Friday, April 20. 2007
"Ist die Menschheit angesichts des drohenden Kollapses der globalen Ökosysteme und der wieder (wie oft eigentlich noch?) wachsenden militärischen Bedrohung noch zu retten? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Die Wahrscheinlichkeit einer Rettung scheint von Stunde zu Stunde immer geringer zu werden." So eröffnet Klaus Mücke sein Editorial als Gastherausgeber der neuesten Ausgabe der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung. Von der Rettung der Menschheit ist aber eigentlich nur im Eröffnungsbeitrag von Klaus Mücke selbst die Rede, der sich an die LeserInnen selbst wendet und sich dabei in gewisser Weise des Predigt-Formates bedient: "Wenn Sie den Kontextbezug Ihrer Lebensziele auf das gesamte Universum, das alles Leben auf diesem Planeten hervorgebracht hat, erweitern, können Sie kaum fehlgehen! Sie erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihr in dieser Hinsicht zielorientiertes Handeln für die Menschheit, für Ihr Heimatland, für Organisationen, denen Sie angehören, für Ihre Familie und für Sie selbst positiv auswirkt. Erst dieser Kontextbezug Ihrer Lebensziele ist eine wesentliche Voraussetzung für Sinnerfüllung und Glückserleben" (S. 82). Ich werd's versuchen. Fritz B. Simon konzentriert sich auf die Möglichkeiten der effektiven gewaltfreien Einflussnahme auf gesellschaftliche Verhältnisse am Beispiel der subversiven Kampagnen von Greenpeace und versucht, die Kraft der Subversion auch systemtheoretisch zu reformulieren. Ludwig Paul Häußner macht in einem Beitrag über die selbstständige Schule den Vorschlag, die Bildungsfinanzierung von der Föderung von Schulen auf die Förderung von Subjekten in Form von Bildungsgutscheinen umzustellen und so einen Qualitätswettbewerb von Bildungsanbietern in Gang zu setzen. Wilhelm Rotthaus reflektiert noch einmal die veränderten Bedingungen für Kindheit, die Kinder zwingt, erwachsener zu sein und gleichzeitig Erwachsenen ermöglicht, kindlicher zu sein. Diese veränderten Bedingungen werden auf ihren Zusammenhang mit dem Wandel der Anforderungen an selektive Aufmerksamkeit, Konzentration und Impulskontrolle untersucht. Zu den vollständigen abstracts…
Thursday, April 19. 2007
 Hubert Markl, emeritierter Professor für Biologie an der Universität Konstanz und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Max-Planck-Gesellschaft, hat im neuen Merkur einen bemerkenswerten Aufsatz mit dem Titel "Menschenleben heißt Sterbenlernen" verfasst, der sich mit der Todesverleugnung in unserer Gesellschaft beschäftigt: "Die derzeitige Debatte über unsere demographische Wirklichkeit dringt unaufhaltsam aus Forschungsinstituten und Hörsälen in die Medien und erobert die Köpfe derer, die doch längst zugleich Verursacher und Opfer dieser Entwicklung sind. Viele meinen, sich nur um Altersversorgung, Rentensicherheit und Pflegenotstand ängstigen zu müssen. Andere flüchten vor der Wirklichkeit in Nachwuchssehnsüchte oder Schönrederei des Alterns. Aber wer die Menschheit auf längere Sicht überleben lassen will, kann nicht deren weiteres unbegrenztes Wachstum erträumen; und er weiß auch, daß der demographische Übergang in den bevorstehenden Generationen eine Sterbewelle an Alten zur Folge haben wird, die der – zumeist infektionskrankheitsbedingten – Sterbewelle der Jüngsten in früheren Jahrhunderten nicht nachsteht und dennoch nur scheinbar gleicht. Denn wo diese grausam, aber schnell für die unvermeidliche Populationsbegrenzung durch den frühen Tod von Kindern sorgte, die kaum ins Bewußtsein einer Gemeinschaft getreten waren, bringt es der medizinische Fortschritt im Verein mit humanitärer Gesinnung mit sich, daß das Sterben der vertrauten und mitten im Leben der Gesellschaft stehenden Alten viel grausamer hinausgezögert und bis zur Unerträglichkeit verlängert wird. Verbunden wird dies mit dem Todesbekämpfungswahn eines gewichtigen ökonomischen, aber karitativ einherkommenden