Tuesday, November 9. 2010
 Hans Lieb, im systemischen Feld durch zahlreiche Arbeiten zur Theorie und Praxis systemischer Theorie bekannt, hat im vergangenen Jahr einen Aufsatz über Krisenbewältigung geschrieben, dessen erster Teil "Krisenbewältigung als schöpferischer Prozess" in systhema 1/2009 erschienen ist: hier "werden Kernmerkmale, Arten und potenzielle Inhalte von Krisen beschrieben mit einer sich normativ daraus ergebenden „guten Krisenbewältigung“. Es folgen Konsequenzen für Krisenintervention und Krisenbewältigung in Therapie und Beratung. Bei der Darstellung der „Innenansichten“ von Krisen werden diese in Anlehnung an Verena Kast als potenziell schöpferische Prozesse verstanden. In diesen erweist sich die Begegnung mit darin enthaltenen „primären Gefühlen“ als Ressource. Im zweiten Teil werden vier praktisch- empirisch ermittelte Krisenbewältigungstypen vorgestellt („schnelle Handler – einsame Wölfe – vernebelnde Differenzierer – chronische Krisler“). Deren Identifikationen haben sich sowohl in Selbstdiagnosen wie in Therapie und Beratung als nützlich erwiesen." Zum vollständigen Text…
Monday, November 8. 2010
Die philosophische Dissertation von Dirk Rathje aus Hamburg soll nach eigenem Anspruch "von einem Minimum an Annahmen zu systemorientiert-konstruktivistischen Begriffsbestimmungen rund um die Beobachtungen Information und Kommunikation" führen. In der Einleitung heißt es: "Diese Arbeit liefert Definitionsversuche im Umfeld der Begriffe Beobachtung, System, Information und Kommunikation. Methodisch wird dabei versucht, von einem Minimum an Annahmen auszugehen (1. Maxime) und ein Maximum an Anwendbarkeit züerreichen (2. Maxime). Als Folgen dieser Maximen werden Systemorientierung, der Konstruktivismus sowie hohe Grade an Interdisziplinarität, Abstraktion und Formalisierung ausgemacht. Die Beobachtung (und nicht das beobachterunabhängige Sein) wird in dieser Arbeit zum grundlegenden Begriff: Alles ist Beobachtung und kann in Beziehung zueinander beobachtet werden. Insbesondere ist auch die Beobachtung eine Beobachtung (1. Axiom). Zudem beobachten wir in einer Zeit: Wir beobachten immer im Jetzt, können aber vergangene Beobachtungen beobachten (erinnern) und mögliche zukünftige Beobachtungen beobachten (prognostizieren). Dabei können wir beobachten, dass bestimmte zukünftige Beobachtungen (viable Prognosen) in vergangene Beobachtungen übergehen (2. Axiom). Die wesentliche Funktion von Wissenschaft wird darin gesehen, unsere Prognosefähigkeit zu erhöhen. Die erkenntnistheoretischen Axiome werden im Rahmen des sogenannten minimalen Systemformalismus formalisiert. Darin werden unter anderem die Begriffe System, Beziehung, Bezeichnung, Vokabular, Abstraktion, Begriff, unscharfe Abstraktion, zeitliches System, Dynamik, Autopoiese und Kausalität entwickelt. Mit dem Rüstzeug des minimalen Systemformalismus lassen sich Beobachtungsprozesse, informationsbasierte Prozesse und Kommunikationsprozesse als zeitliche Abläufe beschreiben, bei denen mindestens eine Beobachtung höherer Ordnung beobachtet wird." Zum vollständigen Text…
Saturday, November 6. 2010
 Im Editorial von Heft 3/2010 der Family Process schreibt die demnächst scheidende Herausgeberin Evan Imber-Black, dass das Verhältnis von Forschungsarbeiten und theoretisch bzw. an der Praxis orientierten Beiträgen in der Zeitschrift etwa drei zu eins beträgt. Etwas resigniert stellt sie fest, dass sich trotz ihres Bemühens an diesem Verhältnis seit Beginn ihrer Herausgeberschaft 2004 nicht viel verändert hat. Mit der aktuellen Ausgabe legt sie aber ein Themenheft zur "Couple and Family Therapy Theory and Practice" vor, dass eine ganze Reihe interessanter inhaltlicher Beiträge enthält, u.a. von Celia Falicov, Froma Walsh, Victoria Dickerson und Janine Roberts. Die Texte sind in drei Schwerpunkte untergliedert: "Expanding Definitions of Sex and Sexuality in Couple and Family Therapy", "Expanding Cultural Definitions in Couple and Family Therapy" und "Expanding Definitions of the Therapist-Family-Community-Culture Relationship". Zu den vollständigen abstracts…
