Thursday, May 31. 2012
 Heute vor 75 Jahren kam Heinz Kersting in Aachen zur Welt. Nach einem Studium der Philosophie in Frankfurt (1958–1960) und der katholischen Theologie in Frankfurt, Bonn und Innsbruck (1961–1964) machte er eine Ausbildungen in Social Group Work (1989–1970) und in Supervision, studierte Sozio-Linguistik, Erziehungswissenschaft und Soziologie an der RWTH-Aachen und promovierte in Erziehungswissenschaften bei Horst Sitta und Louis Lowy über die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Schule. Seit 1970 arbeitete er als Hochschullehrer, ab 1981 als Professor für Didaktik und Methodik der Sozialen Arbeit an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. 1985 gründete er das Instituts für Beratung und Supervision (IBS) in Aachen und leitete es als Wissenschaftlicher Direktor ebenso wie den Wissenschaftlichen Verlages des IBS. Er gehört zu den Wegbereitern der systemischen Supervision in Deutschland und war Mitbegründer und Gründungsvorsitzender (1989–1991) der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv), später deren Ehrenvorsitzender. Als Mitglied der Systemischen Gesellschaft arbeitete er im Supervisionsausschuss der SG mit, dessen Vorsitzender er zeitweise war. In seinem wissenschaftlichen Verlag sind zahlreiche Bücher zur systemischen Supervision und Gruppenarbeit erschienen. Der Volltext des Bandes "Irritation als Plan - Konstruktivistische Einredungen", den er gemeinsam mit Theodor M. Bardmann, Hans-Christoph Vogel und Bernd Woltmann 1991 veröffentlichte, ist auf der ibs-website nachzulesen: "Heinz Kersting befasst sich im letzten Teil dieses Bandes in seinem Beitrag "Intervention – die Störung unbrauchbarer Wirklichkeiten", mit Vorgehensweisen, deren sich Planer und Berater bedienen können, um psychische oder soziale Systeme in ihrer Autopoiese unbrauchbarer Wirklichkeiten zu stören. Selbstreferentiell arbeitende Systeme lassen sich durch Interventionen nicht instruktiv verändern, sondern allenfalls in ihrer Wirklichkeitskonstruktion irritieren. Der konstruktivistische Interventionist greift dazu gerne die Geschichten seiner Ratsuchenden auf, hört sie auf seine Art (selbstbezüglich) an und konfrontiert diese mit seiner veränderten Version der "alten" Geschichte. Er beobachtet und beschreibt, was sein Gegenüber mit dieser Geschichte macht: das ist die Geschichte, die sich der Berater selbst schreiben muss und die er dann "Intervention" nennt." Zum Volltext…
Wednesday, May 30. 2012
Von Alexander Korittko erreichte uns folgende Nachricht: "Am 23.5.2012 verstarb Prof. Dr. Martin Kirschenbaum in Orinda, Californien, im Alter von 83 Jahren. Martin Kirschenbaum war einer der ersten Familientherapie-Ausbilder im deutschsprachigen Raum. Er war ein Schüler Virginia Satirs und entwickelte die Systemisch-Integrative Paar- und Familientherapie. Er war Gründer und Leiter der California Graduate School in San Rafael, California. Zwischen 1975 und 2004 leitete er, zunächst zusammen mit Dr. Carole Gammer und Dr. George Downing, Weiterbildungsgänge in München, Berlin, Hamburg, Wiesbaden und in der Schweiz. In den letzten Jahren unterrichtete er zusammen mit seiner Frau Dr. Inger Kirschenbaum. Alle, die Martin Kirschenbaum kennen lernen durften, werden seinen kreativen, warmherzigen und authentischen Stil in Therapie-Sitzungen und seine humorvolle und zugewandte Art in persönlichen Begegnungen gerne in Erinnerung behalten". Die undogmatische Art von Martin Kirschenbaum kommt auch in einem sehr schönen Gespräch zum Ausdruck, das er 1993 mit Angelika Faas und Thomas Krauß für das "Journal für Psychologie" führte. Zum vollständigen Text…
Tuesday, May 29. 2012