Sektors, der sich auch an notwendiger Pflege, Betreuung und Behandlung geschickt zu bereichern weiß, während er dabei immer nur von Gottesfurcht und Menschenliebe redet und manchmal geradezu von erhabener Moral trieft (aber oft auch tatsächlich von ihr überzeugt ist)." Der Beitrag mündet in ein nachdrückliches Plädoyer für die unveräußerbare Verfügung des mündigen Bürgers über sein eigenes Leben und seinen eigenen zukünftigen Tod, gerade auch bestimmt für den Zeitpunkt, in dem er diese Verfügung selbst nicht mehr in eigene Hände nehmen kann: "Es grenzt schon ans Groteske, wenn Grundgesetz und Staat den eigenen Willen von Bürgern in Vermächtnissen und Stiftungswillensbekundungen bis weit über den individuellen Tod hinaus schützten, die Eigenverfügung über Leib und Leben des Einzelnen selbst jedoch für minder beachtlich fänden – eine andere Art, Eigentum über Leben zu beanspruchen, selbst wenn der Einzelne dies als lästiges Verhängnis und Übel empfinden sollte. Wer Selbsttötung aus freier Entscheidung wie eine Geisteskrankheit diffamiert, versucht dem Menschen Würde und Freiheit zu rauben, wenn diese sich gerade im Extremfall bewähren müssen." Zum vollständigen Text…
Friday, April 13. 2007
 Unter diesem Titel versammelt die neue Ausgabe von "perspektive mediation" Beiträge, die sich mit Fragen der Verbandsgründungen, Ausbildungs- und Anerkennungsstandards in der Mediatorenweiterbildung beschäftigen und bringt Länderberichte aus Kroatien, Tschechien, Polen, Schottland, Italien, Schweden und Frankreich. Zu den vollständigen abstracts…
Familienpolitik ist derzeit in aller Munde. Ein Grund für die Herausgeber der Familiendynamik, sich mit den unterschiedlichen (oder ähnlichen) familienpolitischen Konzepten zu beschäftigen. Das neue Heft versammelt einen Überblick der familienpolitischen Programme aller im Bundestag vertretenen Parteien mit dem Ziel, einen "kritischen, auch kontroversen Dialog zwischen Familienpolitik und Familienexperten anzustoßen" (104). Das wäre nun für sich genommen keine besonders hinreißende Lektüre, da die Programme genau das liefern, was man von Politikerprogrammen erwarten kann. Interessant ist aber die Rahmung der Texte, die sich die Herausgeber haben einfallen lassen. In einem ersten Beitrag macht der Familiensoziologe Hans Bertram, der Vorsitzende der Sachverständigenkommission zum 7. Familienbericht der Bundesregierung, darauf aufmerksam, dass junge Erwachsene heute im Gegensatz zu ihren Eltern angesichts der gegenwärtigen Anforderungen an Ausbildung, Beruf und Karriere nur halb so viel Zeit für die familiäre Zukunftsgestaltung bis zum 35. Lebensjahr haben, sich sozusagen in einer Rushhour des Lebens befinden. Die Zukunft der Familie hängt Bertram zufolge auch und vor allem von einem gelingendem gesellschaftlichen Umgang mit (Entwicklungs-)Zeit ab. Kurt Ludewig macht in einem engagierten Beitrag deutlich, dass die wirklich Benachteiligten von den gegenwärtigen Initiativen zur Förderung der Familie wahrscheinlich wenig profitieren werden: "Das Kindeswohl als Grundprämisse familienpolitischen Planens und Handelns anzusetzen ist nur dann sinnvoll, wenn dieser abstrakte Wert, der nur im jeweiligen Kontext verbindlichen Normcharakter gewinnen kann, nicht auf das reduziert wird, was die gebildete deutsche Mittelklasse dafür hält" (122). Als dritter rahmender Beitrag fungiert ein in Anlehnung an einen Begriff von Bateson "Metalog" genanntes Gespräch zwischen Oliver und Tomke König. Tomke König ist Soziologin und habilitiert derzeit zum Thema häusliche Arbeitsteilung an der Universität Basel, ihr Mann ist ebenfalls Soziologe und arbeitet in freier Praxis als Gruppentherapeut und Supervisor. Beide versuchen in ihrem Gespräch, den Politiker-Texten textimmanent auf den Zahn zu fühlen und zu erschließen, welche impliziten Problemdefinitionen den vorgestellten Lösungsangeboten zugrunde liegen. Darüber hinaus reflektieren sie aber auch ihre persönliche Situation als "junges Paar" und vergleichsweise "alte Eltern", die gerade ein anspruchsvolles Zeitmanagement mit einem Neugeborenen zu bewältigen haben. Ein interessantes Heft! Zu den vollständigen abstracts…
