Wie aus gut informierter Quelle im Sozialministeriums bekannt wurde, soll die geplante Hartz-IV-Erhöhung von 5,00 € im kommenden Jahr nicht als Geldleistung, sondern nur als Hotel-Gutschein ausgezahlt werden. Eine entsprechende Regelung wurde auf Drängen der FDP in die Umsetzungsbestimmungen von Hartz-IV eingefügt. Ziel der Aktion soll sein, dass Hartz-IV-Empfänger die Summe nicht planlos für alltägliche Dinge ausgeben, sondern angehalten sind, sich in gewissen Abständen auch mal etwas Besonderes zu gönnen. Als Kooperationspartner der Bundesregierung konnte die international tätige Mövenpick-Gruppe gewonnen werden, mit der die FDP als Regierungspartei schon seit längerem gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht hat. Inzwischen ließ sich auch eine Erklärung aus der FDP-Fraktion einholen. Fraktionschefin Birgit Homburger: "Auch Hartz-IV-Empfänger müssen ab und zu mal aus ihrem Milieu heraus und einen Tapetenwechsel machen. Leider lässt sich das aus den normalen Regelsätzen nur schlecht finanzieren. Mit den Hotelgutscheinen können auch diese Familien ihren Traumurlaub ansparen. Wir haben berechnet, dass eine fünfköpfige Familie sich schon mit ca. 600 angesparten Gutscheinen ein ganzes Wochenende im Mövenpick Jedda Al Nawras Resort in Saudi-Arabien vom Leben mit Hartz-IV erholen kann, dabei sind Hin- und Rückflug sowie ein Frühstück im Hotel schon eingeschlossen, das so reichhaltig ist, dass man für den Rest des Aufenthaltes auch damit hinkommt". Allerdings hat der Plan bereits Kritik der Opposition hervorgerufen, die den Urhebern dieser Idee "spätrömische Dekadenz" vorwerfen.
In einem Beitrag für die "Brief Strategic and Systemic Therapy European Review" (1/2004) stellt Giorgio Nardone (Foto: www.giorgionardone.it) seine Fragetechnik im Erstgespräch vor, die anstelle von offenen Fragen geschlossene Fragen vorsieht, in denen jeweils vom Therapeuten Antwortalternativen generiert werden: "This article is a revised version of the workshop carried out by Prof. Nardone held on the last day of the conference. The workshop explored the importance of the first session and the use of the strategic dialogue in the Advanced Brief Strategic Model. Through the use of the strategic dialogue, the first session, now, embraces the first stage of the therapy, that is, the definition of the problem, the identification of the perceptive-reactive system and of the attempted solutions and definition of objectives) and the second stage, where small changes already take place." Zum vollständigen Text…
Einem Team um Genforscher Vaig Crenter ist erstmals der Nachweis eines Gens (Abb.: Wikipedia) gelungen, das die Bevorzugung genetischer Erklärung von Verhaltensweisen bei Genforschern reguliert. Nachdem jahrelang unklar war, warum Genforscher mit z.T. großem Aufwand versucht haben, für alle möglichen Verhaltensweisen und Einstellungen Gene als Ursachen zu identifizieren, ist nun offenbar ein Durchbruch gelungen. Erstmals konnte zur Überraschung der wissenschaftlichen Fachwelt nachgewiesen werden, dass genetische Erklärungen von einem Gen mit dem Namen GEN-AU-4711 hervorgebracht werden. Das Gen wurde in unmittelbarer Nachbarschaft dreier weiterer bedeutsamer Gene entdeckt, nämlich dem Komplexitätseliminierungs-Gen, dem Kontext-Vernachlässigungs-Gen und dem Drittmitteleinwerbungs-Gen, die alle drei als Mitverursacher für den großen Erfolg der Verhaltensgenetik als Wissenschaftsdisziplin betrachtet werden können. Allerdings sei dieses Gen nicht bei allen Wissenschaftlern „aktiviert“, betonte Crenter in seiner Presseerklärung. Er sei aber optimistisch hinsichtlich der Perspektiven, die mit dieser Entdeckung für sein Fachgebiet eröffnet würden: „Wir werden erstmals in der Lage sein, durch gezielte Aktivierung dieses Genes auch Kollegen von der Erklärungskraft genetischer Hypothesen zu überzeugen, die bislang die zu erklärenden Phänomene für komplex und kontextabhängig gehalten haben“.
