Monday, November 27. 2006
 Unter der Adresse systemischer-diskurs.at existiert seit kurzem eine neue Internet-Adresse für systemisch interessierte Kolleginnen und Kollegen, ins Leben gerufen von Richard L. Fellner aus Wien. Wie der Name sagt, soll die website Gelegenheit für systemische TherapeutInnen, SupervisorInnen und BeraterInnen bieten, miteinander in Austausch zu treten: "Oftmals ergeben sich im Zuge der eigenen Arbeit Fragen, man sucht Material oder Anregungen, oder möchte sich einfach nur mit anderen KollegInnen austauschen oder hören, wie diese an eine bestimmte Situation der täglichen Praxis herangehen würden". Mit Hilfe einer Forums-Software soll dieser Austausch praktisch ermöglicht werden. Jeder registrierte Nutzer kann eigene Diskussionsthemen ins Forum stellen und kann sich in unterschiedliche Online-Diskussionen einmischen. Soweit die Theorie. Erfahrungsgemäß dauert es aber immer eine gewisse Zeit, bis ein online-Forum ausreichend "kritische" Masse angehäuft hat, um regelmäßig frequentiert und damit wirklich interessant zu werden. Dem "Systemischen Diskurs" sei es zu wünschen, auch wenn mit der fest etablierten systemischen Mailing-Liste die Konkurrenz groß ist (die die gleiche Grundidee verfolgt, allerdings nicht über so eine schöne Benutzeroberfläche verfügt, was das Verfolgen der zahlreichen Diskussionen ziemlich erschwert). Es bietet darüber hinaus aktuelle Nachrichten und Newsfeeds, ein Therapeuten- und Coachverzeichnis sind geplant. Die Plattform ist kostenlos und dient ausschließlich dem Ziel, die Vernetzung von Systemikern und an Systemischen Konzepten Interessierten zu fördern.
Thursday, November 23. 2006
 Unter diesem Titel schreibt der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber einen flammenden Artikel im Online-Magazin Telepolis über die zunehmende Vergoogelisierung der Wissenschaft und den Vormarsch des Copy&Paste-Paradigmas bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. Als Beleg präsentiert er eine Dissertation, die an der Universität Klagenfurt mit besten Noten bewertet wurde - und die plagiierten Stellen gleich mit, eine lohnenswerte Lektüre. Als Alternative zu seinem Vorschlag, einfach weniger zu schreiben und dafür jeden Satz selbst zu formulieren, schlägt Weber die Rückkehr "zu den klassischen Kulturtechniken (vor): … Volle Kraft zurück. Schreibwerkstätten, kreatives Schreiben, rationales Argumentieren, Rhetorik ohne Powerpoint, beinharte Zitierkunde am Beginn jedes kulturwissenschaftlichen Studiums - anstelle von noch mehr E-Learning-"Assignments", noch mehr Ergoogelung, noch mehr Wikipedia, noch mehr Ghostwriting, noch mehr vermeintliche Software-Lösungen. 'Plagiatsprävention' gehört in alle Leitbilder und Lehrpläne." Zum vollständigen Text…
Monday, November 20. 2006
 Am 3.11. wies systemagazin auf eine Artikelreihe hin, die Jörg auf dem Hövel für das Online-Magazin Telepolis über Ritalin und ADHS verfasst hat. Heute ist der abschließende dritte Teil erschienen, der sich mit dem gesellschaftlichen Umgang mit der Droge Ritalin beschäftigt. auf dem Hövel schreibt unter anderem: "Drogen können helfen. Nur ist es bisher der unheiligen Allianz aus Wissenschaftlern und Pharma-Lobbyisten gelungen darüber zu bestimmen, welche Substanz als gutes Medikament und welche als schädliche Droge zu gelten hat. Der Mensch ist aus deren Sicht ohnehin nur eine Maschine, die auf Pilleneinwurf mit dem immergleichen Verhalten zu reagieren hat. Die Folgen zeigen sich einer potentiell überdosierten Gesellschaft, die alle Jahre auf neue Medikamente eingestellt wird, um weiter glücklich und gesund leben zu können. An der erhitzten Diskussion um Medikamentenvergabe an Kinder und ADHS bei Erwachsenen, die auch im Telepolis-Forum zu dieser Artikelserie entbrannt ist, zeigt sich die Sensibilität gegenüber einem