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systemagazin special: "Das erste Mal"
Dörte Foertsch: Das erste Mal oder warum kommen Sachen durcheinander?

Wer könnte bei der Überschrift „Das erste Mal“ eigentlich nicht auch an Sex denken? Es gibt ja viele erste Male, aber die mit dem Sex bleiben so ungemein farbig in Erinnerung. Meine erste Therapieerfahrung handelt von einer besonderen Variante, eine Erfahrung die nicht mehr aus dem Kopf geht und mich seither überzeugt hat, wie viel der Kopf mitspielen muss wenn es um das eine und erste Mal geht. Die Videoaufzeichnung gibt es in schwarz-weiß und ich habe die Erlaubnis, sie heute als Lehrtherapeutin WeiterbildungsteilnehmerInnen zu zeigen.
Ich habe 1984 am Berliner Institut für Familientherapie, BIF, mit meiner Weiterbildung zur systemischen Familientherapeutin begonnen. Das BIF hatte damals, wie auch heute noch, die Möglichkeit, dass alle Teilnehmer selber Therapien live machen konnten, nach dem Mailänder Modell, sie waren also in der Situation, Therapien vor der Einwegscheibe mit einem Team und Lehrtherapeuten im Hintergrund durchzuführen.
Ich war gerade 27 Jahre alt und eigentlich viel zu jung, um mit einem Paar Anfang fünfzig eine Therapie zu machen, in der es natürlich auch darum ging, über die eingeschlafene Sexualität nach siebzehn Jahren Ehe mit einem fünfzehnjährigen Sohn zu sprechen. Für mich gab es dies als Vorstellung nicht, ich hatte gerade meine erste Tochter zur Welt gebracht.
Der Mann war KFZ- Mechaniker in einem großen Betrieb und leitete mittlerweile eine wichtige Abteilung mit mindestens zwanzig Angestellten, hatte es also entsprechend schwer mit mir, die nun versuchte ihn zu verstehen. Er war in ernsthafter Not, da seine Frau sich zurückgezogen hatte und ihr „erstes Mal“ einfach zu lange zurücklag. Mir ist in Erinnerung geblieben, dass wir über defekte Motoren und Mechanik sprachen und mir die Kraft des Metaphorischen bewusst wurde. Ich war aber auch eingeschüchtert von einem Mann, der nun nicht nur mit seiner Frau, sondern auch mit mir als Therapeutin das Problem hatte, der Initiative und Themenergreifende zu sein, was er nicht mehr sein wollte.
Die Frau packte Sitzung für Sitzung ihre Geschichte voller Misshandlungen aus, bis dahin, dass sie sich in Ohnmachten retten konnte, die sie schon als kleines Kind im verschlossenen Keller des Elternhauses erlebt hatte. Wir drehten uns im Kreis, ohnmächtige Frauen gegenüber einem Mann, der die „Macht“ nicht mehr haben wollte und trotzdem etwas wollte, von seiner Frau und von mir.
Etwa in der achten Sitzung waren unsere Ideen erschöpft und der Lehrtherapeut schlug vor, dass alle im Team eine Hausaufgabe nennen sollten, egal ob sie passte oder nicht.
Wir hatten damals noch keine direkte Sprechverbindung in den Raum wie heute, so wurden die Therapeuten jeweils herausgeklopft, wenn das Team eine Mitteilung an die Familie machen wollte.
Ich bekam also die ganze Liste des Teams an Vorschlägen mitgeteilt und gab diese bereitwillig weiter, vergaß nur immer den Vorschlag des Lehrtherapeuten. Heimlicher Widerstand gegenüber dem Mann, der nicht mehr sagen will wo es lang gehen soll? Peinlichkeit, unmögliche Hausaufgaben mitzugeben? Vier, fünfmal ging es hin und her zwischen mir und dem Team, bis ich nur noch die eine Aufgabe sagen sollte. Mein Lehrtherapeut bestand nun mittlerweile auch darauf, der Frau mitzugeben, sie solle in Parks spazieren gehen und dabei heimlich Liebespaare beobachten. Mir war die Aufgabe nicht nachvollziehbar und auch unangenehm, ich brachte sie endlich etwas stockend im Therapieraum heraus und ahnte schon die Empörung darüber.
Der nächste Termin wurde ohne Begründung abgesagt. Ich war wütend über den Lehrtherapeuten, der mir meine erste Niederlage bereitet hatte, fühlte mich im Recht, dass ich als zu junge Therapeutin keine solche Aufgaben geben kann.
Nach sieben oder acht Monaten meldete sich der Mann zu einem weiteren gemeinsamen Termin an, den ich mit schlotterigen Knien vereinbarte. Er war immer noch aufgebracht über die Hausaufgabe. Er hatte seitdem darauf geachtet, dass seine Frau auf keinen Fall alleine spazieren gehe. Beide würden nun viel spazieren gehen, und er achtete immer darauf, wenn es Liebespaare zu entdecken geben würde, dass er seine Frau ablenken kann. Und wir sprachen in dieser Sitzung erstmals ernsthaft über intime Bedürfnisse beider Partner.
Die größte Wirkung hat die Aufgabe wahrscheinlich auf mich gehabt. Kann ich heute noch durch einen Park gehen oder mit dem Fahrrad fahren, ohne Liebespaare zu entdecken? Dazu kommt noch, dass es in Berlin verdammt viele Parks und Grünflächen gibt, da tummeln sich auch verdammt viele Liebespaare und ich bin mittlerweile Spezialistin geworden, irgendwann schreibe ich einen Stadtführer für Liebespaare in Berlin. Der Titel wäre: Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist verliebt.



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