Sunday, November 25. 2012
Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in den USA Bemühungen, in einem systemischen Rahmen unterschiedliche therapeutische Ansätze auf pragmatische Weise zu integrieren. Bekannte Vertreter dieses Ansatzes sind William Pinsof und Peter Fraenkel, die 2001 im Journal of Psychotherapy Integration eine Arbeit über die Vermittlung dieses Konzeptes verfasst haben. Im abstract heißt es: "This article addresses key themes in the teaching of family therapy-centered integration and describes the critical role of assimilative integration. The tenets of assimilative integration provide a framework for introducing students to multiple systemic theories and techniques while allowing them to maintain a secure base in one main theory. This form of integration is compared and contrasted to theoretical eclecticisrn, which guides students to become securely based in multiple theories through providing a framework for selecting which systemic approach to use when and with whom. Other issues that shape the form, content, and process of integrative training are discussed including the role of institutional culture and clinical needs, the importance of fully incorporating issues of diversity and social oppression, and the relational context within which teaching and learning take place." Zum vollständigen Text…
Friday, November 23. 2012
 Schule ist mittlerweile von einem Lehr- und Lern- zu einer Art Lebensort geworden. Ganztagsschulen werden zur Regel. Das ist nicht nur eine Zeit- und Organisationsfrage. Vielmehr ent- und verwickeln sich in diesem Rahmen Lebensthemen, die weit über das mehr oder weniger erfolgreiche Erlernen von "Stoff" hinausgehen. Die Menschen, die diese Lebensthemen am eigenen Leib erfahren und zur sozialen Realität werden lassen, zu begleiten, ihnen Orientierung zu geben, womöglich Halt, ist zu einer besonderen Herausforderung für Schulen und ihre LehrerInnen geworden. Zwar mag ein erfolgreicher "Abschluss" immer noch im Vordergrund stehen. Doch dürfte es einer der tragischen Irrtümer sein, dies für bare Münze zu nehmen. Was ist gemeint, wenn es von Schulen heißt, sie seien "weiterführend"? Wohin? Und auf welcher Basis? Unerschöpfliche Themen. Um so notwendiger dürften Anregungen und Orientierungshilfen sein, die über die Grenzen sogenannter Sachzwänge hinausweisen. Hierzu scheint mir eine Arbeit interessant, die Birgit Jäpelt (Foto: Universität Erfurt) im Jahr 2004 unter dem Titel „Ressourcenorientierte und reflexive Beratung – Erfurter Moderations Modell – Prozess eines Curriculums zur systemisch – konstruktivistischen Beratung und Moderation“ als Disserta tion an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt vorlegte. Die Autorin skizziert, es solle mit dieser Arbeit „ein Versuch unternommen werden, systemisch – konstruktivistische Theorien zum Ausgangspunkt für Veränderungen vertrauter Konzepte vom Lehren, Lernen, Beraten und Forschen zu nehmen. Damit soll ein Fortbildungskonzept in ressourcenorientierter und reflexiver Beratung und Moderation begründet werden. Der hier dokumentierte Kurs nimmt eine Fortbildung von (Sonder-)PädagogInnen in systemisch – konstruktivistischer Beratung und Moderation (8 x 3 Tage) zum Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines Ausbildungscurriculums“ (S.5f.). Kontextdekonstruktion und Kooperation erweisen sich dabei als Schlüsselwörter. Das Curriculum spiegelt eine vertiefte und sinnstiftende Auseinandersetzung mit Prämissen und Begrifflichkeiten der „Postmoderne“ wieder, und basiert auf Ressourcen und Partizipation als Leitmotiven. „Die Inszenierung konkreter Lehr- und Lernprozesse beginnt und endet in ihrem je spezifischen Kontext“, schreibt Jäpelt, „Lehrende sind dabei Begleitung für eine Etappe auf dem Weg der Lernenden zu