 Heiko Kleve, Professor für Soziologische und sozialpsychologische Grundlagen sowie Fachwissenschaft der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Potsdam, hat mit seinem Kollegen Frank Früchtel (Foto: FH Potsdam), an der FH für die Lehre von Ethik, Theorie und Methoden der Sozialen Arbeit zuständig, ein Gespräch über die Wirkfaktoren erfolgreicher Sozialer Arbeit gesprochen. Das Gespräch ist im Sozialmagazin 1/2011 erschienen und nun auch online zugänglich.  In der Einleitung heißt es: "Wirkung ist seit geraumer Zeit Thema sozialarbeiterischer Reflexionen. Immer nachdrücklicher wird gefragt und aufwendig gemessen, ob und wie „nachhaltig“ Interventionen wirken. Dazu gibt es inzwischen groß angelegte Forschungsprojekte (z.B. www.wirkungsorientierte-jugendhilfe.de). Aber wie können wir uns das Konstrukt „Wirkung“ in der Praxis, die von hoher Komplexität gekennzeichnet ist, überhaupt vorstellen? Das ist die Frage unseres Beitrages, dessen Dialogform unseren Thesen entspricht, verstehen wir doch Wirksamkeit als etwas evolutionär Dialogisches – als etwas, das nicht einseitig und technologisch, sondern nur durch kommunikative Wechselwirkungen und gekonnte Variationen vollbracht werden kann." Zum vollständigen Text…
Friday, May 25. 2012
 Revital Ludewig-Kedmi (Foto: www.tamach.org) ist Psychologin und Familientherapeutin, die ihre Ausbildung in Deutschland gemacht hat, aber schon seit langem in der Schweiz lebt und arbeitet. Sie ist vor allem durch ihre Forschung mit Holocaust-Überlebenden und deren Kindern bekannt geworden und gehört zu den Mitbegründerinnen der Psychosozialen Beratungsstelle für Holocaust-Überlebende und ihre Angehörigen "Tamach" in der Schweiz. Zu den vielen lesenswerten Veröffentlichungen gehört auch ein Artikel "Bewältigungsstrategien einer Holocaust-Familie", den sie 1997 in systhema veröffentlicht hat, und in dem es um die unterschiedlichen sowie die gemeinsamen Bewältigungsmöglichkeiten traumatischer Erfahrungen von Holocaust-Überlebenden und ihren Partnern und Kindern geht. Als Vorteil des systemischen Ansatzes für die therapeutische Arbeit mit Holocaust-Familien sieht sie dabei "die Berücksichtigung des Gesamtsystems sowie der Komplexität von Phänomenen. Im Zentrum des systemischen Ansatzes steht die Ablehnung des linear-kausalen Denkens. D.h. die traumatischen Holocaust-Erfahrungen führen nicht zu einer einzigen möglichen psychischen Reaktion („Überlebenden-Syndrom“). Vielmehr existiert eine Vielfalt von individuellen und familiären Reaktionen, die sich wechselseitig beeinflussen. Das Individuum als ein Teil des Gesamtsystems wird vom System beeinflusst und beeinflusst das System selbst. Ich gehe davon aus, dass die individuellen Bewältigungsstrategien der Familienmitglieder aus der ersten und zweiten Generation das gesamte Familienleben beeinflussen. Umgekehrt beeinflusst auch die Familiendynamik die individuellen Bewältigungsstrategien der einzelnen Familienmitglieder hinsichtlich der Shoah. Um diese vielfältigen Bewältigungsstrategien und Ressourcen erfassen zu können, soll man den Überlebenden Raum geben, um ihre Lebensgeschichte – vor, während und nach der Verfolgungszeit – zu erzählen, anstatt sich ausschließlich auf die Symptome zu konzentrieren." Zum vollständigen Text…
Tuesday, May 22. 2012
 Die Beschäftigung mit komplexen Systemen hat nicht nur Komplexität zum Gegenstand, sondern lässt sich angesichts der digitalen Datenflut, die das Internet in Hinblick auf (fast) jede relevante Fragestellung bietet, selbst als komplexes System verstehen. Wie kann man mit solchen Datenmengen nicht nur als Konsument, sondern auch als Forscher auf sinnvolle Weise umgehen? Wie kann diese Reduktion auf sinnvolle Weise reduziert werden? Wie kann die Datenmenge, aber auch die Milliarden von inhaltsbezogenen Online-Interaktionen, die täglich stattfinden, auf eine Weise untersucht werden, die selbst wieder Aufschluss über die dem zugrundeliegenden inhaltlichen Prozesse geben können? Welche empirischen Gesetzmäßigkeiten und welche grundlegenden Theoriekonzepte lassen sich in diesem Zusammenhang entwickeln? Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich ein neues Online-Journal, das als SpringerOpen Journal unter Open Access Bedingungen ab sofort verfügbar ist. Versprochen wird: "All articles published by EPJ Data Science are made freely and permanently accessible online immediately upon publication, without subscription charges or registration barriers." Allerdings sollen die Autoren bzw. die hinter ihnen stehenden Forschungsinstitute dann eine ordentliche Gebühr für einen veröffentlichten Artikel berappen. Im Editorial der Schriftleiter Frank Schweitzer (ETH Zürich) und Alessandro Vespignani (Northeastern University, USA) heißt es: "The idea to launch a new journal, EPJ Data Science, was formed exactly around the challenge of tackling massive amounts of data in a scientific manner, by exploring its engineering but even more so its conceptual challenges. Accordingly, the journal’s scope goes well beyond technical issues of gathering data from “sensors” or programming issues of data crawlers. It also goes beyond the classical statistical analysis. Our focus here is on identifying new empirical laws emerging from massive data sets and the “How?” question, i.e. on conceptually new scientific methods for analyzing and synthesizing these laws. We want to recognize the picture that is hidden in these mas- sive data streams, to predict its occurrence in a statistical sense, and to control it. But we also want to go further, to the “Why?” question, by linking these findings to theoretical concepts in a broader sense, to understand their origin and their impact. Going for the latter implies more than plotting data the right way, fitting curves, or mapping regularities to known dynamics. New concepts need to be established - notably about social systems - that support and contain these findings, models of basic social interactions need to be developed to predict a certain outcome on the system level, and we have to pay attention to those empirical findings that do not nicely fit with established theories." Die erste Ausgabe des Journal ist hier zu finden…
Wednesday, May 16. 2012
  Nachdem am vergangenen Donnerstag die eindringliche Rezension von Michael B. Buchholz über ein englischsprachiges Buch zur Beteiligung von Psychologen an US-amerikanischen Folterprogrammen im systemagazin erschienen ist, hat mich Wolfgang Loth auf einen Text des Kieler Wahrnehmungspsychologen Rainer Mausfeld (Foto: UNi Regensburg) mit dem Titel " Foltern für das Vaterland. Über die Beiträge der Psychologie zur Entwicklung von Techniken der ‚weißen Folter’" aufmerksam gemacht, der als Ergänzung gelesen werden kann. Ein weiterer Text von Mausfeld ist in der Psychologischen Rundschau 2009 erschienen, der sich noch einmal speziell mit der Beteiligung der American Psychological Association an Folterprogrammen auseinandersetzt: " Psychologie, 'weiße Folter' und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern": "Die Techniken psychischer Folter, wie sie in den 'innovativen Verhörtechniken' zum Ausdruck kommen, wurden konzipiert, um das absolute Folterverbot des internationalen Rechts zu unterlaufen. Dies kann nur in dem Maße erfolgreich sein, wie es gelingt, juristisch den Folterbegriff auf intentional zugefügte schwerste Schmerzen zu reduzieren. Mit einer solchen Neudefinition, wie sie vom Justizministerium der Bush-Regierung versucht wurde, wird jedoch das bestimmende Merkmal von Folter verdeckt. Sowohl physische wie auch psychische Folter lassen sich nicht allein von der konkreten Ebene der Schwere der physischen oder psychischen Schmerzen her erfassen, die eine Person einer anderen zufügt. Der Schlüssel zur Erfassung von Folter liegt vielmehr in der Art der durch sie hergestellten interpersonalen Situation. In ihr erfährt sich der Gefolterte als ein vollständig rechtloses Objekt. Der mit einer solchen Situation verbundene vollständige Kontrollverlust und das grenzenlose Ausgeliefertsein eines Menschen an einen anderen stellt die höchste Steigerungsform des Totalitären dar. Daher wird im internationalen Recht die mit der Folter herbeigeführte Totalinstrumentalisierung einer Person zu einem Mittel des Staates als eine der schwersten Verletzungen der Würde und Autonomie des Menschen angesehen. Nur auf der Basis eines solchen Verständnisses wird die Absolutheit des Folterverbotes verständlich und die sich in ihm ausdrückende Auffassung, dass Folter und Rechtsstaat sich ausschließen."
