf der Bergspitze stehen, oder sich hinter einem Spiegel verstecken. Ich fühle mich damit zunehmends unwohler.“ (Zitat aus: Lynn Hoffman (1996) Wie eine freundliche Herausgeberin: Richard Simon interviewt Lynn Hoffman. In: Therapeutische Konversationen. Von Macht und Einflußnahme zur Zusammenarbeit in der Therapie – Die Entwicklung systemischer Praxis“, Dortmund verlag modernes lernen; Zitat S.85-86. Das Buch ist Band 13 der Serie „systemische studien“, eine von Jürgen Hargens bis vor wenigen Jahren auf den Weg gebrachte Sammlung. Das waren noch Zeiten)
Tuesday, September 15. 2009
 Ich habe Wittgenstein nie vertieft studiert, und das, was ich – fragmentiert – aus seinen Schriften kennenlernte, nicht wirklich verstanden. Da aber der von mir sehr geschätzte Steve de Shazer immer wieder auf ihn zu sprechen kam, und Matthias Varga von Kibéd, von dem ich viel halte, über Wittgenstein spricht, als sei das so verständlich wie grundlegend, und weil die Idee des Nichtwissens, aus konstruktivistisch-systemischer Sicht so vertraut erscheint wie verstörend, habe ich einmal Vertrauen gefasst in die Möglichkeit, ein Buch von Wittgenstein zu lesen. Das ist natürlich Unsinn. Ich kann kein Buch von Wittgenstein lesen. Aber ich habe die Sätze dieses Buches gelesen, alle, und darüber nachgedacht, und ich war fasziniert und verstört, und hoffte, er habe nicht in allem recht, oder ich möge gescheiter werden, eines Tages, vielleicht. Das Buch, aus dem ich nicht ein, sondern wegen der jeweiligen Kürze, drei Zitate vorstellen möchte, ist: Ludwig Wittgenstein (1970) Über Gewißheit (hgg. Von G.E.M. Anscome & G.H. von Wright). Frankfurt/M.: Suhrkamp (BS 250) „321. Ich sage doch: Jeder Erfahrungssatz kann umgewandelt werden in ein Postulat – und wird dann eine Norm der Darstellung. Aber auch dagegen habe ich ein Misstrauen“ […./ S.84] „356. Mein „Seelenzustand“, das Wissen, steht mir nicht gut für das, was geschehen wird. Er besteht aber darin, dass ich nicht verstünde, wo ein Zweifel ansetzen könnte, wo eine Überprüfung möglich wäre“ [S.94] „378. Das Wissen gründet sich am Schluß auf der Anerkennung“ [S.99] Die Zitate habe ich ausgewählt, weil ich jetzt denke, ja, Wittgenstein könnte wirklich etwas bedeuten für das Studieren Systemischer Perspektiven. Aber wohl nicht ohne weiteres. Hatte ich „studieren“ gesagt? Whatyamean?
Friday, September 11. 2009
 Vor einigen Jahren ging ich einem Interesse nach und folgte der Spur „1951“. Ein anderes Interesse wanderte latent mit und so fiel mir ein Buch von Johannes Cremerius auf mit dem Titel „Psychotherapie als Kurzbehandlung". Meine einstmals einäugige Zustimmung zu „Lösungsorientierung“ in Verbindung mit Kurztherapie als therapeutischem Credo hatte zu dieser Zeit mit einer gewissen Ambivalenz bereits eine binokuläre Verstärkung erhalten. Die Ambivalenz bezog sich nicht auf die Würdigung der Lösungsorientierung an sich, sondern auf einen Trend, der sich parasitär damit zu verknüpfen begonnen hatte. Das lösungsorientierte Herz drohte zu einem instrumentellen Popanz zu werden, zu einem lösungsschnittigen Verkaufsschlagersänger, schien mir. Da kam mir Cremerius gerade recht. Langer Rede kurzer Sinn, als ich das Buch las, seine Entstehungszeit bedachte, das Menschenbild auf mich wirken ließ, ich war hingerissen. Natürlich: diese Sprache, das geht heute nicht mehr, wo kämen wir hin....! Das ist nicht kühl genug, nicht überlegen genug, nicht ironisch genug. Keine Reflexion der funktionalen Ausdifferenzierung. Da könnte man gleich noch bekennen, keine Ahnung von PowerPoint zu haben. Das geht nicht. Und doch, als „Geschichte von früher“ möchte ich ein Zitat daraus vorstellen. Es wird aber vermutlich nur die Illusion befördern, es gebe ein friedliches Zusammenwirken von, sagen wir, beispielsweise der Idee der Freiheit, der Idee der Verantwortung für Intentionen und der Idee eines, sagen wir, Latenzen-scannenden Fuchs-Systems. OK, Leben geht weiter … Das Zitat:„Die hinter diesem Buch stehende philosophische Gesinnung, die an jenen Stellen sichtbar wird, wo die Frage nach dem Ursächlichen ihr Ende findet und der Patient den Boden betritt, der Entscheidung verlangt, verdankt Verfasser den philosophischen Schriften Oswald Weidenbachs. Vor allem verpflichtet fühlt er sich dem letzten Buch des verehrten Lehrers „Ethos contra Logos“, das den Gedanken der Freiheit konsequent zuende denkt bis zu dem Punkte des Verzichtens auf jede logische Vollendung und Vollendbarkeit der Welt. Ich wüßte keine bessere Form des Dankes, als dieses Buch mit einem Satz Weidenbachs einzuleiten, dessen Wahrheit sich im Verlauf ärztlichen Handelns grundsätzlich bestätigt hat: 'Der Sinn der Welt liegt darin, daß an jedem ihrer Punkte Tat aus Freiheit möglich ist.'“ (Johannes Cremerius (1951) Psychotherapie als Kurzbehandlung in der Sprechstunde. München: J.F. Lehmanns Verlag; Zitat S.17) Übrigens, diese Kommentierung des eigenen Auswählens von Zitaten habe ich mir eingehandelt, als ich zu Tom Levold sagte, „Zitat des Tages“, schön und gut, aber wohin führt dieses fragmentarische Goutieren von – zugegeben – nahrhaften Häppchen? Wie wär’s mit einem kleinen Spruch: wozu dieses? Was macht mir dieses Zitat wichtig? Ja gut, sagt Tom, just do it. So nun. Und nu?