Heft 3/2010 bietet neben der Vorstellung von Methoden in Supervision und Coaching (Geschichten erzählen, imaginatives 360-Grad-Feedback, Einsatz von Metaphern, Arbeit mit dem inneren Team) auch einen lesenswerten Aufsatz von Ferdinand Buer über "Supervision als Ermächtigungstechnologie in Organisationskulturen". Die abstracts aller Beiträge finden Sie hier…
"In den letzten Jahren hat eine konsequente Nutzung moderner Selbstorganisationstheorien für ein Verständnis der in Beratung, Psychotherapie und Management ablaufenden Prozesse begonnen. Es besteht die Erwartung, die Praxis durch diese Theorien sowohl optimieren als auch vereinfachen zu können. Im Folgenden wird versucht, wesentliche Aspekte von Psychotherapie im Sinne eines synergetischen Therapiemodells zu rekonstruieren. Ein Fallbeispiel dient der Illustration. Schließlich werden einige wenige „generische Prinzipien“ formuliert, die im Verständnis der Synergetik gegeben sein müssen, um selbstorganisierende Prozesse bei Klienten möglich zu machen." So beginnt ein Artikel, den Günter Schiepek, Friederike Ludwig-Becker, Andrea Helde, Frank Jagdfeld, Ernst Richard Petzold & Friedebert Kröger im Jahre 2000 in "System Familie" veröffentlicht haben, und der in der systemischen Bibliothek von systemagazin nachzulesen ist. Zum vollständigen Text geht es hier…
da ist ja wieder einmal ein interessantes Heft "Psychotherapie im Dialog" erschienen. Namhafte Autoren, vielseitige Beiträge über den aktuellen Stand der Familientherapie: Settings, Methoden, Evaluation, Konzepte (zu den vollständigen abstracts geht es hier…). Allerdings verwundert es schon, dass auch in diesem Heft wieder auf Literaturangaben verwiesen wird, die im Heft selbst gar nicht zu finden sind und auch online nichtmals mit dem Autorentext verbunden sind. Das ist ja an dieser Stelle auch schon zweimal kritisiert worden. Da die meisten Autoren des aktuellen Heftes auch nicht allzuviele Literaturangaben gemacht haben, ist die Mehrzahl der Texte diesmal auch nicht betroffen. Es stellt sich aber die Frage, warum es keine Reaktion auf öffentliche Kritik gibt. Vielleicht gibt es ja gewichtige Gründe, diese Praxis fortzuführen. Leserfreundlichkeit? Befreiung von wissenschaftlichem Ballast? Papiermangel? Fliegenpilz-Konsum? Wer weiß das schon. Meckern denn eigentlich nicht die AutorInnen? Ich kann mir als Autor nur schwer vorstellen, einen Text zu veröffentlichen, in dem ich Quellen zitiere, die erst in einem anderen Dokument im Internet gesucht und gefunden werden müssen. Aber vielleicht stelle ich mich da auch nur ein bisschen an.
2003 hat Kurt Ludewig - als Grundlage für Übersetzungen ins Englische und Französische - eine Darstellung der Entwicklung der Systemischen Therapie in Deutschland verfasst, die trotz der Tatsache, dass sich die Dinge in den vergangenen Jahren fortentwickelt haben (Wiss. Anerkennung etc.), immer noch sehr lesenswert ist. Der Text ist nie in einer Printversion veröffentlicht worden, aber auf der website von Kurt Ludewig zu lesen: "Wie alle einmal etablierten psychotherapeutischen Verfahren erfährt auch die Systemische Therapie eine wachsende Binnendifferenzierungen. Zum einen scheint dies eine “natürliche” Folge systemischen Denkens und des damit verbundenen Verzichts auf absolute Wahrheiten widerzuspiegeln - eine normative „Linientreue“ kann weder gefordert noch erwartet werden. Zum anderen scheint es sich um jene ebenso „natürliche“ Folge zu handeln, die aus der konstitutiven Unbestimmbarkeit von Gegenstand und Methode der psychotherapeutischen Profession resultiert (…). Die Geschichte der Psychotherapie zeigt, dass jeder neue Versuch, die Psychotherapie möglichst umfassend und endgültig zu definieren, über kurz oder lang Dissens provoziert und so auch zu Differenzierungen führt. Die Sehnsucht des deutschen Psychotherapieforschers Klaus Grawe (…), einiges Tages eine „nicht-konfessionelle“, einheitliche Allgemeine Psychotherapie nach dem Muster medizinischer Therapien etabliert zu haben, dürfte nicht nur aus berufspolitischen, sondern auch aus Gründen, die der Struktur psychischer und sozialer Systeme innewohnen, eine Illusion bleiben. Eine Vereinheitlichung der Psychotherapie würde nur um den Preis erreicht werden, dass ihr Gegenstand, das - prinzipiell variable - Erleben und Verhalten des Menschen, die in - prinzipiell variablen - räumlichen und zeitlichen Kontexten auftritt, im Sinne von Foersters „trivialisiert“ bzw. normiert würde. Psychotherapie als komplexe Profession muss mehr in sich vereinbaren als nur den Wissenschaftsaspekt." Zum vollständigen Text…
