Sunday, April 28. 2013
Die Anfangsjahre der Familientherapie waren von vielen Experimenten gekennzeichnet. Viele ihrer Pioniere entwickelten sehr persönliche Stile und Vorgehensweisen, die einerseits aufgrund ihres Charismas durchaus erfolgreich waren, andererseits aber heutzutage durchaus Befremden auslösen können. Einer dieser Pioniere war Carl Whitaker (1912-1995; Foto: wikipedia.de), der vor allem durch seine ungewöhnliche Art bekannt wurde, mit Familien mit einem psychotischen Indexpatienten zu arbeiten. Unter dem Titel: "Add Craziness and Stir. Psychotherapy with a Psychoticogenic Family" erschien 1981 in einem von Maurizio Andolfi und I. Zwerling herausgegebenen Band "Dimensions of Family Therapy" bei Guilford Press ein Aufsatz von Whitaker (mit David V. Keith), der 1999 in einer deutschen Übersetzung (von Anna-Lena Greve) in systhema erschien. Den Beipack-Zettel hat Arist von Schlippe geschrieben, er lautet wie folgt: "Den folgenden Beitrag haben wir (leicht gekürzt) aus verschiedenen Gründen in die Systhema aufgenommen. Da ist zunächst einmal ein historisches Interesse: Carl Whitaker, der schon vor längerer Zeit starb, gehört zu den originellsten und kreativsten Figuren in der Geschichte der Familientherapie. Sein Ansatz, die Familien mit (vor allem psychotischen) Patienten wieder "spielen" zu lehren und sich zu diesem Zwecke selbst oft "absurd" zu verhalten, zeugt von einer hohen Bereitschaft, ungewöhnliche, ja sehr ungewöhnliche Wege zu gehen, um ein System zu verstören. Die Erinnerung an solche – anarchische, aber wohl auch riskante – Bereitschaft möchten wir gerade in Zeiten der drohenden Verarmung "qualitäts"-gesicherter Psychotherapie gewahrt wissen. Damit soll dieser Artikel zum Zweiten auch einen Kontrapunkt setzen, zum Nachdenken anregen über die Psychotherapiekultur der Gegenwart – je kürzer, desto besser, je methodisch abgesicherter desto qualitätssicherer? Ob dies tatsächlich sinnvolle Anweisungen sind? Gerade das Primat von Methode über eine Qualität von Beziehung, in die sich auch der Therapeut als Person eingibt, wird in diesem Text massiv hinterfragt. Und zum Dritten, so stelle ich mir vor, wird der Aufsatz den Leser / die Leserin auch verstören, so wie mich. Zwischen Begeisterung, Aufregung und Erschrecken, ja Empörung habe ich diesen Text gelesen. Der m.E. sehr (zu sehr) lockere Umgang mit therapeutischer Macht, der ebenfalls (zu?) laxe Umgang mit Krankheits- und Gesundheitsbegriffen, die z.T. atemberaubende oder haarsträubende Art, jegliche Abstinenzregeln hinter sich zu lassen – all das, stelle ich mir vor, kann Stoff für Diskussionen geben. Denn eines kann dieser Text nicht: Leser / Leserin kalt lassen oder langweilen. Ein letztes Wort dazu, was dieser Text nicht soll: er soll nicht zum Nachahmen anregen. Er sollte eher dazu anregen, als Lehre aus der Lektüre des Vorgehens dieses powervollen und authentischen Therapeuten den Schluss zu ziehen: werde der/die, der/die du bist, nicht: werde wie er. In diesem Sinne: viel Spaß mit der Lektüre der deutschen Uraufführung dieses Artikels. Es war etwas mühsam, die Abdruckgenehmigung zu bekommen und wir bedanken uns bei Guilford-Press in New York für die freundliche Genehmigung dafür." Zum vollständigen Text…
Monday, April 22. 2013
 Im von Falco von Ameln 2004 im A. Francke-Verlag herausgegeben Band "Konstruktivismus: Die Grundlagen systemischer Therapie, Beratung und Bildungsarbeit" ist auch ein Artikel von Torsten Groth und Rudolf Wimmer erschienen, der sich mit dem Konstruktivismus als Grundlage systemischer Organisationsberatung befasst. Sein Ziel ist es, aufzuzeigen, "inwieweit sich diese Beratungsform von anderen Formen unterscheidet, worin ihre Besonderheiten liegen und was es heißt, Organisationsberatung unter Zuhilfenahme der Luhmann’schen Systemtheorie durchzuführen". Der sehr lesenswerte Beitrag ist auch online zu lesen, und zwar hier…
Monday, April 15. 2013
