Sunday, September 21. 2008
Am 6. September habe ich an dieser Stelle auf eine Arbeit von Harald Wasser zum Verhältnis von Systemtheorie und dem Unbewussten hingewiesen. Wasser hat eine weitere bemerkenswerte Arbeit über Psychoanalyse und Systemtheorie ins Netz gestellt, die eine Zusammenfassung seiner Dissertation darstellt, die unter dem Titel "„Sinn - Erfahrung - Subjektivität. Eine Untersuchung zur Evolution von Semantiken in der Systemtheorie, der Psychoanalyse und dem Szientismus" 1995 verfasst wurde. Das Projekt skizziert Harald Wasser folgendermaßen: "Die folgende Erörterung stellt dem zum Trotz den Versuch dar, sich der Psychoanalyse nicht mit den bekannten hermeneutischen und noch weniger mit naturwissenschaftlichen beziehungsweise kritisch-rationalistischen Argumentationsfiguren zu nähern. Statt dessen soll hier in einer kurzen, aber hoffentlich prägnanten Erörterung der Versuch skizziert werden, die Psychoanalyse als eine Theorie autopoietischer Systeme zu rekonstruieren. Dies geschieht nicht nur, um eine neue Sichtweise der Psychoanalyse zu gewinnen, sondern auch, um herauszufinden, ob es möglich ist, eine leistungsfähige systemtheoretische Theorie psychischer Systeme anbieten zu können, die von den Erkenntnissen Freuds ausgeht. Um eine Anfangsplausibilität für die folgende Rekonstruktion der Psychoanalyse herzustellen, können hier andeutungsweise vier Berührungspunkte zwischen der Freudschen und der Luhmannschen Theorie des psychischen Systems angesprochen werden: Erstens hat Freud die Psyche stets als ein System angesehen und nicht
etwa als Erlebenssphäre eines (transzendentalen oder empirischen) Subjekts, zweitens tritt bei Freud der Erfahrungsbegriff in einer Weise auf, die den Gedanken einer Autopoiesis des Erlebens von sich aus nahelegt, drittens beschrieb Freud das psychische System stets als ein Sinnsystem und viertens hat er die von ihm entworfene Theorie der Differenzierung in Subsysteme mit einer Theorie der Codierung verbunden. Im Laufe der vorliegenden Untersuchung werden sich jedoch wesentlich weitergehende Gemeinsamkeiten ergeben, Gemeinsamkeiten, die rechtfertigen sollten, von der Freudschen Psychoanalyse als von einer systemtheoretischen Psychologie sprechen zu können." Zum vollständigen Text…
Wednesday, September 17. 2008
 (DGSF, 17.9.08): Dr. Julika Zwack, Universität Heidelberg, ist in diesem Jahr Preisträgerin des mit 3000 Euro dotierten Forschungspreises der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF). Ausgezeichnet wurde ihre Promotionsarbeit "Systemische Akutpsychiatrie als multiprofessionelle Praxis". Die Preisträgerin hat in drei großen psychiatrischen Kliniken des SYMPA-Projektes (Systemtherapeutische Methoden in der psychiatrischen Akutversorgung) untersucht, wie sich die Arbeitssituation auf den Stationen verändert, wenn ein systemtherapeutisches Behandlungskonzept mit gemeinsamer Weiterbildung ganzer Stationsteams eingeführt wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Burnout-Belastung der Klinikmitarbeiter sinkt, dass sich das Teamklima auf mehreren Skalen verbessert und dass sich die Pflege als eigenständige, auch therapeutisch tätige Berufsgruppe emanzipiert. Julika Zwacks Bestandsaufnahme der veränderten Arbeitsweisen nach Abschluss der systemischen Weiterbildung macht