Monday, June 1. 2009
 An der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg nimmt heute, am 1. Juni dieses Jahres das „Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung“ offiziell den Forschungsbetrieb auf. Es wird geleitet von Günter Schiepek (Foto). Mit dieser Initiative ist das erste Universitätsinstitut eingerichtet, das gesondert der Therapieforschung aus einer systemischen Sicht gewidmet ist. Das theoretische Fundament bilden dabei die Synergetik und die Theorien der Selbstorganisation. Auf solcher Basis gilt Psychotherapie „als prozessuales Schaffen von Bedingungen für die Möglichkeit von Ordnungs-Ordnungs-Übergängen zwischen Kognitions-Emotions-Verhaltens-Mustern eines bio-psycho-sozialen Systems in einem (als Psychotherapie definierten) professionellen Kontext“. Wie das, was diese Beschreibung zu bündeln versucht, sich im Alltag messen, einschätzen und prognostisch nutzbar machen lässt, ist Schwerpunkt der Arbeit des Instituts. Die dazu bereits entwickelten Verfahren des Real Time Monitoring und des Synergetic Navigation System dienen dazu, charakteristische zeitliche Muster von Veränderungsprozessen zu identifizieren. Neben Psychotherapie sind weitere Anwendungsbereiche in Planung, etwa Organisationsentwicklung und Management. Eine umfassende Kooperation zwischen einer Vielzahl von Kliniken und Institutionen ist europaweit eingestielt. Zu einem Überblick über Einrichtung, theoretische Grundlage und Projekte des Instituts geht es hier…
Thursday, May 14. 2009
„Am Wochenende gehört Papi mir“, hieß es seinerzeit, ebenso kraftvoll wie gendermäßig unschuldig, als es um das Durchsetzen kürzerer Wochenarbeitszeiten ging. Die Zeiten ändern sich und mittlerweile geht der Trend wieder in Richtung längerer WArbZ. In einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin untersuchen A. Wirtz, F. Nachreiner, B. Beermann, F. Brenscheidt, und A. Siefer die Dauer der WArbZ im Hinblick auf gesundheitliche Beeinträchtigungen [ baua, 06.April 2009]. Die AutorInnen konstatieren, dass aktuelle Diskussionen um Arbeitszeitverlängerungen „sich oft ausschließlich an vermeintlich wirtschaftlichen Kriterien [orientieren], ohne dabei gesundheitliche Effekte für die Beschäftigten zu berücksichtigen.“ Die Datenbasis bilden vier nationale und europäische Untersuchungen der Jahre 2002 bis 2008. Am Beispiel von Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Magen- und Herzbeschwerden lassen sich eindeutige Hinweise auf eine Zunahme der Beschwerden bei zunehmender WarbZ finden. Es finden sich auch Hinweise zum Healthy-Worker-Effect, „der das Phänomen beschreibt, dass Ältere und Personen in sehr ungünstigen Arbeitsbedingungen oft verhältnismäßig wenig gesundheitliche Beschwerden aufweisen. Die Erklärung dafür ist, dass sie eine Überlebenspopulation derjenigen bilden, die derartige Arbeitsbedingungen aushalten können, wohingegen die gesundheitlich beeinträchtigten Personen bereits aus der Erwerbstätigkeit ausgeschieden bzw. in andere Arbeitsbedingungen gewechselt sind.“ Die AutorInnen stellen in ihrer Zusammenfassung heraus: „Kommen zu den langen Arbeitszeiten weitere potentiell ungünstige Bedingungen wie Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten, schlechte Planbarkeit der Arbeitszeit oder Arbeit an Abenden oder am Wochenende hinzu, so werden von den Erwerbstätigen insgesamt häufiger Beschwerden berichtet. Ebenso erhöhen hohe körperliche und psychische Anforderungen das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen, insbesondere in Kombination mit langen und/oder in der Lage versetzten Arbeitszeiten. Insgesamt lassen sich die Zusammenhänge zwischen der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen anhand der Ergebnisse aus vier untersuchten Stichproben gegenseitig stützen und somit absichern“, und weiter: „Die Feststellung, dass längere Arbeitszeiten mit einer deutlichen Erhöhung des Beeinträchtigungsrisikos zusammenhängen, kann als gesichert und generalisierbar betrachtet werden.“ Zur Studie von Wirtz et al. geht es hier …
Wednesday, May 6. 2009