I  n den 90er Jahren befasste sich eine Osnabrücker Arbeitsgruppe mit familiendynamischen Konzepten der Betreuung asthmakranker Kinder und ihrer Familien, zu der auch Arist von Schlippe gehörte. Dieser veröffentlichte in der systhema 1/1999 einen Beitrag, in dem die Erfahrungen dieser Gruppe reflektiert wurden. In seiner Vorbemerkung heißt es: "Die hier entwickelten Überlegungen spiegeln meine Erfahrungen im Rahmen der Osnabrücker Arbeitsgruppe wieder, in der mit dem Luftiku(r)s-Konzept ein familien- und verhaltensmedizinisches Modell zur Betreuung asthmakranker Kinder und ihrer Familien entwickelt wurde (…). Sie sind in dieser Form das Ergebnis intensiven Austausches innerhalb dieser Arbeitsgruppe. An diese Erfahrungen möchte ich allgemeinere Überlegungen darüber anschließen, wie soziale Systeme Wirklichkeiten um chronische Krankheiten herumbauen. Neben einem allgemeinen Modell zum Verständnis der systemischen Prozesse chronischer Erkrankungen werde ich dabei auch eine persönliche Geschichte erzählen. Es ist u.a. eine Geschichte meines Abschieds von einem heimlichen Hochmut: 'eigentlich sind alle, auch die körperlichen Krankheiten im Grunde psychologischer Natur'– und es ist eine Geschichte meines Friedens mit der Perspektive der Schulmedizin und mit den Medizinern, der sich in vielen Fällen zur Freundschaft weiterentwickelt hat. Es freut mich gleichzeitig, wenn ich von meinen Medizinerkollegen höre, dass es auch für sie so ist, dass die Kooperation mit anderen Berufsgruppen in unserem Projekt ihre Arbeit im medizinischen Alltag verändert hat." Zum vollständigen Text…
Friday, April 12. 2013
In einem Artikel für die "Zeitschrift für Soziologie" aus dem Jahre 2006 beschäftigt sich Ruth Großmaß, seit 2004 Professorin für Ethik an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin mit unterschiedlichen soziologischen Perspektiven auf die Funktion und Bedeutung psychosozialer Beratung in der Gesellschaft: "Beratung ist heute eine ubiquitäre Alltagspraxis und zugleich ein Angebot professioneller Beratungseinrichtungen. Der Artikel untersucht die letzteren unter dem Gesichtspunkt, welche Bedeutung sie innerhalb von Struktur und Entwicklung westlicher Gesellschaften haben. Drei Gesellschaftstheorien – die Luhmanns, Bourdieus und Foucaults – werden herangezogen, um jeweils unterschiedliche Aspekte dieser Innovation des 20. Jahrhunderts zu beleuchten. Hierbei erweist sich Beratung als ein soziales System, das Inklusion hinsichtlich der gesellschaftlichen Funktionssysteme unterstützt, als ein Feld beruflicher Konkurrenz, das Diskurse der Selbstmodifikation produziert, und als eine neue Form der Technologien des Selbst. Darüber hinaus wird deutlich, dass Beratungseinrichtungen interessante Untersuchungsfelder sind, um neuere gesellschaftliche Entwicklungen dort zu studieren, wo sie die Individuen und ihr Alltagleben erreichen." Der Text ist auch online zu lesen, und zwar hier…
Saturday, April 6. 2013
Das letzte Heft des Kontext war noch einmal dem Thema der DGSF-Jahrestagung "Dialog der Kulturen" gewidmet und wurde mit einem theoretisch orientierten Beitrag von Tom Levold eröffnet, der sich mit der Frage beschäftigte, "Warum sich Systemiker mit Kultur beschäftigen sollten". Im Wissensportal der DSGF ist dieser Text online zu lesen. Im abstract heißt es: "Nach einigen grundlegenden Bemerkungen zum Kulturbegriff werden einige Konzepte der Kulturtheorie vorgestellt, die sich seit dem 18. Jahrhundert entwickelt haben. Für den gegenwärtigen Kulturdiskurs sind dabei vor allem bedeutungsorientierte Kulturkonzepte relevant. Anschließend wird der Kulturbegriff in Niklas Luhmanns Systemtheorie mit einem praxeologischen Kulturbegriff kontrastiert, um die Frage zu untersuchen, ob sich daraus ein Potenzial für eine systemische Praxeologie ableiten lässt. Abschließend wird postuliert, dass eine therapeutische Praxis als interkulturelle Begegnung gelingen kann, wenn sie Kultur als spannungsreiche Trias von symbolischer Ordnung, Diskurs und Praxis begreift." Zum vollständigen Text…
Thursday, April 4. 2013
 Franz Eidenbenz befasst sich seit über 10 Jahren mit psychologischen Fragen im Zusammenhang mit neuen Medien. Er ist in privater Praxis tätig und seit 2011 Leiter Behandlung des Zentrums für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich. In der Open-Access-Zeitschrift Psychotherapie-Wissenschaft hat er in Heft 2/2012 einen Beitrag mit dem Thema "Therapie von Online-Sucht – systemisches Phasenmodell" veröffentlicht. Im abstract heißt es: "Online-Sucht wird unter anderem als Kommunikations-, Beziehungs- oder Bindungsstörung verstanden, bei der sich Jugendliche aufgrund von innerfamiliären Kommunikationsproblemen und ungelöster Konflikte, hinter den Bildschirm zurückziehen. Die Familie wird als Kerngruppe gesehen, in der neue Modelle von Handlungsmustern und konstruktiven Konfliktlösungsmöglichkeiten erarbeitet werden können. Dementsprechend wird ein systemisches Phasenmodell für die Therapie vorgeschlagen bei dem das Umfeld als Ressource genutzt wird. Der Therapieprozess wird anhand von vier Phasen beschrieben: Initialphase, Motivationsphase, Vertiefungsphase, Stabilisierungs- und Abschlussphase." Zum vollständigen Text geht es hier…
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