einer erwünschten Kompetenz, die mit einem relativen Anteil in der Zukunft liegen kann. Ein solches Denken entspricht dem Anspruch von lebenslangem Lernen. Es geschieht ein Übergang von der einen in eine andere (Lern-)Umgebung. Diesen Prozess explizit zum Thema zu machen, ist aus meiner Sicht die eigentliche Konsequenz der hier vertretenen theoretischen Anbindung. Dabei scheint es mir besonders bedeutsam, über weitere Möglichkeiten der Kooperation nachzudenken und dafür genügend Raum und Zeit einzuplanen“ (S.265). An letzterem geht kein Weg vorbei – auch das vorliegende Konzept geriert sich nicht als Zaubermittel – doch dürfte das als Hürde oft schon zu hoch sein. Da jedoch über das jetzt forcierte Thema der Inklusion eine engere Kooperation von Regel- und Sonderpädaogik notwendig werden wird, könnte das in dieser Arbeit vorgestellte, auf SonderpädagogInnen zugeschnittene Curriculum, eine „weiterführende“ Chance haben: „Veränderungen beginnen „im Kopf“. Diese Annahme sollte dazu führen, im schulischen Kontext mehr als bisher üblich, die eigenen Vorannahmen in Frage stellen zu können und neugierig zu sein auf andere(s). Damit würde der Beitrag der SonderpädagogInnen für die Institution Schule darin bestehen, den PädagogInnen der Grund- und Regelschulen „ein Werkzeug“ / eine Idee anzubieten, mit den als anders erlebten SchülerInnen umzugehen und Aussonderungsprozesse zu reduzieren“. Zum Volltext der Dissertation geht es hier…
Saturday, November 17. 2012
In zwei Beiträgen aus dem Jahre 2006 setzen sich Andrew C. Ahn, Muneesh Tewari, Chi-Sang Poon und Russell S. Phillips mit der Frage auseinander, was die klinische Medizin, die im wesentlichen reduktionistisch ausgelegt ist, von einer systemisch orientierten Biologie lernen kann. Die Texte sind in PLoS Med erschienen und als Open Access verfügbar. In der Einleitung zum ersten Text heißt es: "Since Descartes and the Renaissance, science, including medicine, has taken a distinct path in its analytical evaluation of the natural world. This approach can be described as one of “divide and conquer,” and it is rooted in the assumption that complex problems are solvable by dividing them into smaller, simpler, and thus more tractable units. Because the processes are “reduced” into more basic units, this approach has been termed “reductionism” and has been the predominant paradigm of science over the past two centuries. Reductionism pervades the medical sciences and affects the way we diagnose, treat, and prevent diseases. While it has been responsible for tremendous successes in modern medicine, there are limits to reductionism, and an alternative explanation must be sought to complement it. The alternative explanation that has received much recent attention, due to systems biology, is the systems perspective. Rather than dividing a complex problem into its component parts, the systems perspective appreciates the holistic and composite characteristics of a problem and evaluates the problem with the use of computational and mathematical tools. The systems perspective is rooted in the assumption that the forest cannot be explained by studying the trees individually. In order for a systems perspective to be fully appreciated, however, we must first recognize the reductionist nature of medical science and understand its limitations. For this reason, the first article in this series is dedicated to examining the reductionist approach that pervades medicine and to explaining how a systems approach (as advocated by systems biology) may complement it. In the second article, we aim to provide a more practical discussion of how a systems approach would affect clinical medicine. We hope that these discussions can stimulate further inquiry into the clinical implications of systems principles." Zum ersten Teil ("The Limits of Reductionism in Medicine: Could Systems Biology Offer an Alternative?") geht es hier, zum zweiten ("The Clinical Applications of a Systems Approach") hier entlang…