Thema, das in Zukunft an Relevanz eher gewinnen wird. Der Einsatz von chemisch Substanzen in geringer Dosis hält bei ADHS nicht an: Das synthetisch hergestellte Desmopressin beispielsweise ist dem körpereigenen Hormon Vasopressin nachempfunden und wird bei Kindern eingesetzt, die im Schlaf die Blase entleeren, also unter Ein- bzw. Bettnässen (med.: Enuresis) leiden. Auf Dauer trockengelegt werden Kinder durch Desmopressin nicht, der Effekt ist temporär. Aber im Rahmen einer Gesamttherapie hilft das Medikament kurzzeitig weiter. Auch in diesem Bereich treffen die Eltern, Ärzte und Pharma-Interessen aufeinander, die Aufklärungsindustrie läuft auf Hochtouren. Unter www.initiative-trockene-nacht.de/ wird über Therapiemöglichkeiten des Bettnässen aufgeklärt, die Webseite gibt sich neutral, schon im Impressum steht allerdings die Medical Consulting Group (MCG) als Ansprechpartner, eine bekannte Düsseldorfer Marketingagentur für Medizinprodukte. Forscht man bei der Denic nach, so ist der Domaininhaber aber nicht die MCG, sondern die Ferring Arzneimittel GmbH, ein Hersteller von desmopressinhaltigen Medikamenten (z.B. Minirin). Hier liegt, neben der hirnphysiologischen und kulturellen Ebene, die dritte Wahrheit: (Kinder-) Medikamente sind ein wirtschaftliches Gut und gehorchen daher auch des Gesetzen des Marktes. Und dieser Markt will sich ausweiten. Im US-Fernsehen läuft seit Jahren Werbung für Medikamente gegen "Adult-ADHD"; es geht um die Sensibilisierung für, andere würden sagen "Etablierung" der Krankheit in der Welt der Erwachsenen." Zum vollständigen Artikel…
Sunday, November 19. 2006

Die Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften wird von einem Historikerkreis aus den Instituten für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Zeitgeschichte der Universität Wien um den auch in der Familientherapie-Szene bekannten renommierten Historiker, Familienforscher und Kulturwissenschaftler Reinhard Sieder herausgegeben und erscheint seit 1990 mit vier Ausgaben pro Jahr. Sie bringt Artikel über aktuelle Forschungen zu allen Epochen, besonders der Disziplinen Sozialgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kulturgeschichte (historische Kulturwissenschaft), Geistesgeschichte und Wissenschaftsgeschichte. Besondere Berücksichtigung finden Debatten um die Wissenschaftskonzepte dieser Disziplinen, ihre Forschungsmethoden und ihre Theorien. Als kulturwissenschaftliches Organ ist ihre inhaltliche Reichweite erheblich und auch weit über Historikerkreise von Interesse. Nachdem sie lange im Verlag Turia & Kant erschien, wird sie nun im Studienverlag Innsbruck verlegt. Erfreulich ist, dass die Herausgeber bereits vergriffene Hefte zum Download zur Verfügung stellen. Die Originale sind natürlich vorzuziehen, da sie nicht nur über ein ausgezeichnetes Layout verfügen, sondern auch durch eine sorgfältige Verarbeitung glänzen: die Hefte sind echte Handschmeichler. Zum Download empfehle ich das Heft über "Innovationen - Wie Neues entsteht", das der Frage nachgeht, unter welchen historischen und wissenschaftskulturellen Bedingungen Innovationen entstehen und, vor allem: überleben können. Andererseits gibt es auch einen Beitrag, der rekonstruiert, wie eine geplante Innovationsschmiede in Österreich in ihrem Auftrag scheitern musste. Das 200 Seiten starke Heft enthält einen sehr schönen Beitrag des Gastherausgebers Albert Müller über die Geschichte des Biological Computer Laboratorys unter der Leitung von Heinz von Foerster in den 50er bis 70er Jahren, das als paradigmatisches Beispiel für die Entstehung von Innovationen verstanden werden kann. Zum Heft…
Thursday, November 16. 2006
 Wenn Sie es wirklich mal wissen wollen, wie Ihr Einkommen im Weltmaßstab einzuschätzen ist, sollten Sie mal diese Seite besuchen (einfach auf das Bild klicken).