Sunday, April 8. 2007
 Zum 25jährigen Jubiläum des Instituts für Familientherapie Weinheim im Jahre 2000 brachte die Zeitschrift systhema ein bereits 1995 erstmals erschienenes Sonderheft der mit dem Titel "Zugänge zu familiären Wirklichkeiten. Eine Einführung in die Welt der systemischen Familientherapie" heraus, das von den Autoren Arist von Schlippe, Haja Molter und Norbert Böhmer als Beiheft zu ihrem gleichnamigen Einführungsfilm in das Thema gedacht war. Der Film erschien als Produktion der Video-Cooperative Ruhr, das Heft, das auf 48 Seiten einen leicht verständlichen Überblick über die Basics des systemischen Ansatzes gibt, steht als Download kostenlos zur Verfügung, und zwar unter diesem Link…
Wednesday, April 4. 2007
Die aktuelle Ausgabe von "Psychotherapie im Dialog" 1/2007 ist der stationären psychotherapeutischen Versorgung gewidmet und beleuchtet schulen-, berufsgruppen- und settingspezifische Aspekte wie auch ihre Einbettung in ökonomische und fachspezifische Kontexte. Die Herausgeber Wolfgang Senf, Volker Köllner und Henning Schauenburg merken in ihrem Editorial an: "Zuallererst kostet stationäre Psychotherapie Geld, das von den Krankenkassen oder von den Rentenversicherungsträgern aufgebracht werden muss. Da wird nicht nur argumentiert, dass das zu teuer sei, sondern auch, dass es stationäre Psychotherapie in dieser Form und diesem Ausmaß nur in Deutschland gebe, und es folgt die Frage, ob dieser Sonderweg effektiv und notwendig sei. … Inzwischen sieht es so aus, als würden die finanziellen und die klinischen Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Interessengruppen hin und her geschoben bzw. gezogen. Die Leistungserbringer im System, also Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken, tragen konkurrierende Standpunkte vor, wohin nun die stationäre Psychotherapie gehöre: Ist stationäre Psychotherapie Krankenbehandlung oder Rehabilitation? Die Kostenträger streiten sich ebenfalls, nämlich um die Frage, wer was zu bezahlen hat. Das sind Probleme, durch die die Kolleginnen und Kollegen in den psychotherapeutischen Krankenhäusern in den z. T. heftigen Auseinandersetzungen mit den Medizinischen Diensten der Krankenkassen unnötig viel Zeit und Kraft verlieren. Diese Streits um Kostenübernahmen enden oft erst vor den Sozialgerichten, meist im Nachhinein, d. h. nach erbrachter, aber eben nicht bezahlter Leistung. Warum diese Diskussion in der PiD? Wir denken, wir müssen das Thema aufgreifen. In den Jahrzehnten scheinbar grenzenlosen Wohlstandes und ökonomischen Wachstums unserer Gesellschaft hatten wir, die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die weltweit einzigartige Chance, die wissenschaftlich begründete Psychotherapie als anerkannte Heilmethode in der medizinischen Versorgung nachhaltig, strukturell zu implementieren. Stichworte sind die ärztliche Approbations- und Weiterbildungsordnung, das Psychotherapeutengesetz für Psychologen sowie das Finanzierungssystem. Qualifizierte Fachpsychotherapie ist unverzichtbarer Bestandteil unserer medizinischen Versorgung. Dies alles erscheint wegen kurzsichtiger, vor allem auch finanzieller Partikularinteressen gefährdet. Und dies betrifft zunächst eben auch die stationäre Psychotherapie. Lösungen können wir mit diesem Heft wohl kaum bieten, das zeigt die Kontroverse unter Standpunkte, die wir hiermit nur präsentieren können, in der Hoffnung, dass sie zukünftig konstruktiv geführt wird. Wir möchten mit diesem Heft dazu beitragen, dass diese Diskussionen zumindest öffentlich und transparent stattfinden (Um dies in größtmöglicher Weise zu gewährleisten, ist die gesamte Standpunkte-Diskussion im Internet frei zugänglich unter www.thieme.de/pid)." Zu den vollständigen abstracts…
|