Thursday, November 15. 2012
Zu diesem Thema gab es 2007 ein Sonderheft der Zeitschrift "Soziale Welt", das vollständig im Netz zu lesen ist. Enthalten sind Beiträge über 2. "Participant Observation and Systems Theory: Theorizing the Ground" (Daniel B. Lee & Achim Brosziewski), "Formalität, Informalität und Illegalität in der Organisationsberatung" (Von Stefan Kühl), "Empirie oder Theorie? Systemtheoretische Forschung jenseits einer vermeintlichen Alternative" (Werner Vogd), "Rationalität und Plausibilität in klinischen Ethikkomitees. Die Echtzeitlichkeit von Kommunikation als Empirie der Systemtheorie" (W. Mayr), kritisch kommentiert von Hartmut Esser (Handlungstheorie) und Hubert Knoblauch (Subjektivität) und eingeleitet von Irmhild Saake und Armin Nassehi - das Ganze sehr lesenswert und erkenntnisreich. Zum vollständigen Text…
Wednesday, November 14. 2012
 In einem Arbeitspapier, das im Netz veröffentlicht ist, setzt sich der Soziologe und Systemische Therapeut Bruno Hildenbrand, der gemeinsam mit Rosmarie Welter-Enderlin und dem Team des Meilener Instituts das Meilener Konzept "Systemische Therapie als Begegnung" entwickelt hat, mit den Konzepten und Perspektiven einer klinischen Soziologie auseinander: "(Ich werde) meine eigenen Erfahrungen als Soziologe in einem Handlungsfeld schildern, das klassischerweise ein professionelles ist: in der Psychiatrie. Diese Erfahrungen haben im Laufe der Zeit zu einer theoretischen Konzeption einer Klinischen Soziologie geführt, die hier in ihren Möglichkeiten, aber auch in ihren Grenzen vorgestellt werden soll. Zunächst skizziere ich den aktuellen Stand der Psychiatrischen Soziologie als Teil der Medizinischen Soziologie. Danach beschreibe ich die aktuelle zentrale Problematik, mit der die Psychiatrische Soziologie – nicht nur als Klinische Soziologie - konfrontiert ist: In dem Maße, wie sich die Sozialpsychiatrie im psychiatrischen Versorgungssystem behauptet, löst sich die ursprüngliche Koalition zwischen Sozialpsychiatrie als Psychiatriekritik und Soziologie als naturgemäß kritischer Wissenschaft auf. Für die Chancen der Verankerung Klinischer Soziologie im psychiatrischen Handlungssystem hat dies Folgen, die ich im folgenden darstellen werde. Sodann bespreche ich drei Konzepte einer Klinischen Soziologie, um danach meinen eigenen Ansatz vorzustellen und meine Erfahrung mit diesem Ansatz in der Praxis darzulegen." Zum vollständigen Text…
Friday, November 9. 2012
1998 führte Wolfgang Loth für "systhema" ein email-Interview mit John L. Walter, über das er einleitend schreibt: "Im Jahr 1992 veröffentlichten John L. Walter und seine Frau Jane E. Peller ihr Buch "Becoming Solution-Focused in Brief Therapy", das 1994 in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Lösungs-orientierte Kurztherapie. Ein Lehr- und Lernbuch" erschien. Darüber hinaus vermittelten die beiden ihren Ansatz in einer Vielzahl von Publikationen. John Walter's Seminare und Workshops genießen großes Renommée weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus. Als sich John im Mai 1998 in Flensburg aufhielt, hatte ich durch die freundliche Einladung von Jürgen Hargens Gelegenheit, John zu treffen. Jürgen, John und ich hatten eine Reihe von interessanten und inspirierenden Gesprächen miteinander. Da ich kein Gerät dabei hatte, um ein Interview aufzunehmen, stimmte John meinem Vorschlag zu, ein E-Mail-Interview miteinander zu führen, wenn er wieder nach Chicago zurückgekehrt sei, wo er mit Jane Peller zusammen das Institut "Consultations" leitet. Das Interview fand in der Zeit von Juni bis September 1998 statt. In diesem Interview beschreibt John seinen Weg von einer lösungsorientierten Kurzzeitperspektive zur Persönlichen Konsultation, einem narrativen Ansatz, in dem die "Konversation als AutorIn" betrachtet wird." Zum vollständigen Interview geht es hier…