Die Theorie der Selbstorganisation hat sich als eine fruchtbare Basis erwiesen für das Erforschen, aber auch für das Entwickeln von Konzepten therapeutischen und beraterischen Handelns. Einen informativen Einblick dazu erlaubt die von Hermann Honermann vorgelegte Dissertation zum Thema „ Selbstorganisation in psychotherapeutischen Veränderungsprozessen. Eine kombinierte Prozeß-Outcome-Studie im Kontext stationärer Psychotherapie“ (2001: Otto-Friedrich Universität Bamberg). Aus der fundierten theoretischen Diskussion werden fünf Hypothesen abgeleitet und überprüft. Honermann nimmt an, „daß Veränderungen die Energetisierung eines Systems erfordern und Motivationen sowie das persönliche Engagement des Patienten für die Therapie solche Energetisierungen darstellen“, desweiteren, „daß erfolgreich behandelte Patienten Bedingungen von Sicherheit und Stabilität während ihres stationären Aufenthalts erleben“, „daß Ordnungs-Ordnungs-Übergänge von kritischen Instabilitäten der Systemdynamik begleitet werden und diese sich unter anderem an einer Zunahme der Varianz des Verhaltens bestimmter Systemmerkmale erkennen lassen“, „daß sensible Momente in der Therapie unter den genannten Bedingungen ein großes Veränderungspotential beinhalten und daß diese durch die Aufnahmebereitschaft des Patienten gekennzeichnet sind“ und „daß während vergleichsweise erfolgreicher Therapien ein oder mehrere Ordnungs-Ordnungs-Übergänge stattfinden“. In seinem Resümee schreibt Honermann: „Therapeutische Prozesse müssen die Motivation eines Patienten sehr genau treffen, damit dieser sich in der Zusammenarbeit mit dem Therapeuten engagiert. Zudem kommt es auf die zeitliche Abstimmung, auf den Kairos von Ereignissen und Interventionen an. Die Kombination aus motivationaler Investition in den Behandlungsprozeß, der Beachtung der Aufnahmebereitschaft des Patienten und der kritischen Fluktuation in der Dynamik des therapeutischen Prozesses kann als notwendige Bedingung des Therapieerfolgs gelten.“ Zur Dissertation von Hermann Honermann geht es hier …
Sunday, May 3. 2009
 In ihrem Aufsatz Counseling Professionals as Agents of Promoting the Cultures of Peace diskutiert Ayoka Mopelola Olusakin (Foto: http://www.unilagspgs.edu.ng/) Fragen der professionellen Friedensberatung. Sie beleuchtet sowohl die Bedeutung dieser Arbeit als auch die Herausforderungen für professionelle BeraterInnen als MaklerInnen für das Befördern von Kulturen des Friedens [ Europ. J. of Scientific Research 17(2): 243-257, 2007]. Ayoka Mopelola Olusakin ist Associate Professor of Education und stellvertretende Dekanin der School of Postgraduate Studies an der University of Lagos, Akoka-Lagos in Nigeria. Nigeria mit seiner Mega-City Lagos bietet sich an, die Tragfähigkeit von Friedensbemühungen und die Konsequenzen von Friedenserleichternden, bzw. Friedensverstörenden Rahmenbedingungen in besonderer Weise im Blick zu haben. Die Autorin skizziert unterschiedliche Definitionen von “Frieden”, sowie themenrelevante Aspekte eines breiten Spektrums an Beratungs- und Therapiekonzepten. In einer Studie untersuchte sie kontextuelle Rahmungen von Friedensbemühungen. Sie befragte 268 Personen, die als professionelle BeraterInnen an einer Konferenz teilnahmen. Wie kaum anders zu erwarten, bevorzugten alle Frieden gegenüber Krieg, 94% beschrieben sich als erfahren im Umgang mit Strategien der Konfliktlösung. 90% bevorzugten gewaltfreie Methoden, um Frieden zu befördern, doch nur 52% gaben Kenntnisse in professioneller Friedensberatung an. In ihrem Resümee schreibt die Autorin, dass das Etablieren einer weltumspannenden Kultur des Friedens harte Arbeit sei. Alle Hände würden an Deck gebraucht, um Respekt vor der Umwelt, Mitgefühl, Gerechtigkeit, Toleranz, Kooperation, Zusammenarbeit, Solidarität und multikulturelle Wertschätzung wahr werden zu lassen. BeraterInnen müssten nicht nur glauben, sondern auch gemäß dieses Glaubens handeln, dass Frieden nicht nur ein ehrenwertes Ziel sei, sondern auch ein notwendiges. Der folgende Link öffnet den gesamten Band des E.J.S.R., nach Anklicken des Links daher auf S. 243 vorrollen: Zum Aufsatz von Ayoka Mopelola Olusakin geht es hier…