anschaulich: Eine familien- und systemorientierte Behandlungsweise ist in psychiatrischen Kliniken der Regelversorgung gut realisierbar. Sie erleichtert und verbessert die Zusammenarbeit der psychiatrischen Fachleute mit ihren Patienten und deren Angehörigen. Julika Zwack hat Teile ihrer Ergebnisse in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht, unter anderem in der Zeitschrift „Psychiatrische Praxis“, in „Familiendynamik“ und im britischen „Journal of Family Therapy“. Die Preisträgerin ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Heidelberg. systemagazin gratuliert Julika Zwack zum Forschungspreis! Zur Zusammenfassung der Studie…
Tuesday, September 16. 2008
"Ratkes", was vielleicht mit "Weiter so!", "Das isses!" übersetzt werden kann, ist der Name einer finnischen Vereinigung Lösungs- und Ressourcenorientierter BeraterInnen und TherapeutInnen, sowie auch der Name der Zeitschrift, die sie herausgibt. Einer ihrer produktivsten Autoren ist Tapio Malinen, der unter anderem eine Reihe von Interviews publiziert hat, so mit Michael Hoyt (hier…) oder Yvonne Dolan (hier…). Vor Kurzem nun hat Tapio Malinen einen ebenso kurzweiligen wie ernsthaften Text veröffentlicht, in dem er verbindende Muster buddhistischer Lehren, Wittgensteinscher Philosophie und postmoderner Therapieansätze beschreibt. Nachdem der buddhistische Mönch Dharmapala im Jahr 1904 in Harvard einen Vortrag über das "Nicht-Selbst" gehalten hatte, sagte William James dem Auditorium voraus, dies sei in einem Vierteljahrhundert der Mainstream der Psychologie. Auch wenn dies nicht der Fall war, so zeigen sich mittlerweile doch einige bemerkenswerte und nachhaltige Verbindungen. In Malinens Aufsatz werden diese Verbindungen verständlich skizziert. Inwieweit solche Überlegungen passen zu der Dynamik um eine fundamentale Einbindung unserer Profession in festschreibende Rahmenbedingungen ist eine andere Frage. Sie berührt vermutlich heftig jegliche vertiefende Idee darüber, wie wir unsere Profession überhaupt verstehen wollen oder sollen (oder auch: können?). Nicht auszuschließen, dass dabei auch konstruktive Kräfte frei werden. Wie auch immer: man muss wohl keine buddhistischen Bekenntnisse ablegen, um sich von den von Malinen angebotenen Überlegungen anregen zu lassen. Zum Aufsatz, der in Ratkes Nr.3/2008 erschien, geht es hier…
 In der "Zeitschrift für systemische Therapie" 3/1999 erschien ein Aufsatz von Bernd Schmid, Joachim Hipp und Sabine Caspari mit dem obigen Titel, in dem sie sich auf einem transaktionsanalytischen Hintergrund mit dem Phänomen der Intution auseinandersetzen: "Eric Berne entwickelte das Konzept der Intuition als Instrument für Therapeuten und Berater. Verknüpft mit wirklichkeitskonstruktiven Ideen bedeutet die Nutzung von Intuition eine reiche Quelle der Selbstorganisation und -steuerung in der Beratung von Menschen und Systemen. Besonders in hochkomplexen Situationen und bei knappen Ressourcen stellt sie ein unerläßliches Medium für "Inspiration" dar und ist damit eine Möglichkeit, in professionellen Situationen Überschaubarkeit, Handlungsfähigkeit und wechselseitige Abstimmung herzustellen. In diesem Artikel werden einige Modellüberlegungen aufgezeigt, die sinnvolle Fragestellungen für die Professionalisierung von Beratern und Trainern ergeben".