Tuesday, May 15. 2012
 Heute vor fünf Jahren ist Tom Andersen, einer der wichtigen Pioniere der Systemischen Therapie, beim Klettern an der Küste tödlich verunglückt. John Shotter, mittlerweile Emeritus Professor of Communication in the Department of Communication, University of New Hampshire und bekannter Autor im sozialkonstruktionistischen Spektrum, hat 2007 auf der 12. Internationalen Konferenz zur Behandlung von Psychosen in Palanga (Litauen) einen wunderbaren Vortrag im Andenken an Tom Andersen ("Not to forget Tom Andersen’s way of being Tom Andersen: the importance of what ‘just happens’ to us") gehalten, der in der Zeitschrift Human Systems erschienen ist: "It is easy to think that tom Andersen’s central contribution was the introduction into psychotherapy and family therapy of the “reflecting team” – later to be developed into “reflecting processes.” But Tom thought of himself as “a wanderer and worrier” – he was constantly reflecting on his own practice, on his way of ‘going on’, to further develop and refine it, and then continuing further to worry about the right words in which to express what seemed to be his new way. Each new way came to him as he reached a ‘crossroads’, a moment when he could no longer continue in the same way, a moment when he stopped doing something he came to see as ethically wrong. In these special moments, he found that “alternatives popped up almost by themselves” (Anderson and Jensen, 2007, p.159) – a special phenomenon in itself, as we shall see. There are thus many, many more features to tom’s way of therapy than just his use of the reflecting process. Central to Tom’s way of being in the world was what came to him as he moved around in the world, as a participant in it rather than an observer of it. Thus below I will try to set out many of the small detailed changes Tom made in his way-of- being-with those around him in his meetings with them, and the large changes these small changes led to. These changes matter to us all. Thus we must do more than merely commemorate his achievements, we must work out how not to forget them, ever." Der Text ist auch online zu lesen, und zwar hier…
Wednesday, May 9. 2012
Einen kurzen Überblick über die Entwicklung systemisch-konstruktivistischen Denkens von Ludwig von Bertalanffy bis hin zu Heinz von Foerster gibt Sarah B. Jutoran in ihrem online 2005 veröffentlichten Paper "The Process From Observed Systems to Observing Systems". Im abstract schreibt sie: "In the present paper I intend to describe some of the founding systemic cybernetic ideas starting from the second half of the XXth century up to the present. I have therefore limited the focus to what I consider the more representative concepts of General Systems Theory, Communication Theory and Cybernetics, plus the important contributions of renowned scientists such as Gregory Bateson, Heinz von Foerster and Humberto Maturana, who, I consider, constitute the spine of systemic-cybernetic thinking." Zum vollständigen Text…
Friday, May 4. 2012
 Im Social Science Open Access Repository ist eine Arbeit von Metaphernforscher Rudolf Schmitt aus dem Jahre 1997 "mit einigen Bemerkungen zur theoretischen 'Fundierung' psychosozialen Handelns" zu lesen, in der auf anschauliche und sehr lesenswerte Weise der Frage nachgegangen wird, welche metaphorischen Modelle des Helfens sich finden lassen. Gleichzeitig geht es aber auch um die Reflexion des Verhältnisses von Theorie und Praxis und welchen besonderen Beitrag die Metapherntheorie hierzu leisten kann. Auf der Downloadseite gibt es folgende kurze Zusammenfassung des Beitrages, der in der Zeitschrift "Psychologie und Gesellschaftskritik" erschienen ist: "Der Beitrag versucht, die in Metaphern des Helfens kondensierten Erfahrungen in der Einzelfall- und Familienhilfe zu untersuchen und stellt eine Reihe von Arbeiten vor, die das Selbstverständnis von Psychotherapie-Klienten in ihren Metaphern rekonstruieren. Grundlage der Überlegungen ist die Annahme, dass Metaphern ihrerseits den Kern von Theorien liefern. Neben der Vorstellung der eigenen Untersuchung stellt der Autor hier auch die Praxis dieser Forschungsmethode vor. Zunächst werden einige Annahmen der Metaphernanalyse sowie kollektive Modelle des Helfens vorgestellt. Anhand eines Fallbeispiels werden sodann subjektive Konstruktionen aus der Metaphernanalyse erörtert. Das abschließende Resümee thematisiert die auch für die Metaphernanalyse zutreffende tiefe Kluft zwischen akademischer Theoriebildung und Praxis. Den Ansätzen der Metaphernanalyse ist ein nicht-hierarchisches Verhältnis von Theorie und Praxis eigen. Die Lücken zwischen Theorie und erlebter Praxis könnten jedoch mit Bildern, Gleichnissen und Geschichten gefüllt werden, die die Erfahrungen der PraktikerInnen besser repräsentieren." Zum vollständigen Text…
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