Christoph Zimmermann und Bernhard Muhler haben einen Band mit Erfahrungen von Beratern, Trainern, Managern und Coaches in der praktischen Anwendung systemisch-konstruktivistischer Ansätze und Methoden gestaltet, der u.a. Beiträgen von Martin Alkin, Peter Bauer, Marie-Luisa Capozzi, Sabine Doerfler, Katrin Gessler, Thomas Keppler, Bernhard Muhler, Idzumi Neumärker, Kristina Pilz, Stefan Schwarz, Nino Tomaschek, Alexander Wagner, Gabriele Wenning, Gabriele Weyand, Silke Wittkemper und Christoph Zimmermann enthält. systemagazin präsentiert als Vorabdruck einen Beitrag von Jörg Niemeyer mit "Reflexionen zur systemischen Haltung". Zum Vorabdruck…
Einem sozialkonstruktionistischen und narrativen Ansatz folgend, geht Gianmarco Manfrida, Psychiater Psychologe und psychotherapeutischer Direktor des Zentrums zur Erfoschung und Anwendung Relationaler Psychologie in Prato sowie Professor für Systemische Relationale Psychologie an den Universitäten Florenz und Siena, der Frage nach, welche Kriterien gute therapeutische Narrative erfüllen müssen. "Cicero says that there are three ways to persuade others: with the force of the facts, by gaining their favor, by moving them. But of these three, he adds, only one must be apparent in the discourse, the one that refers to the facts, while the other two must flow through it invisibly, like blood in the body. This work, which makes detailed reference to a sociological approach of social constructionism and a narrative model, proposes to define what characteristics a therapeutic story must have in order to be effective in the sense of bringing about a change, identifying these characteristics as plausibility, persuasiveness and esthetic value. Particular emphasis is given to the persuasive aspects of communication of the new story; the models inspired by classic rhetoric are flanked with the results of studies of social psychology, drawing on strategies of persuasion currently used in advertising, trade and politics, and illustrating them through the detailed examination of a conclusive restitution." Der Text ist auf der website der EFTA veröffentlicht worden und hier nachzulesen…
In einem interessanten Aufsatz kritisiert der Soziologe Richard Münch die Verwendung des Autopoiese-Begriffs in der Theorie Niklas Luhmanns, die in erster Linie rein analytisch angelegt sei, aber über keine empirische Deckung verfüge: "Der Begriff der strukturellen Kopplung ist eine Antwort von Luhmann, die ihm durch eine zunehmende Kritik aufgezwungen wurde. Diese konnte zeigen, dass die empirische Autonomie von Systemen vor allem von Faktoren konstituiert wird, die sich außerhalb dieser Systeme befindet. Tatsächlich ist die Einführung der „strukturellen Kopplungen“ in das Theoriegebäude nichts geringeres als der Zusammenbruch der Theorie des autopoietischen Systems selbst. Wie kann sich ein System durch seine eigenen Operationen und durch nichts als diese Operationen reproduzieren, wenn wir erfahren, dass seine Existenz gleichzeitig von Operationen abhängt, die außerhalb des Systems selbst liegen? Ein autopoietisches System reproduziert sich selbst, weil es die Fähigkeit besitzt, seine Elemente empirisch und nicht nur analytisch zu reproduzieren. Ein autopoietisches Rechtssystem müsste seine Definitionen von rechtlich richtig oder falsch empirisch reproduzieren. Dies ist jedoch weit von der Wirklichkeit entfernt, weil die empirische Definition von rechtlich richtig oder falsch, der rechtliche Code und noch mehr das Rechtsprogramm nicht nur von eindeutig rechtlichen Konzepten abhängen, sondern auch von kulturellen Gerechtigkeitskonzepten, vom Vertrauen der Menschen in die Gerichte, von der Durchsetzungskraft der juristischen Berufe, von Zahlungen für juristische Dienstleistungen und von politischen Konstellationen. Damit ist die Definition, was rechtlich richtig oder falsch ist, empirisch ein rechtlicher, kultureller, gemeinschaftlicher, ökonomischer und politischer Akt zugleich. Die Autonomie des Rechtssystems in modernen Gesellschaften ist nicht einem wundersamen Zusammentreffen von Autopoiesis und struktureller Kopplung in einem evolutionären Prozess geschuldet, sondern ist ein sehr zerbrechliches Ergebnis von andauernden und niemals endenden kulturellen, gemeinschaftlichen, rechtlichen, ökonomischen und politischen Kämpfen um die Definition des rechtlichen Codes und Programms." Der Aufsatz ist in einem von Gerhard Preyer, Georg Peter und Alexander Ulfig herausgegebenen Sammelband erschienen, der u.a. auch Beiträge von Luhmann selbst enthält und als Open-Access-Buch bei Humanities Online im Velbrück-Verlag im PDF-Format heruntergeladen werden kann. Zum Online-Buch…