Friday, May 1. 2009
 In zwei Jahren, so heißt es, werde die Hälfte der Erdbevölkerung in Städten leben. New York war vor 50 Jahren die einzige Stadt der Erde mit mehr als 10 Millionen Bewohnern. Heute gibt es bereits 19 Mega-Cities diesen Ausmaßes. In einem Aufsatz für die C.A.P.-News, einem Online-Journal des Centrums für angewandte Politikforschung, schreibt Chloé Lachauer, es gehe „in der Konsequenz darum, für die Zukunftsgesellschaft Lösungsansätze zu finden, mit diesen neuen Formen der Stadtlandschaften ökologisch, gesellschaftspolitisch und ökonomisch fertig zu werden. Bezeichnenderweise hat die größte Rückversicherung der Welt, die Münchner Rück, angesichts der neuesten Prognosen der Vereinten Nationen und anlässlich der UN-Konferenz für Katastrophenbegrenzung jüngst eine Studie publiziert, die die Mega-Cities der Zukunft als hoch komplexe Großrisiken betiteln, die nicht mehr versicherbar seien“. Nicht nur ökologische Katastrophen werden vorausgesehen, sondern auch „anarchische Gewaltzustände in den Städten“, und eine Art „’Urban Sprawl’ im Sinne einer riesenhaften ‚Slumisierung’“ (Foto: http://students.umf.maine.edu). Filme wie „Slumdog Millionär“ deuten das Elend zwar an, doch retten sie sich immer noch in illusionäre, individuelle (Er-)Lösungen. Ich gehe davon aus, dass systemtheoretische und systemische Sichtweisen nicht beim Entwickeln individueller Lösungswege stehen bleiben können. In einem Exposé von Balz Bodenmann ( Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung der ETH Zürich) werden die zur Zeit übersehbaren Fakten zusammenfassend skizziert. Der Autor resümiert: „Der Weg der Städte im 21. Jahrhundert wird weder ohne Hindernisse noch einfach sein, zumal der wachsende Wohlstand grössere Ungleichgewichte sowohl innerhalb der einzelnen Länder als auch zwischen ihnen mit sich bringen wird. Die Wirtschaftsstruktur der betroffenen Länder, die Millionen Menschen zur Sicherung des Lebensunterhalts dient, wird ständig der Bedrohung durch eine fortschreitende, vom technischen Fortschritt vorangetriebene Globalisierung ausgesetzt sein. Deshalb wird einerseits die Ungleichheit zwischen den Stadtbewohnern weiterhin eine Herausforderung bleiben – und andererseits die Verbesserung der Lebensbedingungen der Stadtbevölkerung weiterhin eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung darstellen.“ Zum Beitrag von Bodenmann geht es hier… und zum Beitrag von Lachauer hier…
Tuesday, April 21. 2009
„Es braucht ein Dorf“ – mit dieser Anspielung auf ein afrikanisches Sprichwort zu den Bedingungen eines guten Aufwachsens für Kinder eröffnet die kanadische Ergotherapeutin Francine Marguerite Gohier ihre Magisterarbeit zur Erlangung des M.A. in Counselling Psychologie an der City University in Vancouver Island [ A Support Team’s Experience of a Solution-Focused Intervention With Children, Oktober 2006]. Ausgehend von der Erfahrung, dass viele Kinder in westlichen Zivilisationen nicht in dem sprichwörtlichen „Dorf“ aufwachsen, untersuchte die Autorin, in welcher Weise gemeinschaftliche Hilfeformen gestaltet werden und sich bewähren können, die – auf einer kleineren Skala – dieses „Dorf ersetzen können. Im Fall der vorliegenden Untersuchung, einer Pilotstudie, ging es um Hilfen für Kinder mit ausgeprägten sozial-emotionalen Schwierigkeiten. Die Autorin geht ihrer Forschungsfrage ebenso beherzt wie politisch wach nach, thematisert auch die Folgen einer nachlassenden öffentlichen Finanzierung solcher Hilfen. Um so bedeutsamer erweisen sich die vorgestellten Ergebnisse, die sich auf die Zusammenarbeit von HelferInnen für bestimmte Familien mit ihren Kindern unter möglichst umfassenden Alltagsbedingungen beziehen. Zur theoretischen Einbettung greift die Autorin auf William Glassers "Choice Theory" zurück (eine an grundlegenden Bedürfnissen orientierte, akzeptierende Theorie persönlicher Freiheit des Wählenkönnens im Widerspruch zu Konzepten externer Kontrolle), womit eine partizipative Gestaltung von Hilfen als zentral gewichtet wird. Praktisch