 Dirk Baecker analysiert in einem kürzlich auf seiner website veröffentlichten Beitrag den Terrorismus als Kommunikation und damit als "Geschehen inmitten der Gesellschaft": "Die Gewalt, die er ausübt, kommt nicht von außen, sondern ist Teil des Umgangs der Gesellschaft mit sich selbst. Vermutlich wird man sogar sagen müssen, dass die Gewalt des Terrorismus wie jede Gewalt, die nicht nur physisch ausgeübt, sondern die auch kommuniziert wird, zu einem guten Teil so symbolisch wie real ist. Denn erschreckend ist die Gewalt, die der Terrorismus ausübt, nicht zuletzt deswegen, weil die ausgeübte Gewalt über die möglicherweise noch folgende Gewalt informiert und vor ihr warnt. Auch die tatsächlich angewandte Gewalt enthält als Teil einer Kommunikationsstrategie einen symbolischen Anteil, der darüber informiert, wie es um die Verhältnisse stünde, wenn noch mehr Gewalt ausgeübt würde, und damit droht, die Gewalt eskalieren zu lassen, wenn den Forderungen der Terroristen nicht nachgegeben wird. Noch im Moment der Ausübung von Gewalt, so unwahrscheinlich dies den Beobachter anmutet, wird die Gewalt dosiert und moderiert, kann sie abgeschwächt, aber auch gesteigert werden, und ist sie insofern nicht schlicht Einbruch der Physis in eine ansonsten befriedete Gesellschaft, sondern längst Gegenstand und Inhalt einer Kommunikation, die Täter, Opfer und Dritte gleichermaßen erfasst. Insofern ist der Gewaltakt Teil eines gesellschaftlichen Rituals der Gewalt, das auf die Gewalt zurückgreift, um die Gewalt zu kontrollieren." Zum vollständigen Text (pdf)…
Thursday, November 9. 2006
Die Zeitschrift "Hypnose und Kognition" ist in diesem Jahr Zeitschriften-Neugründung "Hypnose. Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie" aufgegangen, die von allen nennenswerten deutschsprachigen Hypnosegesellschaften gemeinsam herausgegeben wird. Der Jahrgang 2006 (ein Doppelheft) ist dem Thema der wissenschaftlichen Anerkennung gewidmet. Auch die hypnotherapeutischen KollegInnen können ein Liedchen singen, was die Auseinandersetzung mit dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie betrifft, der im März dieses Jahres zwar die wissenschaftliche Fundierung in zwei ICD-10-Kategorien zugestanden hat, aber feststellte, dass die Hypnotherapie nicht als Verfahren für die vertiefte Ausbildung psychologischer Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichentherapeuten "empfohlen" werde. Welcome to the club! Das aktuelle Heft veröffentlicht Dirk Revenstorfs ausführliche Expertise zur Beurteilung der wissenschaftlichen Evidenz des Psychotherapieverfahrens Hypnotherapie sowie den Text des Gutachtens des Wiss. Beirates. Das Heft wird abgerundet mit einer Arbeit von Erich Flammer über "Die Wirksamkeit von Hypnotherapie bei Angststörungen". Zu den abstracts…
1991 erschien im Münchener Boer-Verlag ein von Florian Roetzer und Peter Weibel herausgegebener Band mit dem Titel "Strategien des Scheins. Kunst - Computer - Medien", der mittlerweile zwar nicht mehr erhältlich ist, aber zum Preis von 8,00 € unter dieser Adresse von der website des Verlages heruntergeladen werden kann. In diesem Band ist (neben Arbeiten von Norbert Bolz, Vilém Flusser, Friedrich Kittler, den Herausgebern und anderen) ein Beitrag eines der Pioniere des radikalen Konstruktivismus, Ernst von Glasersfeld mit dem o.g. Titel zu finden, der auch online gelesen werden kann. Glaserfeld schreibt u.a.: "Für den radikalen Konstruktivismus (gilt): Da ist man letzten Endes für alles verantwortlich, was man in der physischen wie in der Begrifflichen Welt konstruiert, denn die Bausteine dieser Konstrukte sind stets eben jene Begriffe und Beziehungen, die man aus der eigenen Erlebenswelt abstrahiert hat. Da die Viabilität der Bausteine, der Beziehungen, mit denen man sie verbindet, und schließlich der konstruierten Begriffsnetze sich aber in einer Erlebenswelt erweisen muß, in der ma nicht ohne andere konstruierende Wesen auskommt, wird die Verantwortung, die man für die eigenen Konstrukte trägt, eine soziale