Friday, November 5. 2010
Witten. Am 25. 10.2010 wurde an der Privaten Universität Witten/Herdecke der Fachverband für Biografiearbeit e.V. (FaBiA) gegründet. Der Fachverband hat sich zum Ziel gesetzt, Biografiearbeit in Deutschland im Bereich Praxis und Wissenschaft zu fördern und Qualitätsstandards zu entwickeln. Angeleitete, bewusste Biografiearbeit setzt Wissen und eine Haltung der Achtsamkeit voraus. Wer sich auf sie einlässt, setzt Prozesse in Gang, die das Leben verändern. Daher ist ein bestimmtes Maß an Professionalität zum Schutz des Gegenübers und zum Selbstschutz eine Notwendigkeit. Dem Fachverband kann beitreten, wer ein Hoch- oder Fachhochschulstudium oder eine gleichwertige Ausbildung, die in besonderer Weise zur Biografiearbeit befähigt, absolviert hat und ein Praxis- oder Forschungsfeld in dem er oder sie Biografiearbeit betreibt, nachweisen kann. Der Verband versteht sich als Forum zum Austausch der Fachleute und sucht den Dialog mit Einrichtungen und Instituten, in denen Biografiearbeit betrieben wird, sowie mit angrenzenden Fachgebieten. Als Vorsitzende des Verbandes, der seinen Sitz in Kassel hat, wurde Herta Schindler (Systemische Lehrtherapeutin, Systemisches Institut Kassel) von den Gründungsmitgliedern gewählt. Ihre Stellvertreter/innen sind Dr. Almute Nischak (Ethnologin, systemische Familientherapeutin, Tübingen) und Thomas Schollas (Systemischer Therapeut und Supervisor, Kiel). Prof. Dr. Arist von Schlippe, wurde zum Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats gewählt. Im Herbst 2011 wird der Fachverband zu einer ersten Tagung mit dem Titel „Biografiearbeit im Dialog“ nach Kassel einladen. Der Begriff „Biografiearbeit“ ist ein Sammelbegriff für viele verschiedene Formen professionell und wissenschaftlich unterstützter Erinnerungsarbeit. Dies geschieht zum einen im Kontext von Psychotherapie, aber auch in der Rekonstruktion von Lebensgeschichten im Rahmen von Projekten oder in der biografischen Forschung. Über die wissenschaftliche Biografieforschung hinaus spielt Biografiearbeit heute eine Rolle in zahlreichen Berufsfeldern, sei es im Bereich der Seniorenarbeit, in der Trauerbegleitung, in der sich ausweitenden Arbeit mit Pflegefamilien oder im Bereich der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Im klinischen Bereich und in der therapeutischen Arbeit hilft sie bei der Suche nach der Entstehung und Bedeutung von Symptomen und dient zur Generierung von Ressourcen, die heilende Prozesse unterstützen. Das Gemeinsame all dieser Formen ist, dass sie sich mit den Geschichten befassen, die Menschen erzählen: „Geschichten sind für Menschen das zentrale Ordnungsmuster, das sie ihr Leben als ein kohärentes Ganzes erfahren lässt“, sagt Professor Arist von Schlippe, Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Dynamik von Familienunternehmen an der Privaten Universität Witten/Herdecke und eines der Gründungsmitglieder. Anders als noch im vergangenen Jahrhundert sind die Biografien von Menschen individueller und brüchiger geworden. Die Vielfalt der Lebensformen und Lebensweisen hat zugenommen. Was in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts überwiegend für Frauen zutraf, gilt jetzt auch beinahe durchgängig für Männer: Die Erwerbsbiografie der meisten Menschen in unserer westlichen Kultur ist von zahlreichen Wechseln und Zeiten der Arbeitslosigkeit geprägt. Die Notwendigkeit, sich selbst zu „erfinden“ und die Erfahrungen des eigenen Lebens, insbesondere die Brüche, sinnvoll in das Ganze der Identität einzuordnen, ist heute notwendiger denn je. Dies gilt in nahezu allen Lebensphasen. Daher ist Biografiearbeit heute in den unterschiedlichsten Kontexten von großer existenzieller Bedeutung. Biografiearbeit bietet eine schöpferische Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben oder Aspekten davon, in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verknüpft werden. Sie wird sowohl von einzelnen Personen als auch von Personengruppen wahrgenommen. Subjekt der Biografiearbeit kann ein einzelner Mensch, eine Familie, ein Unternehmen, ein Ort und anderes mehr sein.