greift die Autorin in ihrer Studie auf Ben Furmans „Kids‘ Skills“-Programm zurück (auf deutsch: „Ich schaff’s“, Heidelberg: Carl Auer). In der abschließenden Diskussion heißt es u.a.: „Die Erfahrungen der TeilnehmerInnen mit der kollaborativen Methode des Kids‘-Skills-Ansatzes unterstützen die ökologische Perspektive eines umfassenden materiellen und menschlichen Engagements; viele helfende Personen unterstützten das jeweilige Kind an unterschiedlichsten Stellen. Die Erfahrungen eines bestimmten Teammitglieds wurden von anderen beobachtet und gewürdigt. Keiner funktionierte isoliert. Der Zusammenhalt des sozialen Netzwerks wurde aus gemeinsamen Diskussionen und den zur Verfügung gestellten Beschreibungen der jeweiligen Hilfen für die Kinder gebildet. Ein ökologischer Zug zeigte sich auch durch das Einbetten der jeweiligen Fertigkeiten, die die Kinder lernten, in den Alltag, anstelle in bestimmte Behandlungszeiten und –routinen. So entstanden wie von selbst natürliche Gelegenheiten, die gelernten Fertigkeiten auf andere Aufgaben zu übertragen.“ Zur vollständigen Master-Arbeit von F.M. Gohier geht’s hier …
Thursday, April 16. 2009
 In ihrem Aufsatz Science for the 21st century: from social contract to the scientific core plädieren Gilberto C. Gallopín (Foto links oben),  Silvio Funtowicz (Foto rechts), Martin O’Connor und Jerry Ravetz (Foto: links unten - Fotos: www.liphe4.org) für das Entwickeln von Rahmenbedingungen für eine Wissenschaft der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit [ Int. Journal of Social Science 168: 219-229 (2001)]. Die besonderen Herausforderungen für eine solche Nachhaltigkeits-Wissenschaft ergeben sich aus der wachsenden Komplexität in allen relevanten Systemebenen. Dies erfordere eine integrierte Wissenschaft, die den interdisziplinären Ansatz bei weitem übersteige. Ein neuer "Sozialer Wissenschaftskontrakt" sei notwendig, "business as usual" reiche nicht länger aus. Wissenschaft habe sich konstant weiterentwickelt. Bis zum 2. Weltkrieg sei ein akademischer, durch Neugierde beflügelter  Wissenschaftsstil kennzeichnend gewesen, daran anschließend entwickelte sich so etwas wie eine "industrialisierte" Form, auch "eingebundene Form" genannt. Hier ging es darum, Missionen zu erfüllen und Forscher wandelten sich von unabhängigen Kunsthandwerkern zu Angestellten. Aktuell dominiere so etwas wie ein "corporate know-how", die ökonomische Verwertbarkeit von Forschung sei das dominierende Leitbild (etwa die Gewinnerwartung angesichts von Gentechnologien). Demgegenüber schlagen die Autoren als eine nützliche wissenschaftliche Praxis vor, immer das Gesamtsystem zu definieren, innerhalb dessen eine Forschungsaufgabe/ein Problem isoliert oder beschrieben werde und nach wichtigen Vernetzungen zu suchen. Es gehe darum, diejenigen Variablen zu erkennen, die durch eine umschriebene Forschungsaufgabe mitbetroffen sind. Erst wenn dies explizit gemacht worden sei, könnten sinnvoll Ausschnitte bestimmt, bzw. umfassendere Kontexte beschrieben werden. Zum Volltext von Gallopín et al. geht es hier …
Tuesday, April 14. 2009

Das Center for Systemic Peace (CSP) wurde im Jahr 1997 gegründet. Es widmet sich der globalen Systemanalyse in Form innovativer Forschung zu Problemen der Gewalt, sowohl im zwischenmenschlichen Bereich als auch innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungen. Im Mittelpunkt stehen Möglichkeiten eines Managements komplexer Systeme. Das CSP gibt regelmäßig Reports heraus zu generellen Trends innerhalb gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, sowohl auf der Ebene globaler, als auch regionaler und einzelstaatlicher Geschehnisse. Mittlerweile arbeitet das CSP mit dem Center for Global Policy an der George Mason University in Fairfax, Virginia zusammen. Für Interessierte besteht Zugang zu einer Reihe von Publikationen ( Center for Systemic Peace Virtual Library). Es handelt sich um unter anderem um regelmäßige Screenings zu Konflikttrends in Afrika, zu globalem Terrorismus, sowie zu genderspezifischen Konflikten. Zur Homepage des CSP geht es hier...