Zum vollständigen Text…
Friday, September 12. 2008
In einer interessanten Seminar-Arbeit "Wie ist nicht-ontologische Theorie möglich? Konsistenzprüfung der Luhmannschen Systemtheorie" hat sich Andreas Kirchner mit der Frage beschäftigt, inwiefern Luhmann in seiner anti-ontologischen Theoriekonzeption doch selbst auch wieder zu ontologischen Theoriefiguren Zuflucht genommen hat. In seinem Resümee heißt es: "Weil jedes System fixe, nicht weiter hinterfragbare Bezugspunkte benötigt, produziert es, quasi als Nebenprodukt seines Operierens, Ontologien. Genauso die Systemtheorie. Das macht auch verständlich, warum Angriffe von Kritikern immunisiert, das heißt in Begriffe der Systemtheorie übersetzt und von dort aus relativiert, werden. Luhmanns Systemtheorie bestimmt sich selbst einerseits als Kontingent, andererseits aber muss sie, gemäß ihrer eigenen Beschreibungen über Systemverhalten, zwangsläufig ontologisieren, muss zwangsläufig alles von ihrer systemeigenen Logik aus betrachten (denn jede Beobachtung ist Beobachtung erster Ordnung). Die Systemtheorie lernt dadurch etwas über sich selbst, nämlich: dass Soziales nur dann als System beschrieben werden kann, wenn es als System beschrieben wird. Darüber hinaus geht die Systemtheorie nicht und kann sie - wenn sie ihren Universalitätsanspruch behalten will - auch nicht gehen." Zum vollständigen Text…
Saturday, September 6. 2008
 In der Zeitschrift "Soziale Systeme" erschien 2004 ein bemerkenswerter Beitrag von Harald Wasser, Autor zahlreicher Publikationen u.a. zu den Themen Medientheorie, Systemtheorie, Psychologie, Hirnforschung und Psychoanalyse, der sich mit der Problematik des Ausschlusses des Unbewussten aus der Luhmannschen Systemtheorie beschäftigt, für die das psychische System mit Bewusstsein zusammenfällt. Der Artikel ist auch im Internet zu lesen. In der Zusammenfassung heißt es: "Durch aktuelle Forschungen veranlasst gehen zunehmend auch psychologische Strömungen, die teilweise über Jahrzehnte konträr zu Freuds Ansichten gestanden hatten, davon aus, dass die Psyche nicht nur bewusst, sondern auch unbewusst operieren kann. Nun lässt sich, wenn man Luhmann beim Wort nimmt, systemtheoretisch kein Unbewusstes konstruieren. Damit ist für die Systemtheorie die Möglichkeit, an derartige Forschungen bzw. Forschungsrichtungen anzuschließen, verbaut. Entgegen des transdisziplinären Versprechens, das Luhmann gegeben hatte, können somit aber nur bewusstseinsphilosophisch-kognitivistische Psychologien von Systemtheoretikern berücksichtigt werden. Das wäre - so bedauerlich es ist - vertretbar, wenn es sich konsequent aus der systemtheoretischen Theoriearchitektur ableiten ließe. Der Artikel versucht nachzuweisen, dass genau dies aber nicht der Fall ist. Ganz im Gegenteil ergibt sich die Rejektion der Annahme, die Psyche könne auch unbewusst operieren, aus einem einzigen Postulat, das nicht nur revidierbar ist, sondern aus ganz verschiedenen Gründen revidiert werden sollte. Es handelt sich dabei um das Postulat von der Identität von Psyche und Bewusstsein. Dieses Identitätspostulat lässt sich aber nur aus einer subjekt- bzw. bewusstseinsphilosophischen Tradition heraus rechtfertigen, aus einer Tradition also, mit der die Systemtheorie bekanntlich gerade brechen möchte. Interessant ist nun, dass, sobald man auf dieses Postulat verzichtet, die Konstruktion eines Unbewussten systemtheoretisch keinerlei Schwierigkeiten mehr macht. Der Artikel versucht darzulegen, dass mit dem Entfallen des Identitätspostulats neben der konsequenten Darstellung der Systemtheorie als einer transdisziplinären Theorie einige weitere Vorteile entspringen sowie eine Reihe von Widersprüchen aufgelöst werden können. Selbstverständlich sind umgekehrt bewusstseinsphilosophisch orientierte Psychologien mit der Verabschiedung vom Identitätspostulat keineswegs gezwungen, nun ebenfalls ein Unbewusstes zu postulieren: Die Annahme eines Unbewussten wird ja nicht zwingend, aber sie wird zu einer tragfähigen Option. In jedem Fall kann die Systemtheorie auf diese Weise deutlich Abstand zur Bewusstseinsphilosophie gewinnen, womit zugleich ihre Distanz zur Subjektphilosophie mehr Substanz erhielte." Zum vollständigen Text…
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