Fachverband für Biografiearbeit
c/o Systemisches Institut Kassel Ludwig-Mond-Straße 45a 34121 Kassel
info@hertaschindler.de www.FaBiA-eV.de (in Kürze)
Thursday, November 4. 2010
 Liebe Leserinnen und Leser, meine Idee, den diesjährigen Adventskalender unter dem Thema "Von Klienten lernen" hat viele gute Reaktionen hervorgerufen. Damit auch genügend Beiträge (einige sind schon da) zusammen kommen, möchte ich an dieser Stelle noch einmal an das Vorhaben erinnern. Worum es geht? Jeder von uns hat also Erfahrungen gemacht, was es heißt, von Klienten zu lernen. Zu lernen, was funktioniert, obwohl man es nicht erwartet hat - oder: was nicht funktioniert, obwohl man damit gerechnet hat. Klientensysteme vermittelt uns Professionellen ein Gefühl für die eigene Bedeutung oder auch: Bedeutungslosigkeit. Immer geht es in Therapie und Beratung um ein Geschehen, das Überraschungen und Lerneffekte für alle Beteiligten bereithält. Von diesen Überraschungen und Lerneffekten ist im persönlichen Kontakt viel, in Lehrbüchern eher weniger die Rede. Es geht hier nämlich mehr um Geschichten und Erlebnisse als um Konzepte und Programme. Um diese Geschichten geht es hier. Im Adventskalender 2010 möchte ich gerne Ihre Geschichten veröffentlichen, in denen Sie von Erlebnissen in Therapie- und Beratungsprozessen (in den unterschiedlichsten Kontexten) erzählen, die Sie in Ihrer eigenen Entwicklung geprägt, berührt oder vorangebracht haben, in denen Sie überrascht, belehrt oder in Ihren eigenen Annahmen korrigiert wurden. Was haben Sie von Ihren Klienten lernen können? Alle Geschichten, die etwas zu erzählen haben, werden auch veröffentlicht (auch wenn es mehr als 24 Beiträge sind). Ich freue mich auf Ihre Einsendungen unter tom.levold@systemagazin.de, nach Möglichkeit bis zum 26.11.2010.