Saturday, April 11. 2009
 Im Bereich psychosozialer Hilfen scheint es gelegentlich Irritationen zu geben über das Verhältnis von individuellem und kollektivem Nutzen von Hilfen. In ihrem Aufsatz Toward Validating the Therapeutic Benefits of Empowerment-Oriented Social Action Groups schreibt Linda Plitt Donaldson (Foto: www.ncsss.cua.edu/), Assistenzprofessorin an der Catholic University of America in Washington, DC , dass sich KlinikerInnen manchmal schwer damit tun, Sozialdienste ins Spiel zu bringen, die im größeren Rahmen zur Veränderung beitragen könnten, während umgekehrt manche „Makro-PratikerInnen“ sich hilflos dabei fühlten, wenn sie im Einzelkontakt therapeutische Hilfen anbieten sollten [ In: Social Works with Groups 27(2/3), 2004, S.159-175]. Die Autorin untersuchte in diesem Zusammenhang Empowerment-orientierte Gruppenarbeit als eine Hilfeform, die sowohl individuellen Bedürfnissen wie den Möglichkeiten eines systemischen Wandels zugute kommen könne. Die Autorin liefert einen gut recherchierten Überblick, bezieht sich auf Selbstwirksamkeitstheorien sowie Yaloms kurative Faktoren. In ihrem Resümee konstatiert sie, dass es trotz eines ausgeprägten Plausibilitätsvorsprungs der geschilderten Hypothesen noch an empirischer Unterstützung mangele. Dies müsse noch geleistet werden. Wichtig sei, dass die Gruppenarbeit Selbstwirksamkeitsfortschritte nicht als natürliches Beiprodukt betrachte, sondern die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserfahrungen aktiv unterstütze. Zur Publikation von Linda P. Donaldson geht es hier …
Thursday, April 9. 2009
Zur Krise an sich kann man im Grunde – im Unterschied zur Katastrophe – gratulieren, steht sie doch nicht für das Hoffnungslose, sondern für die Wende zum Besseren. Jedenfalls für die altgriechischen Wortschöpfer. Und so heißt es denn auch, man solle das Eisen schmieden, wenn es heiß sei. Im übertragenen Sinne wüsste man dann allerdings schon gerne, ob man dabei das Eisen, das Feuer oder der Schmied ist. Es käme dann schon noch drauf an. Das sagt sich ja so leicht, dass im Chinesischen für „Krise“ und „Chance“ die gleichen Schriftzeichen verwendet werden. Das stimmt – zum Teil. Was stimmt, ist, dass in beiden das Schriftzeichen für „Gelegenheit“ enthalten ist. Und ob das Walten des Schmieds dazu führt, bei Gelegenheit sein Glück zu schmieden, hinge dann doch mit einigem und einigen Anderen zusammen. Zu den chinesischen Schriftzeichen gäbe es übrigens eine kleine Information. Zu dem Anderen, das dabei eine Rolle spielte, gehört wohl auch Vertrauen. Wohl auch ein ausreichend sicheres Gespür dafür, ob die Gelegenheit das Vertrauen rechtfertigt. Im Hinblick auf das aktuelle Wirtschaftsdebakel, das ja auch gerne als eine Art Vertrauenskrise beschrieben wird, dürfte vielleicht noch fraglich sein, ob das schon Krise genannt werden kann, Ausdruck eines Wendens zu womöglich Besserem. Da wüsste man noch nichts Genaues davon. Im Hinblick auf Psychotherapien wäre es schon eher möglich, sie mit Krise im Ursprungssinn in Verbindung zu bringen. Die Hoffnung auf Besseres dürfte jedenfalls damit verbunden sein. Daher könnte es nicht schaden, von einer Dissertation zu erfahren, die Martina Hewig 2008 an der Uni Trier vorgelegt hat mit dem Titel: Generalisierte und spezielle Vertrauensaspekte in der Psychotherapie. Es handelt sich um eine „empirische Studie zur prognostischen Bedeutung der Vertrauens-Trias für das Ergebnis stationärer Psychotherapie“. Die angesprochene Trias bezieht sich auf interpersonales Vertrauen, auf Selbstvertrauen und auf Zukunftsvertrauen, drei Variablen, die Günter Krampen zum Trias-Modell des Vertrauens verdichtet hat. Die vorliegende Dissertation bringt, wie es Dissertationen üblicherweise auszeichnet, viele grundsolide sortierte Fakten zusammen, und es mag ihr nachgesehen werden, dass sie nicht in erster Linie zur leichten Lektüre geschrieben wurde. Doch gibt es viele interessante Querverbindungen, Anstöße und Anregungen, unter anderem auch zum Thema „Therapeutische Beziehung als Wirkfaktor“, „Vertrauen als Bestandteil der therapeutischen Beziehung“, oder „Bindung in der therapeutischen Beziehung“. Der empirische Teil bringt Hinweise auf „bedeutsame Varianzaufklärung durch die bereichsspezifischen Vertrauensskalen“. Es mag nicht verwundern, dass das „bereichsspezifische Zukunftsvertrauen (…) dabei den varianzstärksten Prädiktor für den Therapieerfolg“ darstellte. Man muss sich schon vorstellen können, dass der Boden trägt, auf den man sich zum Besseren bewegen will. Zur Dissertation von Hewig geht es hier…
Sunday, April 5. 2009
 So lange ein umwelt-sensibles und ökologisch verantwortliches Verhalten eher mit Verzichtserleben und Selbstquälerei in Verbindung gebracht wird, dürfte es eine ziemlich harte Nuss bleiben, hier zu einem tragfähigen commitment zu kommen. Einerseits sind Sorgen um den Zustand unserer  "Welt" (des Klimas, der Meereserwärmung, der Eisbären,…) mittlerweile en vogue – wenn auch zur Zeit finanztechnisch vernebelt -, doch mag auch kaum jemand "zurück zur Natur", wenn die Natur es uns nicht gemütlich genug macht. Kirk Warren Brown (Foto links) (von der kanadischen McGill Universität) und Tim Kasser (Foto rechts (vom Knox College in Galesburg, Illinois) haben dazu im Jahr 2005 eine Untersuchung veröffentlicht (" Are Psychological and Ecological Well-Being Compatible? The Role of Values, Mindfulness, and Lifestyle", Social Indicators Research 74: 349-368).