Friday, November 2. 2012
 Pflegen als Beruf ist so wenig ein Pappenstiel wie die Erkenntnis, selber einmal auf Pflege angewiesen zu sein. Die Zeitungen sind von Zeit zu Zeit voll von beunruhigenden Nachrichten dazu. Und wer es in seinem Umfeld schon einmal erlebt hat, weiß, dass es neben viel Kompetenz und nicht zuletzt materiellen Ressourcen auch noch Glück braucht, wenn ein Pflegetag ein guter Tag sein soll. Kurzum, Pflegen kostet wohl mehr als über Geld zu machen ist. Wenn es bei Altenpflegekräften eine um fast die Hälfte erhöhte Wahrscheinlichkeit für psychosomatische Beschwerden im Vergleich zum Durchschnitt der arbeitenden Bevölkerung gibt, liegt das sicher nicht nur an einer kleinzügigen Entlohnung. Pflegenotstand also auf beiden Seiten der Medaille. Was könnte helfen? Im Jahr 2007 legte Christoph Abel an der Universität Mannheim (Foto: Universität Mannheim) eine Dissertation zum Thema „Systemisch-lösungsorientierte Beratung zur Prävention von Stress und Burnout in Pflegeberufen“ vor. Ziel war „die Konzeption und Evaluation eines ressourcenorientierten Trainingsprogramms, basierend auf der Stärkung spezifischer interner Ressourcen gegen Stress und Burnout“ (S.3). Das Trainingsprogramm firmierte als ein Einführungskurs in systemisch-lösungsorientierte Beratung: „Der Kurs sollte systemisch-lösungsorientierte Beratungskompetenz als interne Ressource vermitteln. Daneben sollten kognitive Ressourcen wie Wissen oder allgemeine Selbstwirksamkeit gefördert werden. Außerdem sollten sich die sozialen Beziehungen der Teilnehmer verbessern bzw. die interpersonellen Probleme abnehmen“ (S.183). Als zusammenfassendes Ergebnis teilt der Autor mit: „Die vorliegende Evaluationsstudie konnte zeigen, dass es in nur zehn Kursstunden möglich ist, wesentliche interne Ressourcen zu mobilisieren und zu fördern, welche für die Prävention von Stress und Burnout wesentlich sind. Das Trainingsmanual ist geeignet, diese Ressourcen zu stärken. Hierbei wurde der Ansatz einer Stressprävention durch Förderung interner Ressourcen verfolgt. Die Zielsetzung der Arbeit, nämlich eindeutige Effektivitätsnachweise des Kurses auf die entsprechenden Ressourcen, wurde im Wesentlichen erfüllt“ (S.195). Es gab im Detail dabei auch Hinweise darauf, dass trotz der pragmatischen Konzentration des Kurses nicht nur Techniken und Wissen gelernt wurden, sondern sich auch Veränderungen in der Haltung zeigten. Abel weist z.B. darauf hin, dass hinsichtlich der Fähigkeit eine kooperative Beziehung mit Gesprächspartnern zu gestalten, „die Effektstärken ebenso groß [waren] wie bei den verhaltensnahen Items. Diese eher „weichen“ Faktoren sind im Hinblick auf die alltägliche Anwendung vielleicht ein noch wichtigerer Hinweis auf die Effektivität des Kurses als die Beherrschung der Fragen und Standard-Interventionen, die relativ leicht einstudiert werden können“ (S.185). Trotz der für Dissertationen mit statistischer Ausrichtung kennzeichnenden Lesemühen könnte diese Arbeit auch für PraktikerInnen in diesem Bereich eine Hilfe sein. Auch die in dieser Arbeit vorgestellten Mittel und Wege garantieren alleine keine „Lösung“, sind im Gegenteil nach wie vor eingebunden in mehr oder weniger hilfreiche Kontexte. Doch können sie offenbar wirksam dabei helfen, mit einem Bein im Möglichkeitenland verankert zu sein, während man das andere not-falls in jemandes Hölle einen Stand finden lässt (gemäß Bill O’Hanlons wunderbarem Motto). Abels Dissertation findet man im Volltext hier…
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