"According to its supporters, integrated care increases collaboration, improves care, and makes psychotherapy more central to health care — and of course, saves insurance companies and public funders a ton of money. What the proposed advantages obscure is the inevitability that, in the name of integration, psychotherapy will become ever more dom- inated by the assumptions and practices of the medical model; that much like an overpowered civilization in the sci-fi adventure Star Trek, we will be assimilated into the medical Borg. The mental health professional of the coming integrated care era (…) will be a specialist in treating specific disorders with highly standardized, scientifically proven interventions. At issue here are not the advantages of greater collaboration with health care professionals or of bringing a psychological or systemic perspective to bear on medical conditions. Rather, at issue is whether we will lose our autonomy as a profession by becoming immersed in the powerful culture of biomedicine, breaking the already tenuous connection to our nonmedical, relational identity. The resulting influx of potential mental health clients into the primary care setting will further promote the conceptualization of mental 'disorders' as biologically based and increase current trends toward medication solutions." (In: The Heroic Client. A Revolutionary Way to Improve Effectiveness Through Client-Directed, Outcome-Informed Therapy. Jossey-Bass, San Francisco 2004, 2. Ed., S. 5)
Helm Stierlin legt mit diesem Band, der in dieser Woche im Carl-Auer-Verlag erschienen ist, eine "eine persönliche Bilanz" über sein eigenes Sinnerleben und seine Sinnsuche vor. "Der Wandel in meiner persönlichen Sinnsuche lässt sich … kaum getrennt von dem Wandel der sozialen und politischen Verhältnisse betrachten, den ich im Laufe der Jahrzehnte miterlebte. Und dabei stellte und stellt sich auch die Frage: Wie vermochten und vermögen besonders Wandlungen im Bereich von Psychiatrie und Psychotherapie bei Betroffenen, zu denen auch ich gehöre, eine Sinnsuche sowohl zu spiegeln als auch anzustoßen?" systemagazin bringt einen Auszug aus dem ersten Kapitel als Vorabdruck. Zum vollständigen Text…
Die aktuelle Kontext-Ausgabe wartet mit drei Beiträgen aus der Praxis für die Praxis auf: Silvia Bickel-Renn schreibt über Intuition und innere Achtsamkeit in der systemischen Praxis, Götz Egloff schildert einen Fall von Familientherapie ohne Familie und Andre Kleuter steuert einen Aufsatz über Systemische Beratung von Mobbingbetroffenen bei. Zu den vollständigen abstracts…
"Was kann die Bildung von der Medizin lernen? Sehr viel! So die überraschende Antwort dieses Buchs. Denn es gibt für die Bildung ebenso einen Weg aus der Krise wie für den entzündeten Blinddarm: indem man die richtigen Diagnosen stellt und die richtigen Therapien sorgfältig erforscht". So vollmundig kündigt der Spektrum Verlag Heidelberg das neue Buch des Gehirnforschers Manfred Spitzer über den Weg aus der Bildungskrise an. Andreas Manteufel hat das Buch für systemagazin gelesen und findet, dass die Pädagogik bei Spitzer zu schlecht und die Medizin zu gut wegkommt: "Am spannendsten erlebe ich die Lektüre dort, wo Spitzer wissenschaftliche Untersuchungen methodenkritisch seziert und in ihre politischen und ethischen Bezüge einordnet, natürlich in Relation zu seiner eigenen Werteskala. Wenn wir ehrlich sind, ist das ein Dilemma der Hirnforschung: Wer will, findet dort immer eine Bestätigung für seine Thesen, je nachdem welche Befunde er auswählt und wie er sie interpretiert. In einem ist die Lektüre aller Spitzer-Bücher, auch des vorliegenden, immer wertvoll: In der verständlichen Übersetzung aktueller Hirnforschung in die Alltagssprache und der konsequent interdisziplinären Herangehensweise an das Thema Lernen und Bildung." Zur vollständigen Rezension…