Es ging ihnen um die Frage, ob es möglich sei, so zu leben, dass man sowohl das persönliche als auch das "planetarische" Wohlergehen fördere. Als Ergebnis ihrer Studie halten sie fest, dass persönliches Wohlbefinden und ökologisch verantwortliches Verhalten als komplementär angesehen werden können. Glücklichere Menschen lebten umweltverträglicher – wenigstens die, die an dieser Untersuchung teilnahmen. Die Autoren identifizierten zwei Faktoren, die das ermöglichten: eine intrinsische Wertorientierung und Achtsamkeit. Zusammengefasst: "Die Ergebnisse dieser Studie nähren die Hoffnung, dass eine wechselseitig vorteilhafte Beziehung besteht zwischen persönlichem und planetarischem Wohlbefinden, besonders dann, wenn unterstützende Faktoren wie Achtsamkeit und intrinsische Werte kultiviert werden können". Zur Studie von Brown und Kasser geht es hier …
Saturday, March 14. 2009
 Wer einen Blick werfen möchte auf die Untiefen fortgeschrittener Merkantilisierung unserer Profession, dürfte sich für ein Interview interessieren, dass Scott Miller vom Chicagoer Institute for the Study of Therapeutic Change (ISTC) im Jahr 2007 Jim Walt gegeben hat, ehemals Vorsitzender der Californian Association of Marital and Family Therapists (CAMFT), emeritierter Psychologie-Professor an der kalifornischen John F. Kennedy University. In diesem Gespräch skizzieren beide eine Situation in den USA, die darauf hinauszulaufen scheint, dass die meisten derjenigen, die zurzeit noch ihr Geld mit professionellen psychosozialen Hilfen verdienen, es bald nicht mehr können. Ungeachtet der konsistenten Forschungsergebnisse zur Psychotherapie, dass diese wirkt, gaben zwei Drittel der Befragten als Antwort auf die Frage, weshalb sie keine Therapie aufgesucht hätten, an, dass sie deren Wirksamkeit bezweifelten. Zweifel an der Wirksamkeit von etwas werden jedoch vermutlich erst dann zu einem schlagkräftigen Argument, wenn – wie ebenfalls erhoben – die Einschätzung als "zu teuer" hinzukommt. Hier nun setzen offenbar die üblichen Marktmechanismen an. Die fortschreitende Verwertung von Therapie als Ware unterliegt dem Preiskalkül. Preisgestaltung wiederum funktioniert nach dem Aldi-Prinzip und man könnte sich fragen, warum es TherapeutInnen anders gehen sollte als, sagen wir, Milchbauern. Wie gesagt, nur für den Fall, dass Therapie oder allgemein professionelle psychosoziale Hilfen, sich in erster Linie als Warenwert zu bewähren hätten. Schon klar, dass dies ein Dilemma bedeutet, wenn man sich nicht im Elfenbeinturm (oder Wolkenkuckucksheim) einrichten möchte. Umso bemerkenswerter, dass Scott Miller nach wie vor davon überzeugt ist, dass das "Hören auf die KlientInnen" einen (für ihn: den) Ausweg darstellt. Er berichtet von Evaluationsstudien, nach denen das Ergebnis um 65% allein dadurch verbessert werden konnte, dass konsequent das Feedback der KlientInnen zum Maßstab gemacht wurde – unabhängig von der theoretischen Position der TherapeutInnen. Vier Merkmale zeichneten das Beisteuern von professionellen HelferInnen in erfolgreichen Therapien aus: sie blieben flexibel, sie wehrten Feedback nicht ab, sie veränderten das Vorgehen so lange, bis die KlientInnen darauf positiv ansprachen und schließlich: sie zögerten nicht, andere Hilfen als angemessener zu empfehlen, wenn sie auf die beschriebene Weise nicht zu einer tragfähigen Beziehung kamen. Zum Interview geht es hier …
Saturday, December 6. 2008