Wednesday, November 3. 2010
 Unter dieser Überschrift plädiert der Allgemeinmediziner Harald Kamps (Foto: www.praxis-kamps.de) in einem schönen Artikel für die Berücksichtigung einer "dialogbasierten Medizin" als notwendige Ergänzung zur "evidenzbasierten Medizin". Der Artikel ist 2004 in der Zeitschrift für Allgemeinmedizin erschienen (Ausg. 80, S. 438-442) und online zu lesen. Im abstract heißt es: "Sprachliche Bilder, Metaphern, die in dem Gespräch zwischen Arzt und Patient vorkommen, können zu einem besseren Verständnis der Krankengeschichte und des Behandlungsverlaufes beitragen. Metaphern können auch ein sprachliches Mittel sein, um Themen zuberühren, die in einer konkreten Sprache schwierig zu vermitteln sind: Tod, Trauer und Schmerzen. Metaphern im Arztgespräch können aus der Lebenswelt des Patienten geholt werden, aber auch aus der Wissenswelt der Medizin. Die medizinische Sprache wird geprägt von Metaphern aus Krieg und Technik. Der angelsächsische Begriff "narrative based medicine" betont die Bedeutung der Erzählung in der medizinischen Wissensvermittlung. Die Metapher "Der Patient als Text" ist vor dem Hintergrund der narrativen Theorie entwickelt worden. Literaturforscher haben lange die Bedeutung von Metaphern als sprachliche Wirkungsmittel untersucht. Dieser Artikel beschreibt die Bedeutung von Metaphern in der medizinischen Kommunikation und Wissensbildung und schlägt den Begriff "dialogbasierte Medizin" als notwendige Ergänzung zum Begriff "evidenzbasierte Medizin" vor." Zum vollständigen Text…
Tuesday, November 2. 2010
 Die Frage nach dem "Selbst" und der Bedeutung von Emotionen taucht in regelmäßigen Abständen immer wieder auf, auch wenn man sie eigentlich nicht für relevant hält. Im Editorial der aktuellen Ausgabe des "Journal of Family Therapy" erzählt Herausgeber Mark Rivett von einer Situation aus seiner Ausbildung zum Familientherapeuten, als er, nachdem er Klienten nach ihren Gefühlen gefragt hatte, im Rahmen der Life-Supervision über das Telefon von seinem Supervisor die Anweisung erhielt, die damit erfragten Informationen über Fragen nach den Interaktionen im Klientensystem zu erlangen. In diesem Heft geht es genau um diese wiederkehrenden Fragen nach dem Selbst und der Bedeutung der Gefühle - mit Beiträgen von Sim Roy-Chowdhury, Sheila McNamee, David Pocock und Inga-Britt Krause, begleitet von einem zweiten Themenschwerpunkt zu Fragen der Ausbildung in Systemischer Therapie und Supervision. Zu den vollständigen abstracts…
Monday, November 1. 2010
 Jugendliche dazu zu bewegen, an einem Familiengespräch teilzunehmen und über ihre Probleme oder Sicht der Dinge zu reden, ist keine leichte Aufgabe. Jürg Liechti, Psychiater und Systemischer Therapeut aus Bern, hat dazu ein fallbezogenes und daher praxisnahes, sehr lesenswertes Buch geschrieben: "Erwachsene suchen unter dem Eindruck von psychischer Beeinträchtigung und Hoffnung auf Besserung von sich aus eine Beratung oder Psychotherapie auf. Um Kinder für eine Kinderpsychotherapie zu gewinnen, braucht man die Unterstützung der Eltern. Aber wie ist es mit seelisch leidenden Jugendlichen? Die lassen sich nicht so schnell in die Karten blicken. Und gerade jene, die am meisten gefährdet sind, neigen am wenigsten dazu, Hilfe zu suchen (…). Stattdessen streiten sie ab, dass etwas nicht stimmt, lehnen Hilfe ab, geben sich undurchsichtig, arrogant, unbeteiligt, cool oder gleichgültig – ungeachtet aller Risiken, die sie dadurch für sich und andere in Kauf nehmen." Diese Erfahrung können wohl viele TherapeutInnen bestätigen. Gisela Schulte hat eine Rezension verfasst: "Herr Liechti stellt die Aufgabe, diesen belasteten Jugendlichen eine hilfreiche Unterstützung anzubieten, als eine hohe Kunst dar, und wer damit in der Praxis zu tun hat, weiß dies. Er vermittelt eine Haltung, die Klienten in ihrer Verantwortung um die eigenen Themen und Fragen stets ernst zu nehmen, und tut dies mit einen angenehm lesbaren Klang, der sich durch das ganze Buch zieht, ohne zu beschönigen. Das Buch vermittelt, wie ernst es ihm mit seinem Anliegen ist, die Jugendlichen zu erreichen und sich mit der Aussage: »die sind unmotiviert« auf keinen Fall zufriedenzugeben." Zur vollständigen Rezension…
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