Verantwortung. Dieser Aspekt widerlegt nicht nur den Einwand des Solipsismus, der gegen den Konstruktivismus erhoben wird, sondern führt – erstaunlicherweise – auch zu dem ethischen Grundsatz, den Kant als „kategorischen Imperativ“ auf verschiedene Weisen formulierte. In einer seiner Formulierungen betonte Kant, daß menschliche Wesen nie nur als Mittel sondern stets auch als Zweck betrachtet werden sollen. Das heißt, die Autonomie der Anderen muß respektiert werden. Im konstruktivistischen Modell sind „die Anderen“ nun eben das, was es dem kognitiven Subjekt ermöglicht, eine höhere, intersubjektive Wirklichkeit aufzubauen." Zum vollständigen Text (PDF) …
Friday, November 3. 2006
 Aufgrund von Komplikationen als Folge einer Herzoperation ist der berühmte US-amerikanische Anthropologe Clifford Geertz am 30. Oktober im Alter von 80 Jahren im Krankenhaus der Universitätsklinik Pennsylvania gestorben. Geertz nahm in den Jahren 1943–1945 am Zweiten Weltkrieg teil. Er studierte unter anderem an der Harvard University, zunächst Philosophie und wandte sich eher zufällig der Anthropologie zu. In Harvard wurde er insbesondere durch Talcott Parsons maßgeblich beeinflusst. Ende der 1940er Jahre heiratete Geertz. Gemeinsam mit seiner Frau unternahm er Forschungen, so etwa in Asien und Nordafrika. Nach der Promotion lehrte er an der University of California, Berkeley (1958–1960), danach mehrjährig an der University of Chicago. Ab 1970 lehrte er in Princeton. Er war dort am Institute for Advanced Studies tätig, einer wissenschaftlichen Denkfabrik. Geertz gilt als bedeutender Vertreter der Ethnologie, Religionswissenschaft und Anthropologie. Sein Hauptwerk "Interpretation of Culture" erschien im Jahre 1973, ein Teil davon unter dem Titel "Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme" in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp.
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 Der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften hat in Kooperation mit dem Sigmund-Freud-Institut und unterstützt durch das Präsidium der Universität im Auftrag des "Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" eine Untersuchung zum Generationenwechsel in Familienunternehmen durchgeführt. Die Untersuchung geht unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl und Diplomökonomin Bettina Daser der Frage nach, welche Chancen Töchter in mittelständischen Familienunternehmen haben, in die Geschäftsleitung zu gelangen. Die Ergebnisse belegen auf der einen Seite, dass traditionelle Vorbehalte gegen Frauen an der Unternehmensspitze grundlos sind: Selbst in Branchen, die von Männern dominiert werden, setzen sie sich erfolgreich durch, wenn sie ihre Chance bekommen. Auf der anderen Seite treffen Töchter in der Nachfolge nach wie vor auf Widerstände in ihren Familien. Diese Widerstände können so groß sein, dass ihr vorhandenes Potenzial zum Schaden des Unternehmens nicht genutzt wird. Der Untersuchung gelingt es, eine Reihe von einzelnen Faktoren und Familienkonstellationen auszumachen, die für Töchter förderlich oder hinderlich sind. Die Ergebnisse können helfen, die Beratung von Familienunternehmen auch über eine konkrete Frauenförderung hinaus zu optimieren. Eine wissenschaftlich fundierte Beratung, die nicht nur die üblichen betriebswirtschaftlichen sowie steuer- und erbschaftsrechtliche Fragen behandelt, sondern auch die erforderliche Sensibilität für die Familiendynamik von Unternehmerfamilien aufbringt, kann maßgeblich dazu beitragen, den Generationswechsel zu sichern. Diese Aufgabe verlangt entsprechend geschulte Beraterinnen und Berater, von denen es bislang zu wenige gibt. Deshalb arbeitet das Sigmund-Freud-Institut jetzt an einem Schulungsprogramm, das die Kompetenz von Beraterinnen und Beratern verbessern und die Beratungsresistenz von mittelständischen Familienunternehmen verringern soll (Quelle: Siegmund-Freud-Institut Frankfurt). Zum vollständigen Bericht (PDF, 60 S.) …
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