Vor kurzem erhielt ich von G. Seidenstücker (Uni Trier) den Hinweis auf einen interessanten Text im Internet. Es handelt sich um die Dissertation von Robert Baur (Augsburg) über den sokratischen Dialog und die hypnosystemische Teilearbeit in Therapie und Beratung. Im weitesten (und besten) Sinn geht der Autor hier der Frage nach, wie notwendig es ist, "die historisch gewachsenen Prämissen von Methoden" zu kennen, wenn man daran interessiert ist, sie zusammenzuführen und sie integrativ zu verwenden. Beispielhaft diskutiert Baur hier den sokratischen Dialog als ideelle Grundlage für spätere kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden (RET, KVT) und im Vergleich dazu die historischen und theoretischen Prämissen der Teilearbeit, insbesondere in ihrer hypnosystemischen Ausprägung. Als Dissertation ist die vorliegende Arbeit natürlich auch an inhaltlicher Präzisierung und möglichst umfassender Vollständigkeit orientiert. So etwas kann oft genug abschrecken. Wenn eine umfangreiche Quellensammlung und deren differenzierende und verknüpfende Diskussion jedoch sprachlich so eingängig und verständlich daherkommen wie die vorliegende Arbeit, dann sind dem Nutzen und dem Vergnügen gleichermaßen gedient. Und was nun hinsichtlich der Frage nach der Notwendigkeit eines kontextsensiblen Umgangs mit Prämissen bei dem Versuch unterschiedliche Methoden zu integrieren? In seiner Zusammenfassung am Ende schreibt Baur dazu: "Es hat sich in dieser Arbeit gezeigt, welche Chancen sich auf Methodenebene durch eine konstruktivistische Ausrichtung der kognitiven Therapien ergeben. Dennoch sollte dies nicht dazu führen, unter dem Dach des "Konstruktivismus" alle Kompatibilitätsprobleme als gelöst zu betrachten. Ein vorschnelles Aufgeben von charakteristischen Eigenheiten einer Methode führt eben auch zum Verlust ihrer Stärke". Zu Baurs Dissertation geht es hier…
Sunday, October 5. 2008
In meiner Vorbereitung auf den seinerzeitigen Glücks-Kongress des Weinheimer Instituts für Familientherapie stieß ich durch Zufall auf Stücke aus dem Nachlass eines mir bis dahin unbekannten Autors. Diese Stücke aus dem Nachlass entpuppten sich als Reflexionen und Gedichte zum Glück, passten also haargenau zum Thema des Kongresses, auf den ich mich vorbereitete. Zum Autor selbst konnte ich nur bruchstückhafte Informationen herausfinden. Die Person, über die ich an den Nachlass gekommen war, wusste nichts Näheres, interessierte sich auch nicht sehr dafür, konnte nur sagen, dass der Autor Hieronymus Heveluk heiße, was vermutlich ein Pseudonym sei, und seit einigen Jahren verschollen. Weder zu Herkunft noch weiterer Vita verfüge er über Informationen. Man kann sich vorstellen, dass mich das neugierig machte. Meine weiteren Recherchen blieben bislang jedoch weitgehend ohne Erfolg. Gesichert scheint bislang nur, dass Heveluk offenbar Wert darauf legte, keine Spuren zu hinterlassen. Das Auffinden dieser Stücke aus dem Nachlass muss daher als ein Zufall betrachtet werden. Da sich die Stücke jedoch im weitesten Sinne auch auf unser Metier beziehen lassen und daher den einen oder die andere interessieren könnten, hier ein Beispiel aus dem Nachlass: Sysiphus zum Glück "Wenn zum Glück der Sysiphus auf halbem Wege einmal muß, dann läßt er den Stein wie er ist, sein, nützt eh‘ kein Verdruß. Und während er muß, denkt Sysiphus an den Mythos, nicht sicher, ob Stuß oder Weisheit darin verborgen; wes Geistes Kind, andere Sorgen, bleibt irgendwie eine Rätselnuß. Wenn Sysiphus, zum Glück befragt, zögert, was er dazu sagt; an Kratylos‘ Finger denkt, wenn’s dem nach ginge, dem Zeiger des ewigen Schaukelns der Dinge... naja, zuckt die Schulter: wem’s behagt..." Wie gesagt, die geistige Heimat von Heveluk ließ sich noch nicht stichhaltig erforschen, vielleicht kann auf diesem Wege ja der eine oder andere Hinweis zustande kommen. Ein, wie mir scheint, recht ökonomisches Stück zum Glück findet sich ebenfalls im Nachlass: "Glück und sein Enigma waren schon immer da. So bleibt zum Glücke stets eine Lücke".
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